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Debatte Trumps Rhetorik und PittsburghSoros als Synonym

Kommentar von Jacob Eder

Trump und seine Anhänger bedienen antisemitische Verschwörungstheorien. Einer dient ihnen besonders als Sündenbock.

Vielen dient der Philantrop George Soros als Sündenbock für ihre verfehlte Politik Foto: reuters

D ie von den Demokraten erhoffte „Blaue Welle“ ist ausgeblieben. Zwar hat die Partei bei den Zwischenwahlen am Dienstag einen wichtigen Etappensieg gegen Präsident Trump errungen: Sie hat nun die Mehrheit im Repräsentantenhaus inne und stellt sieben neue Gouverneure. Die Republikaner konnten aber ihre Mehrheit im Senat ausbauen. Alles deutet nun darauf hin, dass die kulturellen Gräben noch tiefer, der politische Diskurs noch feindseliger werden. Trump sprach bereits von Krieg – denn das Rennen um die Präsidentschaftswahlen 2020 hat am Mittwoch begonnen.

In den vergangenen Monaten haben die Republikaner alles darangesetzt, ihre Stammwählerschaft, aber ebenso die „silent majority“ bis hin zum äußersten rechten Rand für sich zu mobilisieren: auch mit rassistischen und antisemitischen Botschaften. Obwohl Trump eine ausgesprochen israelfreundliche Außenpolitik verfolgt und man ihn gewiss nicht als Antisemiten bezeichnen kann, blicken die Kritiker Trumps – spätestens seit dem 27. Oktober, als ein Amokläufer elf Menschen in einer Pittsburgher Synagoge erschoss – genau auf die Rhetorik der Republikaner.

Haben sich Trump und seine Parteigänger – willentlich oder fahrlässig – antisemitische Verschwörungstheorien zu eigen gemacht, um latent oder offen judenfeindliche Wähler anzusprechen? Dabei geht es um einen viel größeren Kreis als den der rechten Fanatiker und Verschwörungstheoretiker, die vor allem im Internet gegen Juden hetzen. Es geht um die Stimmen von etwa 11 bis 22 Million weißen Amerikanern, die laut Umfragen zumindest in Teilen mit Ideen der Alt-Right-Bewegung sympathisieren und deren Verschwörungstheorien für plausibel halten.

Um diese potenziellen Unterstützer für sich zu gewinnen, haben die Republikaner Hass und Ängste geschürt. Ihre Strategie, den politischen Gegner zu dämonisieren und ihn als Bedrohung für das Wohl der eigenen Basis zu brandmarken, findet in George Soros ihr zentrales Feindbild. Den in Ungarn geborenen jüdischen Investor und Philanthropen, der Milliarden für die Stärkung der Zivilgesellschaft ausgegeben hat und die Demokraten finanziell unterstützt, zeichnen die Republikaner als Repräsentanten einer liberalen Gesellschaftsordnung, die sie ablehnen.

Jacob Eder

geboren 1979, ist Historiker und forscht unter anderem zu deutscher und amerikanischer Geschichte, Holocaust-Erinnerung im internationalen Kontext und der Geschichte der Juden in den USA. Derzeit ist er Stipendiat der Alexander von Humboldt-Stiftung an der New York University. Er ist Autor des Buches „Holocaust Angst. The Federal Republic of Germany and American Holocaust Memory since the 1970s“ (Oxford University Press).

Antisemitismus hat viele Umschreibungen

Nicht nur in Ungarn, wo er zu den Erzfeinden Victor Orbáns zählt, bei Ukip und den Brexiteers oder bei der FPÖ ist der Name „Soros“ zu einem antisemitischen Codewort geworden – vergleichbar etwa mit „Rothschild“, „Hochfinanz“ oder „Ostküste“. Wer antisemitische Vorurteile hegt oder dafür empfänglich ist, dem signalisiert die Verwendung einer dieser Begriffe, dass ein Komplott einer „globalistischen Elite“ am Werk ist. In den USA haben Trump und seine Partei diese antisemitische Verschwörungstheorie vom rechten Rand in die Mitte des politischen Diskurses getragen.

