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Buch „Sexuell verfügbar“Auf Onkels Schoß

Das Bewusstsein für Genderungerechtigkeiten verändert sich. Unser Verhalten nicht. Die Journalistin Caroline Rosales über die Macht von Bildern.

„Für meine Generation ist es schon eine Mutprobe, sich ein bisschen Achselhaar wachsen zu lassen“ Foto: Unsplash/Billie

Vielleicht ist es kein Zufall, dass die jungen Frauen meiner Generation, gerade wenn sie den Feminismus feiern, die Generation der Feministinnen der zweiten Welle klandestin ausklammern. Denn Germaine Greer oder Andrea Dworkin waren und sind in ihrem Schreiben und Handeln viel radikaler, als wir es je sein könnten. Weil wir dressierte Pudel sind, die Angst haben, dass man uns kein Leckerli (bisschen Aufmerksamkeit, einen tollen Job oder eben Liebe) reicht, wenn wir Mätzchen machen. Bloß keine lästige Bitch sein!

Für meine Generation ist es schon eine Mutprobe, sich ein bisschen Achselhaar wachsen zu lassen, auch auf die Gefahr hin, für Männer unattraktiv oder gar gänzlich unsichtbar zu sein. Feministische Posen zu turnen wird die Frau des 21. Jahrhunderts gewiss nicht befreien. Vor allem aber müssen wir uns eingestehen, dass ein wachsendes Bewusstsein für Geschlechterungerechtigkeit oder die kleinen und großen Zurichtungen von Frau und Mann in unserer Kultur theoretisch noch so klug reflektiert sein können: Zu einer Verhaltensänderung führt das nicht unbedingt.

Das zeigt auf seine ganz eigene Art „Sexuell verfügbar“, das aktuelle Buch der Journalistin Caroline Rosales. Wie auch in ihrem Buch „Single Mom“ schreibt Rosales, Jahrgang 1982, aus einer sehr persönlichen Perspektive über sexuelle Selbstbestimmung, weibliche Handlungsmacht und die so zentrale Kategorie der Fuckability einer Frau.

Vieles, was Rosales als Teenagerin oder junge Frau erlebte, kenne ich aus Erzählungen meiner Freundinnen oder persönlichen Erfahrungen. Vermutlich werden viele Leserinnen dieses Aha-Moment verspüren. BEI IHR ALSO AUCH! Dieser Moment ist wichtig, er ist sogar zentral.

Permanent wird der Körper kommentiert

Übrigens gilt das auch klassenübergreifend. Rosales und ich entstammen unterschiedlichen Schichten und kulturellen Milieus. Und trotzdem wiederholen sich Erfahrungen. Wie jene, dass das Gewicht eines Mädchens permanent von Verwandten (vor allem den Frauen!) kommentiert wird. Auch das Sitzen auf Onkels Schoß, Küsschen hier und Küsschen da. Sei fügsam, hübsch und brav; sei wie ein guter Hund: bitte niemals bissig!

Jedenfalls beschloss ich noch beim Lesen, dass das Buch auch von der Teenager-Schwester meines Mannes gelesen werden muss. Vielleicht erlebt sie all das genauso? Oder noch viel schlimmer, weil sie zu der Generation junger Frauen gehört, deren Aussehen nicht nur von Müttern und Tanten kommentiert wird, sondern von Anfang an auch von Freunden in Social Media.

Bislang hatten mein Freund und ich nie so miteinander geschlafen

Social Media ist überhaupt ein wichtiges Thema. Frauen der Generation von Rosales, also Frauen in ihren Dreißigern, wurden auch mit schwer erreichbaren Vorbildern in Musik, Film und Mode konfrontiert. „Wow, so würde ich gerne aussehen!“, dachten sicher die meisten von uns. Trotzdem war da auch ein Bewusstsein, dass niemand ernsthaft von uns erwartete, wie ein Superstar oder Modell auszusehen.

