Kommentar Deutsche Europapolitik: Merkels heimlicher Nationalismus
Merkel kritisiert Trumps Abschottung, tatsächlich aber verbirgt sie ihr „Deutschland zuerst“ nur besser. Das zeigt sich an der Haltung zu Griechenland.
K anzlerin Angela Merkel gibt die große Europäerin, doch in Wahrheit praktiziert sie einen rabiaten Nationalismus. Sie ist damit nicht besser als US-Präsident Donald Trump, sondern nur intelligenter. Während Trump mit seinem „America first“ durch die Welt trampelt, weiß sie ihr „Deutschland zuerst“ geschickt zu verbergen.
Nirgendwo zeigt sich die Differenz zwischen Rhetorik und Realität deutlicher als im Fall Griechenland. Mitleidlos wird das Land in die Armut getrieben, weil die Kanzlerin die Bundestagswahl im September gewinnen will.
Den Griechen wird daher verwehrt, was sie am dringendsten benötigen: Planungssicherheit. Hartleibig beharrt die Bundeskanzlerin darauf, dass erst 2018 über Schuldenerleichterungen verhandelt wird – eventuell.
Für saturierte Deutsche klingt dies harmlos, nach dem Motto: Ein Jahr ist doch nichts. Warum können sich die Griechen nicht noch ein bisschen gedulden?
Ein Jahr ohne Hoffnung
Aber für die Griechen ist ein Jahr eine Ewigkeit. Es ist ein weiteres Jahr ohne Hoffnung und fast ohne Wachstum. Denn niemand investiert, solange nicht klar ist, wie es mit den griechischen Schulden weitergeht.
Merkel verlängert aber nicht nur die Not von 11 Millionen Menschen. Sie macht zudem, und das ist noch schlimmer, ganz klar, dass europäische Absprachen nicht gelten, sondern allein das Recht des Stärkeren zählt. Also das Interesse der Bundesregierung.
Die Griechen haben alle deutschen Auflagen erfüllt – und seien sie noch so unsinnig. Zum Beispiel hat Deutschland verlangt, dass die Griechen schon jetzt ein Sparprogramm verabschieden, das ab 2019 greifen soll. Sozusagen auf Vorrat. Für den Fall, dass das Sparprogramm nicht funktioniert, das man den Griechen bis 2018 verordnet hatte und das minutiös umgesetzt wurde.
Jeder vernünftige Politiker wäre ins Grübeln gekommen: Wenn sparen nicht funktioniert – warum soll dann noch mehr sparen eine gute Idee sein? Aber Merkel grübelt nicht, sondern bedient die Reflexe ihrer Wähler – statt ihnen die Wahrheit zu sagen.
Was Europa wirklich braucht
Wäre Merkel eine wahre Europäerin, würde sie ihren Wählern erklären, dass die Griechen ihre Schulden nicht zurückzahlen können und Europa nur überlebt, wenn alle Länder davon profitieren – und nicht nur Deutschland.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Auflösung der Ampel-Regierung
Holpriger Versuch endgültig gescheitert
+++ Ampelkoalition zerbricht +++
Lindner findet sich spitze
Scheitern der Ampelkoalition
Ampel aus die Maus
Ampelkoalition gescheitert
Endlich!
Ampelkoalition zerbricht
Scholz will Vertrauensfrage stellen
Antisemitismus-Resolution im Bundestag
Kritik an Antisemitismus-Resolution