Schon im Präsidentschaftswahlkampf von 2016 wurde Soros von Trump als Inbegriff dieser „globalistischen Elite“ denunziert, welche die amerikanische Bevölkerung ausbeute. Hinter dem Protest gegen den höchst umstrittenen Verfassungsrichter Brett Kavanaugh sah Trump „Soros und andere“ am Werk. Und prominente Republikaner behaupten, Soros finanziere die sogenannte Migranten-Karawane, in der sich derzeit Tausende Menschen aus Mittelamerika auf die Südgrenze der USA zubewegen. Trump, der im Wahlkampf gezielt die Angst vor Migranten geschürt hat, hebt diese Verschwörungstheorie in den Bereich des Plausiblen. Gefragt, ob Soros die Karawane mit seinem Geld ermögliche, antwortete Trump: „A lot of people say yes.“

Fanatiker wie der Attentäter von Pittsburgh müssen sich vom US-Präsidenten bestätigt und ermutigt fühlen

Ultrarechte Kreise wie die Alt-Right-Bewegung und fanatische Einzelgänger wie der Attentäter von Pittsburgh oder Cesar Sayoc, der Briefbomben an Soros und andere verschickte, müssen sich vom US-Präsidenten bestätigt und ermutigt fühlen. „Die Juden“, insbesondere Soros und jüdische Flüchtlingshilfsorganisationen, sehen sie als Hintermänner eines angeblichen Genozids an der weißen Bevölkerung: In den USA finde ein koordinierter Bevölkerungsaustausch statt, wonach Juden nichtweiße Einwanderer systematisch ins Land brächten, um die „weiße Rasse“ zu ersetzen. Wenn Trump nun die Theorie im Umlauf hält, dass Soros die Flüchtlings-Karawane finanziere, spielt er Rassisten und Antisemiten genau in die Hände.

Und deren Zerstörungspotenzial sollte man spätestens seit Pittsburgh keinesfalls unterschätzen. Geblickt werden muss aber auch auf die Millionen potenzieller Sympathisanten, die Wahlen entscheiden können. Auch ihnen gegenüber funktioniert der Hinweis auf Soros als Code, um eine vermeintliche Verschwörung zu entlarven.

Ablenken von politischen Versäumnissen

Und Soros personifiziert nicht nur den politischen Gegner, er wird zugleich auch zum Sündenbock für die politischen Versäumnisse der Trump-Regierung. Wenn man nicht erklären kann, warum Amerika trotz der Machtfülle der Republikaner noch nicht „great again“ und auch der Washingtoner „Sumpf“ noch nicht trocken gelegt ist, schiebt man die Schuld auf Soros. Für all die Trump-Wähler, deren Hoffnungen er eigentlich enttäuscht hat, bietet sich so die Lösung eines Dilemmas: Anstatt sich vom Präsidenten abzuwenden, flüchtet man sich in antisemitische Verschwörungstheorien und schiebt vermeintlich allmächtigen Juden wie Soros die Schuld daran zu, dass Trump seine Versprechen noch nicht einlösen konnte.

In Deutschland sollte man das nicht als amerikanisches Spektakel abtun. Es ist kein Zufall, dass gerade der AfD-Rechtsausleger und Steve Bannon-Bewunderer Petr Bystron es sich zum Ziel gemacht hat, ein angebliches Komplott zwischen der Regierung Merkel und Soros aufzudecken. Dieses wolle, so Bystron auf Twitter, „massiv die öffentliche Meinung beeinflussen“. Auch in Deutschland benutzen rechte Kreise den Namen Soros als Sig­nalwort.

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16 Kommentare

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  • Pittsburg sollte nicht instrumentalisiert werden.

  • Warum denken Rechte, Soros sei ein Linker? Das ist total unverständlich. Die Handlungsgrundlage von Soros ist Popper und sein Werk die offene Gesellschaft und ihre Feinde, Liberal bis neoliberal, aber bestimmt nicht links.