Status der sexuellen Verfügbarkeit

Wenn aber heute auf Instagram Mädchen von nebenan wie Models aussehen – und das tun sie! –, kreiert das einen unfassbaren Druck. Ob nun ein Filter oder eine Face-App im Spiel ist: Weil wir grundsätzlich ähnliche technische Möglichkeiten der Manipulation haben, erscheint das perfekte Gesicht des Girl Next Door noch erhabener. Zum Glück bin ich Instagram erst mit 32 beigetreten. Selbst bei einer reifen Frau wie mir erzeugt die Plattform, wenn ich nicht aufpasse, schlimmste Komplexe und den dringenden Wunsch, meinen Körper durch allerhand invasive Maßnahmen optimieren zu lassen.

Als Ü30-Frau mit Kind muss ich mich nicht mit heißen Teenie-Girls messen, dafür wird das eine oder andere Bild mit Kommentaren wie „ah, riecht nach MILF“ versehen. Einmal abgesehen von der schrägen, oder sagen wir unglücklichen Geruchsmetapher: nicht mal als Mutter kann man sich dem ewigen Wettkampf um den Status der sexuellen Verfügbarkeit entziehen. Die meisten von uns zucken zusammen, wenn sie zu hören bekommen: „Für eine Mutter siehst du ja echt gut aus.“ Öhm, danke fürs Kompliment, oder so.

Auch die MILF-Mädchenrechnung, wie sie Autorin Katja Grach im gleichnamigen Buch auseinandernimmt, kommt in Rosales’ Text vor. Wieder wird sie sehr persönlich, wenn sie ihre Buseninstandsetzungsmaßnahmen nach der Stillzeit schildert. Da sitzt sie, mit zwei kleinen Kindern im Schlepptau, in der Praxis eines Chirurgen, der ihr die mehr oder minder gelungenen Versuche der Anpassung menschlichen Gewebes an unmenschliche Maßstäbe vorführt. Es habe gar nicht so wehgetan, erklärt sie, während bei der Leserin (mir!) jede Brustmuskelfaser zuckt und schmerzt.

Die Angst vor Liebesverlust

Mensch Rosales, echt jetzt? Dass Rosales, die gegen Schönheitswahn anschreibt, alle Schmerzen und Kosten (finan­ziell, psychisch und emotional) eines solchen Eingriffs klein­redet, ärgert ein bisschen. Wie überhaupt all die Ungerechtigkeiten und fiesen Kommentare, die frau in ihrem Leben so zu hören bekommt, und unsere unmenschliche, manchmal unmenschlich doofe Tendenz, das hinzunehmen, kleinzureden, unseren Schmerz und die Verletzungen zu beschweigen, so richtig wütend machen. Natürlich sind wir meistens wütend auf uns selbst!

Im Kontext der Lektüre von Rosales’ Buch musste ich immer wieder an Margarete Mitscherlichs psychoanalytischen Klassiker Die friedfertige Frau denken. Sie analysiert das gesellschaftliche Konstrukt einer vermeintlich friedfertigen, weniger aggressiven Frau. Sie zeigt, dass die Aggression auch bei Frauen vorhanden ist, aber andere Erscheinungsformen offenbart. Sie zeigt auch, dass das, was oft genug als lustvoll gelebte, masochistische Unterwerfungslust der Frau erscheint, antrainiertes Verhalten ist. Denn fast alle Frauen teilen eine zentrale Angst: den möglichen Liebesverlust.

Die Angst vor Liebesverlust, so Mitscherlich, ist die Triebfeder für weibliches Handeln. Sie zeigt sich im Falle von Rosales und vielen anderen Frauen (mich nicht ausgenommen), wenn wir schon in Teenagertagen alles versuchen, die sexuellen Wünsche unserer Boyfriends, in stundenlangen Pornokonsumsessions präfiguriert, zu befriedigen. „Bislang hatten mein Freund und ich nie so miteinander geschlafen. Nicht auf die Hardcore-Variante, die wohl mehr mit gerissenen Schleimhäuten, Blasenentzündungen und Pflichterfüllung als mit einer gemeinsamen Sache zu tun haben musste“, schreibt Rosales über eine Situation, in dem sie mit ihrem Freund zum ersten Mal Hardcore-Pornografie betrachtete.

