Kommentar SPD-Finanzpolitik: Olaf Schäubles Wahlbetrug

Finanzminister Olaf Scholz tut alles dafür, Versprechen der SPD zu sabotieren – und zeigt sich als Wiedergänger Wolfgang Schäubles.

Schatten auf Kopf von Olaf Scholz

Olaf Scholz präsentiert einen mut- und ideenlosen Entwurf Foto: reuters

Was hat die SPD für Hoffnungen in das Finanzressort gesetzt. Nur ein sozialdemokratischer Finanzminister, tönten Sozialdemokraten vor der Regierungsbildung, könne die zerstörerische deutsche Sparpolitik in der EU ändern. Nur mit einem SPD-Mann könnten dringend nötige Investitionen für Bildung, Soziales oder Verkehr durchgesetzt werden. Nur ein solcher sei ein adäquates Gegengewicht zum Kanzleramt. Nun denn, lang, lang ist’s her. Olaf Scholz, der real amtierende SPD-­Finanzminister, tut eigentlich alles dafür, diese Versprechen zu konterkarieren. Er weicht keinen Millimeter vom Kurs seines CDU-Vorgängers ab, sondern präsentiert sich wie ein roter Wiedergänger Wolfgang Schäubles.

Besonders traurig ist das für die Europa­politik der Koalition. Bisher ist nicht erkennbar, ob oder wie Scholz die fatale Sparpolitik ändern will, die Griechenland beinahe in den Ruin trieb. Scholz vermeidet es bei Auftritten sorgsam, sich von Schäuble abzusetzen. Das ist keine Nebensächlichkeit. Setzt die SPD in der EU das Altbekannte fort, wäre das eine Katastrophe – und nichts anderes als Wahlbetrug. Ihr gescheiterter Kanzlerkandidat Martin Schulz zeichnete im Wahlkampf das Bild eines solidarischen Europas. Sozialdemokraten brüsten sich damit, in den Koalitionsverhandlungen einen Kurswechsel durchgesetzt zu haben. Aber wo ist er nur?

Auch Olaf Schäubles Entwurf für den Bundeshaushalt ist mut- und ideenlos. Ja, er setzt die Spiegelstriche des Koalitionsvertrages präzise um, die an einigen Stellen sinnvolle Investitionen vorsehen. Aber das Papier bleibt – wie der Koalitionsvertrag – weit unter dem, was nötig wäre. Die Koalition will zum Beispiel 8.000 Stellen in der Pflege schaffen, die Gewerkschaft Verdi geht von 70.000 fehlenden Pflegekräften aus. Das Selbstlob der Koalition muss auf übermüdete Pfleger*innen wie Hohn wirken. Die Bundeswehr darf sich dagegen auf neue Milliarden freuen, weil sich die Regierung in der Nato verpflichtet hat, perspektivisch zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts ins Militär zu stecken.

Schwarze Null als Fetisch

Und noch eine Tragik setzt sich fort. Scholz erhebt die schwarze Null zum Fetisch deutscher Haushaltspolitik, so wie es auch Schäuble tat. Mehrmals betonte der Sozialdemokrat in seiner Pressekonferenz, wie sehr solide Haushaltspolitik im Interesse des Landes und nachfolgender Generationen liege. Diese Erzählung sieht den Staat wie einen verschuldeten Kleinsparer, nicht wie einen mächtigen Puffer, der Fehlentwicklungen ausgleichen muss. Scholz verwaltet Schäubles schwarzes Erbe, anstatt eine neue, sozialdemokratische Linie zu etablieren.

Mit der Huldigung des Sparens legt sich Scholz selbst Ketten an. Wenn die nächste Krise kommt, etwa durch einen Handelskrieg mit den USA, wird es ihm schwerfallen, von dem Dogma abzurücken. Und dann geht es nicht mehr darum, ob Investitionen ausreichen. Dann müsste Scholz im Sozialetat sparen, um die schwarze Null zu retten.

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Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.

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