    • @siri nihil:

      Ich glaube nicht, dass die Rechten Soros für einen Linken halten. Die Open Society Foundation setzt sich für die liberale Demokratie ein. Das reicht, um den Hass der Rechten auf sich zu ziehen.

  • Soros ist für die Briten zunächst einmal "The man who broke the Bank of England", ungeachtet seiner Etnie oder Religion.



    Das liegt am von Soros verursachten "Black Wednesday" 1992, der das britische Volk Milliarden kostete.



    Auch Italien hat Soros' Reichtum finanzieren müssen.



    Der Vorwurf des Antisemitismus soll nur vom Geschäftsgebaren Soros' ablenken.

  • Lieber Rolf B.,



    diese negativen Allmachtszuschreibungen, die interessanter Weise nur von populistischen Regierungen kommen, die gerade dabei sind die Gewaltenteilung ihrer Staaten aufzuheben, sind diffus und unbelegt. Sie erinnern groteskerweise an die Figur „Goldstein“ aus dem Roman „1984“.

    • @Ward Ed:

      Lieber WARD ED,

      ich mag prinzipiell keine Spekulanten. Und als Demokrat mag ich es nicht, wenn Milliardäre ihr Geld dazu benutzen, Politik massiv zu beeinflussen.



      Die Welt eines Herrn Soros ist weit weg von der, die ich mir wünsche. Eine Welt von Freiheit, GLEICHHEIT, Brüderlichkeit. Und nicht die von Zockern, die auf Kosten anderer sich maßlos bereichern.

      Die Propaganda für solche Zockertypen basiert auf der Dämonisierung ihrer Kritiker. Als Linker habe ich einfach andere Vorstellungen. Logischerweise hat der Spekulant Soros seine Vorstellungen. Er hat mit der Finanzierung von Meinungsmachern und NGOs mehr Einfluss auf die Politik als der sogenannte Volkssouverän. Das wären wir, die WählerInnen. Soros kann sich so viel in die amerikanische Politik einmischen wie er will. Aber nennen Sie mir einen Grund, warum er auch andere Länder nach seiner politischen Facon verändern will.

      Sie, WARD ED, haben das "Glück" rechtspopulistische Gegner von Soros als Vorwand zu nehmen, Kritik an Soros deshalb in die rechte Ecke stellen zu können. Ich vermeide lieber ein krasses Gegenbeispiel und will es dabei bewenden lassen. Aber seien Sie versichert, dass ich mir um die Demokratie wesentlich mehr Sorgen mache, weil es sowohl Rechtsnationalisten gibt als auch diese Typen wie Soros und Konsorten und ihre Verehrer, die offensichtlich politische Beeinflussung von der Höhe des Vermögens abhängig machen. Das ist der Weg in die absolute Oligarchie.

      • 6G
        6474 (Profil gelöscht)
        @Rolf B.:

        Putin, möglicherweise der reichste Mann der Welt.



        Berlusconi-Milliardär.



        Trump-Multimillionär und reich geboren, aber angeblich "Anti-Establishment" im Vergleich zu Obama (ja, warum eigentlich? Obama kommt aus wesentlich ärmeren Verhältnissen als Trump)

        Du redest von Einflussnahme usw.

        Fang doch mal den Machthabern an

      • @Rolf B.:

        Ich befürchte ward ed hat aufgehört, sich selber eine meinung zu bilden und plappert lieber nach, was er hier liest.



        Macht es natürlich leichter...

        • @Hannes Petersen:

          Lieber Hannes,



          Sätze wie „Er hat mit der Finanzierung von Meinungsmachern und NGOs mehr Einfluss auf die Politik als der sogenannte Volkssouverän“ sind naiv, verschwörungstheoretisch und sachlich falsch zugleich. Auffällig ist, dass bei bei dieser Kritik der größte Zocker, Kapitalist und Twitter-Meinungsmacher aus dem Weißen Haus irgendwie unerwähnt bleibt. Oder hat er mit seinen Milliadären-Freunden etwa keinen Einfluss? Liebe Anhänger des Rechtspopulismus und illiberaler Gesellschaftsmodelle, Euer unproduktives und pomadiges Gesellschaftsverständnis gehört abgewickelt und spätestens nach 1914 auf den Müllhaufen der Geschichte. Leider habt ihr auch aus zwei Weltkriegen nichts gelernt.