Verlegensheitssex ist Selbstunterwerfung

Rosales’ Buch ist da am witzigsten, wo man eigentlich heulen müsste. Wie anders als mit Humor können wir damit umgehen, dass Hardcore-Pornografie, die nichts mit Lust, dafür aber sehr viel mit Unterwerfung und in vielen Fällen offener Misogynie zu tun hat, das Sexualverhalten ganzer Generationen von Männern und Frauen prägt? Will man Material sehen, das nicht bis in die letzten Nervenenden der Vagina verstört, muss man so etwas wie Female Friendly Porn googeln, und auch dann findet man meist nur Pornos, in denen Frauen ein bisschen weniger brutal anal penetriert werden. Ladies and gentleman, we are fucked.

taz am wochenende

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Die Angst vor Liebesverlust und die daraus resultierende Unterwerfung erklärt womöglich auch die seltsamste Anekdote in Rosales’ Buch: ihren Metoo-Moment. Der Moment, als sie einen älteren, einflussreichen Chefredakteur zu sich aufs Zimmer mitnimmt, obwohl sie ihn nicht mag. Es kommt zum Sex und sie wehrt sich nicht. Beim Lesen denkt man immer wieder: Oh Gott, warum sagt sie denn nichts? WARUM SAGT SIE DENN NICHTS!?

Weil Rosales noch in dem Moment, in dem die Gegenwart des anderen nur Unbehagen erzeugt, an erster Stelle über seine Gefühle nachdenkt. Auch in einem Text, der Jahre später geschrieben wurde. Es ist der Schlüssel zu Metoo: „Der Aufwand, den Typen jetzt wieder abzumoderieren, ist weitaus höher, als es einfach hinter sich zu bringen. Was ist das Wort dafür? Verlegenheitssex?“ Lieber Sex zu haben, als den anderen zu verärgern oder zu kränken, ist keine Verlegenheit. Es ist Selbstunterwerfung unter die Doktrin der sexuellen Verfügbarkeit.

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27 Kommentare

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  • www.youtube.com/watch?v=Z3U9EIuNFpo

    und warum hat man einen Account bei Instagram? Um sich dann darüber zu beschweren?

  • Mich würde da doch mal der historische Ablauf interessieren.



    Denn irgendetwas hat sich gewaltig verändert seit den 70er Jahren, was ich irgendwie nicht mitbekommen habe. Mag sein, dass ich als Bi-Mann in den 90ern und 00er Jahren zu lange in einer Männerbeziehung rumgetrieben habe, aber ich habe dabei irgendwie den Anschluß dazu verpasst, wie sich das Bild der Frauen bei ihnen selbst verändert hat.



    In meiner Jugend in den 70er Jahren war eigentlich aus meinem Alter auf dem Gymnasium keine Frau irgendwo rasiert oder deutlich geschminkt und ich fand mit meinen damaligen Partnerinnen Achselhaare lecken genauso erotisch wie bei Schamhaaren. Irgendwie hatte ich auch nie den Eindruck, dass sich zumindest in den sozialem Bereich, in dem ich mich bewegte, die Frau das Gefühl vermittelte, dauernd sexuell verfügbar zu sein. Nicht, dass ich sagen möchte, es war damals nicht vorhanden, aber es war eben damals ein Problem, was wir irgendwo in den Kreisen vermuteten, die prekär abgehängt waren von Einkommen und Bildung. Maximal noch eine Generation vor uns vermutete man das.

    Irgendwann muss das angefangen haben, dass auch Frauen mit Intellekt sich dieser Verfügbarkeit untergeordnet haben. Ich weiß noch, dass ich ab einem nicht genau bestimmten Zeitpunkt immer weniger Lust auf Frauen verspürte ohne dass das an mir lag. Ich war dann irgendwann mal froh, endlich wieder eine Frau mit behaarten Beinen, denen ihr Äußeres ziemlich gleich war, entdeckte, mit der ich mich im Bett auch verstand.

    Ich weiß nicht, ob andere das ähnlich erlebt haben aus meiner Generation, aber irgendwann fing das an, dass alle Frauen wie Models oder so rumrennen mussten. Ich meine, dass das zusammenfiel mit dem Beginn der Genderdebatten.



    Vielleicht eine selbsterfüllende Prophezeiung, zumindest für bestimmte gesellschaftliche Gruppen von Frauen, die früher mehr Selbstvertrauen hatten.

    Naja, vielleicht sind meine Wahrnehmungen verzerrt, ich habe mich wenig mit damit befasst, wie schon gesagt-

  • Herr (?) Hirsch - ich weiß nicht, ob Sie sich da nicht täuschen, wenn Sie schreiben, dass Druck erst durch die intellektuelle Interpretation von Social-Media-Phänomenen entstünde. Die vielen jungen Mädchen, die ihr Spiegelbild mit den Hochglanzporträts von Models vergleichen und ihr Selfie dann nur noch mit Filtern und Face-up-Funktionen ertragen, lesen keine intellektuellen Interpretationen solcher Phänomene, ihr Selbstbewusstsein leidet aber trotzdem am ständigen Abbilden und Kommentieren (gilt für Jungs übrigens mittlerweile fast im selben Maß). Artikel wie diese - der ja eigentlich eine Buchrezension ist - helfen eigentlich eher, die eigene Verstricktheit in die Materie zu erkennen und ein wenig Abstand dazu zu gewinnen.

    Aber im Grunde denke ich, dass Sie den Artikel gar nicht sorgfältig gelesen haben. Es geht an keiner Stelle darum, dass die Autorin sich auf dem Fleischmarkt herumtreibt oder dass sie ihre Männer nach Äußerlichkeiten aussucht. Es geht auch nicht um den Beitrag, den Männer zur weiblichen Angst vor mangelnder Schönheit leisten. Lediglich im Abschnitt über Pornographie geht es um die mögliche Erwartung von Männern, denen junge Frauen glauben, genügen zu müssen.

  • "Als Ü30-Frau mit Kind muss ich mich nicht mit heißen Teenie-Girls messen,"

    Nein, müssen Sie nicht. Was soll der Unsinn?

    Ihr Artikel ist eine Heuchelei sondergleichen. Sie beklagen den angeblichen Druck, dem Sie durch die sozialen Medien ausgesetzt sind. Aber der wirkliche Druck entsteht ja erst durch die intellektuelle Interpretation des Blödsinns, der in sozialen Medien stattfindet. Will sagen: Sie tragen mit Artikeln wie diesem ganz wesentlich dazu bei, dass Menschen (vor allem Frauen) sich unter Zugzwang fühlen.

    Wenn Sie sich permanent auf dem Fleischmarkt herumtreiben, kann ich Ihnen auch nicht helfen. Fragen Sie sich mal, warum Sie das Gefühl haben, dauernd allen gefallen zu müssen. Da tragen die Männer den kleinsten Teil dazu bei.

    Vielleicht würde es helfen, Ihrerseits bei der Männersuche nicht nur auf Äußerlichkeiten zu achten, sondern sich einen freundlichen, ernsthaften Mann mit Charakter zu suchen, der auch bei Ihnen bleibt, wenn Sie nicht mehr in Liga A der Fuckability spielen.

    Dann können Sie auch Ihren Instagram-Account löschen.

  • Der Artikel ist ja schon eindrücklich, aber die Reaktionen hier untermauern nochmal ebenso deutlich, wo die Problematik liegt: Realitäten werden ignoriert, verharmlost und lächerlich gemacht.



    Genau das Klima, das es braucht, um solche Erlebnisse in der Gesellschaft überhaupt möglich zu machen.

  • 6G
    6474 (Profil gelöscht)

    Ernstnehmen kann ich dann Artikel spätestens bei der Instagram-Story nicht mehr. Das ist meine Generation : Überangepasst jeden Blödsinn mitmachen und dann über die eigene Inkonsequenz jammern. Da hilft echt nichts mehr.