  • Jemanden, der mit seine Währungsspekulationen auf Kosten hundertausender, die er ins Elend stürtzte, Philantrop zu nennen, ist schon gewöhnungsbedürftig.

  • Kann mir mal einer erklären, warum Netanyahu bester Freund des Antisemiten Orban ist? Höchste Zeit, daß die israelische Öffentlichkeit aufwacht.

  • Ein Spekulant, dessen "wirtschaftliche Leistung" es ist, Milliarden von anderen in die eigene Tasche umzuleiten, kann kein Philantrop sein. Ein Spekulant, der mit seinen Milliarden dafür sorgt, dass seine Ideologie weltweit verbreitet wird, damit das Spekulantentum (auf wessen Kosten?) global agieren kann, ist das Gegenteil von Philantrop. Soros einfach nur als "Investor" zu bezeichnen ist eine radikale Verharmlosung von politischer Macht.

    Dass Soros Jude ist, wird doch nur deshalb ins Spiel gebracht, um Kritik an ihm in die Nähe des Antisemitismus zu rücken. Leider gibt es noch ein zweites Scheinargument gegen Soros-Kritiker. Das sind die rechten Nationalisten. Und man muss schon etwas Mut haben, weil man als Kritiker von Soros auch schnell in die rechte Ecke gestellt werden kann. Aber insgesamt ist das ein durchsichtiger Versuch. Soros unterstützt mit seinen Milliarden zahlreiche sogen. NGOs und andere Institutionen stets mit dem Versuch, sich als Privatmann politisch einzumischen und Wähler zu beeinflussen. Er macht genau das, was westliche Länder den Russen unterstellen, nämlich Meinungsbeeinflussung. Putin wird allerdings nicht als Philantrop bezeichnet. Immerhin ist der Kalte Krieg eines der Ziele, die man den Freunden von Soros unterstellen kann.

    Ich kann mir nicht vorstellen, dass Linke Soros unkritisch sehen. Vielleicht schweigen Linke zu Soros, weil sie zu sehr in Deckung gehen bei dieser Soros-Propaganda.

    • @Rolf B.:

      Naja, es sieht so aus, als ob sich das wöchentliche Wagenknecht-Bashing in der taz als Clickbaiting langsam abnutzt und jetzt mit ein paar argumentfreien pro-Soros Artikeln ergänzt werden soll.

      • 8G
        88181 (Profil gelöscht)
        @jhwh:

        So viel gibt das da ja nicht mehr zu bashen. Für den ersten großen Act war die Veranstaltung am 9.11. ja ein bisschen mager.

        Bei unteilbar waren 400mal mehr Leute und jede kleine Nazidemo wird von 1000en behindert und kommentiert.

        Da kommt mir das Konzept von aufstehen fast schon ein wenig trotzig vor.

        Und warum gibt es eigentlich kein Bill-Gates-Bashing. Der ist doch auch Milliardär. Oder Jeff Bezos, immerhin der reichste Mann der Welt. Oder Elon Musk, auch nicht der reine Sympathieträger.

        Na, wer findet den Unterschied?

    • 8G
      88181 (Profil gelöscht)
      @Rolf B.:

      Und warum geht es dann immer nur um Soros und nie etwa um Bill Gates?

  • Interessanter Beitrag, gleichwohl, ....bis 22 Millionen, die den Verschwörungsschund für plausibel halten. Das sind 6,7% der derzeitigen Gesamtbevölkerung der USA.

    Hier, bei Minute 47:00:



    www.youtube.com/watch?v=gvqKny2TQ64



    schildert jemand, wie sich 80 Mio, nahezu 100% der damaligen deutschen Bevölkerung verhalten (oder nicht verhalten) hat.



    Hier eine Statistik, die Anlass gibt, das wir uns lieber um uns selber kümmern sollten:



    www.antisemitismus...land/frindte-3.htm

    An Lukas Kapitel 6 Vers 41 sei erinnert.