    • 6G
      61321 (Profil gelöscht)
      @6474 (Profil gelöscht):

      Was erwarten Sie anderes. Unsere Gesellschaft (so ziemlich jede westliche Gesellschaft) hat nie mehr verweichlichtere und inkompetentere Individuen hervorgebracht als heute. Die Bedingungen sind einfach so. Die Ausnahmen sind unter den Reichen zu finden. Die wissen nämlich sehr genau worauf es ankommt, um die Verhältnisse, insbesondere die Besitzstandsverhältnisse zu wahren. Jede Laschheit würde ganz schnell mit Verlust bestraft werden. Es gilt also stets vigilant und tough zu sein. Das tradiert sich in den entsprechenden Familien von Generation zu Generation. Ausnahmen sind auch diejenigen, die nichts haben und die um ihre Existenz und die ihrer Familien kämpfen und die es unter ihrer Würde ansehen, sich lediglich durchfüttern zu lassen und die den Gedanken nicht aufgegeben haben, dass sie Kraft ihres Engagements die Situation grundsätzlich umkrempeln können. Dafür braucht man natürlich ebenso besondere Kompetenzen und gerüttelt Realitätssinn. Und unter den den Ausnahmen sind schließlich die Schlauen aus allen sozialen Schichten, nennen wir sie wie früher die Intelligenzjia. Die haben i.d.R. ein hervorragendes Bewusstsein Ihres Seins und haben insbesondere eine Vorstellung ihres Seins in der Zukunft, das ihr ureigenstes Projekt darstellt. Wer sich dauerhaft von früh bis spät in den sozialen Medien rumtreibt und stundenlang Schminkvideos oder Survivalvideos auf Youtube ansieht ohne noch selber an die frische Luft zu gehen, ist da irgendwie ganz schlecht aufgestellt.

  • "Das Bewusstsein für Genderungerechtigkeiten verändert sich. Unser Verhalten nicht."

    Warum sollte es sich ändern? Diese Dinge sind viel stärker biologisch bedingt als Linke gerne glauben wollen.

    • @Thomas Friedrich:

      Da, wo die Legenden der Religion heute durch die Legenden des Biologismus ersetzt werden, um Ungleichwertigkeit und Ungleichbehandlung zu legitimieren, steht der Unglaube in bester Tradition. Diese Tradition nennt man "Aufklärung".

      • @mats:

        Die Ungleichbehandlung von Menschen aufgrund von Eigenschaften wie Schönheit, Intelligenz und Erfolg findet sich in allen Epochen und Kulturen. Offensichtlich gibt es dafür eine biologische Grundlage. Zumal man Dinge wie sexuelle Selektion, Dominanzverhalten, Hierarchien usw. auch im Tierreich findet.

        Aber ich will Sie nicht davon abhalten, sich an der Natur den Kopf einzurennen.

        • @Thomas Friedrich:

          Zuviel Jordan Peterson Videos geguckt?

        • @Thomas Friedrich:

          Bei den Tieren kommt es auch vor, dass die Weibchen die Männchen dominieren. Es soll Spinnen geben, bei denen das Weibchen nach der Befruchtung das Männchen tötet. (Nicht dass Ihre unterirdische Rechtfertigung jeglicher Unmenschlichkeit eine Antwort verdient hätte.)

    • 6G
      6474 (Profil gelöscht)
      @Thomas Friedrich:

      Rasierte Achselhöhlen sind biologisch bedingt?

      • @6474 (Profil gelöscht):

        Nö, aber sicherlich das Gefallenwollen, das dahinter steht, und möglicherweise auch die Neigung, dieses primär durch optisches Locken auszuleben.

        Frauen sind - biologisch bedingt - das Geschlecht, das die Entscheidung trifft, ob aus zwei Menschen ein Paar wird. Daraus hat sich in Jahrhunderttausenden ein recht festes Muster entwickelt, im Rahmen dessen die Frau den zu einem Mann sucht, indem sie ihn optisch zur Kontaktaufnahme reizt. Das erlaubt ihr, eine Vorauswahl zu treffen, sich die Entscheidung, ihn wirklich anzunehmen, aber vorzubehalten.

        Dieses Muster ist immer noch stark dominant. Ob es tatsächlich mittlerweile im Genom verankert ist (wie nachweislich einige andere grobe Verhaltensmuster), ist schwer zu sagen. Aber zu behaupten, dass das gar nicht sein kann - weil das ja voll biologistisch wäre -, ist sicher nicht der Weg zu letzten Weisheit.

        • @Normalo:

          Diese Muster sind stark kulturell geprägt und nicht unbedingt biologisch bedingt.



          Alleine schon die Existenz matriarchalischer Gesellschaften zeigt, dass dieser simplifizierte Biologismus nicht haltbar ist.



          Wobei ich es schon interessant finde wie sehr die sex-bezogende aber im Grunde prüde und eindimensionale us-amerikanische Bildrsprache bei Instagramm jnd Co. oberhand hant. .



          Naja, sie lässt sich vielleicht am einfachsten global kommerzialisieren und standardisieren.

  • Auch Männer werden nach ihrem Aussehen beurteilt. Ich glaube nicht, dass der fette hässliche Neckbeard in seiner Jugend mehr zu lachen hat als das unattraktive Mädchen. Dazu kommt bei Männern ein großer Erwartungsdruck hinsichtlich Status, Erfolg, Männlichkeit. Eine schüchterne Frau oder eine, die mit 30 als Barista arbeitet, wird nicht annähernd so abgewertet wie ein Mann mit den gleichen Eigenschaften. Es passiert auch wesentlich öfter, dass Männer als unmännlich als dass Frauen als unweiblich bezeichnet werden.

    • @Thomas Friedrich:

      Sie haben ja recht. Nachdem Frauen sogar wählen und in der Ehe nicht mehr vergewaltigt werden dürfen ist die Gleichberechtigung langsam überschritten was?

      • @emanuel goldstein:

        Man KANN natürlich Alles auf den Geschlechterkampf reduzieren, Herr Goldstein. Nur leider wird das genau NICHT dazu führen, dass am Ende ein für beide Geschlechter passendes Miteinander herauskommt.

        @Thomas Friedrich weist sehr richtig darauf hin, dass die die Emanzipation untergrabenden Erwartungshaltungen sich nicht nur an Frauen richten. Auch Männer machen die Erfahrung, dass Frauen zwar abstrakt ein neues Männerbild befürworten, sich aber in der Praxis dann doch überwiegend lieber den archaischen, dominanten Alphatieren zuwenden, die allenfalls eine dünne Lackschicht "Moderner Mann" tragen.

        Wer als Mann eine Frau sucht, die bewusst - und auch in beruflicher und intellektueller Hinsicht - auf Augenhöhe mit ihm steht, findet die zwar im Zweifel. Er stellt dann aber viel zu häufig fest, dass von ihrer Seite (und ihrem weiblichen Umfeld) die Augenhöhe als "wohl keinen Besseren abgekriegt" gewertet wird. Auch das kann und sollte man ehrlicherweise als "Anspruchsdenke" beschreiben.

        Da liegt also BEIDERSEITS noch viel im Argen. Es wäre also vielleicht hilfreich, darüber offen zu reden, statt sofort den Schützengraben auszuheben, sobald mal jemand erwähnt, dass die Opferrolle nicht ganz so einseitig verteilt ist, wie die femisitische Literatur es gerne - vielfach in herrlich naiv-subjektiver Weise - darstellt.

  • "Das Bewusstsein für Genderungerechtigkeiten verändert sich. Unser Verhalten nicht."



    Dazu gibt es eine Theorie oder Analyse eines Herrn Argyris, der von Single-Loop- und Double-Loop-Learning redet. Im Single-Loop hat der Mensch etwas Neues gelernt und auch verstanden, also eine neue Erkenntnis. Er wendet diese jedoch nicht auf sein Handeln an, d. h. also: "Zu einer Verhaltensänderung führt das nicht unbedingt."



    Im Double-Loop dagegen hat er die Erkenntnis und verändert nun auch sein Handeln bzw. Verhalten. Leider kommt der Mensch sehr häufig über den Single-Loop nicht hinaus, weil es eben bequemer ist, alles nach seinen Gewohnheiten zu tun. Oder: "Weil wir dressierte Pudel sind".



    Und wenn's nach > MILF riecht < ist doch "Fuckability" positiv bescheinigt, oder?



    Anfangs fand ich den Text ganz interessant, irgendwann wusste ich nicht mehr, was die Autorin jetzt sagen will. Ist das jetzt Pro oder Kontra "dressierte Pudel"?



    Ich empfehle zur Lektüre jetzt einfach mal den Text "Interaktion und Geschlecht" des Soziologen Goffman. Von ihm stammt übrigens auch der Satz "das Geschlecht, nicht die Religion, ist das Opium des Volkes".



    Schönen Sonntag noch!

    • @HopeDrone:

      Netter Text, nur inwiefern ist die damalige Gesellschaftssituation heute übertragbar?



      Dass, sofern man Nachkommen als Gesellschaft wünscht, irgentwie ein Arrangement eintreten muss, ist klar.

      Die Frage ist nur, inwiefern man dieses gesellschaftlich vorgeben möchte.

      Die andere Frage ist die der strukturellen Vorraussetzungen und Zielsetzungen einer Gesellschaft.



      Leider geht Herr Goffmann auf die Ziele/vorherrschende Ideologie und Strukturen nicht genauer ein.

      Dieser Artikel reflektiert die strukturelle Unzulänglichkeit ein bisschen an diesem Beispiel, geht aber nicht auf die Ursachen ein.

  • "Selbst bei einer reifen Frau wie mir erzeugt die Plattform, wenn ich nicht aufpasse, schlimmste Komplexe und den dringenden Wunsch, meinen Körper durch allerhand invasive Maßnahmen optimieren zu lassen."

    Abgesehen davon, dass ich mir unter einer "reifen Frau" etwas anderes vorstelle als eine 32jährige: Mein Gott, dann löschen Sie halt Ihren Instagram-Account. Man muss sich da nicht rumtreiben.

    Und Andrea Dworkin war nicht "radikal", sondern schlicht und einfach nicht ganz dicht.

  • Germaine Greer ist nicht radikal, sondern transphob.

    • @CU3:

      Germaine Greer hat eine gut begründete Meinung dazu, warum Trans-Frauen keine Frauen sind, sondern eben Trans-Frauen. Gewisse Strömungen, die ein winzige Minderheit von Trans-Menschen repräsentieren, wissenschaftlich nicht haltbare Positionen vertreten, die als nützliche Idioten für misogyn-patriarchale Ideologien in den sozialen Medien unverhältnismäßig viel Aufmerksamkeit bekommen, benutzen Etiketten wie transphob, TERF etc. aufgrund ihrer Diskursunfähigkeit.

  • Leider werden gerechtfertigte Anliegen, zB Klischees aufzubrechen, von Anfang an wieder mit Klischees untermalt. Allein schon in der Überschrift "sexuell verfügbar" , Auf Onkels Schoß" - kleine Mädchen werden viel häufiger auf Tantes Schoß sitzen. Aber das ist nicht so eine griffige oder giftige (?) Überschrift, würde aber genauso dem Anliegen im Text, nämlich der Rolle der Frau (sic, siehe Wiglaf Droste) gerecht.

  • Kommentar entfernt. Bitte verzichten Sie auf Pauschalisierungen. Danke, die Moderation

    • @Mareike:

      das ist satire, oder?

      • @smallestmountain:

        Ich bin mir nicht ganz sicher. Dafür habe ich leider schon zu viele typenähnliche Artikel lesen müssen.

        Am Ende läuft es dabei jedes mal aufs Neue auf die gleiche Frage heraus, ob Frau lieber als Alice Schwarzer oder als Micaela Schäfer durchs Leben gehen will.

        Der Artikel könnte, falls sie nicht im Auftrag geschrieben werden, auch ein Symtom weiblicher Midlife-Crysis sein, wenn die grosse 3 in näher kommt.