Anschlag auf Berliner Weihnachtsmarkt: Offenbar der Falsche festgenommen
Laut Generalbundesanwalt und Berliner Polizei gibt es Zweifel, dass der Festgenommene der Täter ist. Die Sicherheitsbehörden gehen von einem Anschlag aus.
Dieser Beitrag wird laufend aktualisiert. Stand: 16.15 Uhr
Zuvor hatte der Berliner Polizeipräsident Klaus Kandt eingeräumt, dass es sich womöglich bei dem Festgenommenen nicht um den Täter handelt. „Es ist in der Tat unsicher, dass es der Fahrer war“, sagte er. Zuvor hatte die Online-Ausgabe der Zeitung Die Welt unter Berufung auf Sicherheitskreise berichtet, dass die Berliner Polizei davon ausgehe, dass der Verdächtige der Falsche sei.
Nach Angaben von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) stammt der nach der Bluttat auf dem Weihnachtsmarkt in Berlin festgenommende Verdächtige aus Pakistan. Er sei am 31. Dezember 2015 nach Deutschland eingereist und registriert worden, sagte der Minister am Dienstag nach einer Sitzung des Sicherheitskabinetts in Berlin. Sein Asylverfahren sei noch nicht abgeschlossen, nachdem mehrere Versuche einer Anhörung nicht zustande gekommen seien. Der Festgenommene streite jedoch die Tat ab.
Er sprach bei der Einordnung der Tat von einem Terroranschlag. „Wir haben in der Zwischenzeit keinen Zweifel mehr, dass es sich bei dem schrecklichen Ereignis um einen Anschlag gehandelt hat“, sagte er. Zuvor bestätigte die Polizei, dass der Lkw vorsätzlich in die Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt gesteuert wurde. Das Fahrzeug wurde zur weiteren Spurensicherung am Dienstagmorgen vom Tatort abgeschleppt.
Der Festgenommene war am Montagabend in der Nähe der Siegessäule am Berliner Tiergarten festgenommen worden. Nach dpa-Informationen mit Berufung auf Sicherheitskreise ist der festgenommene Pakistani wohl als Flüchtling über die Balkanroute nach Deutschland eingereist. Er habe in einer Flüchtlingsunterkunft auf dem früheren Berliner Flughafen Tempelhof gelebt, hieß es weiter. Die Unterkunft wurde am Dienstag von einem Spezialeinsatzkommando der Polizei durchsucht. Es ist Berlins größte Flüchtlingsunterkunft. Vier junge Männer Ende 20 aus dem Hangar 6 seien befragt worden, es gab aber keine Festnahmen, sagte Sascha Langenbach, Sprecher des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten, am Dienstag.
Nach Erkenntnissen der Behörden soll der Festgenommene etwa 23 Jahre alt sein. Sein Geburtsjahr werde das Jahr 1993 angegeben. Unklar blieb zunächst, ob den Behörden in diesem Zusammenhang ein echtes Personaldokument vorlag oder ob sich die Altersangabe auf eine Auskunft des Verdächtigen stützt. Er sei der Polizei allerdings wegen kleinerer Delikte bekannt gewesen. Um welche Vergehen es sich handelt, blieb zunächst offen.
Zuvor war ein Lkw in einen Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche in Berlin gefahren. Mindestens zwölf Personen kamen ums Leben, 48 Menschen wurden verletzt, zum Teil lebensgefährlich. Das Bundeskriminalamt (BKA) übernahm im Auftrag des Generalbundesanwalts die Ermittlungen. „Der Generalbundesanwalt beim BGH hat ein Strafverfahren eingeleitet und das BKA mit den Ermittlungen beauftragt“, teilte die Wiesbadener Behörde auf Twitter mit. Ermittelt wird gegen Verdachts auf mehrfachen und versuchten Mordes.
Speditionsbesitzer bestätigt Tod seines Fahrer
Einer der Toten soll der Beifahrer gewesen sein. Dieser war ein Polnischer Lkw-Fahrer. Der polnische Speditionsbesitzer hat den Tod seines Fahrers am Montagabend bestätigt, mit dessen Wagen der Anschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt begangen wurde. Er habe seinen Cousin auf einem Polizeifoto identifiziert, sagte Ariel Zurawski im polnischen Fernsehen. „Das Foto ist sehr drastisch.“ Er habe es zunächst nicht sehen wollen. Die genaue Todesursache ist noch unklar. Der Verstorbene hinterlässt seine Frau und ein 17-jähriges Kind.
GPS-Daten hätten gezeigt, dass jemand am Montag gegen 15.45 Uhr den Lkw bewegt habe. „Es sah aus, als wenn jemand geübt hätte, den Wagen zu fahren“, sagte Zurawski. Der Lkw sollte in Berlin Stahlkonstruktionen abliefern und hatte seit Montagmittag in der Stadt geparkt. Gegen 20.00 Uhr ist er in den Weihnachtsmarkt gerast und löste das Blutbad aus.
Der Lastwagen fuhr nach Polizeiangaben von der Kantstraße kommend auf einer Strecke von 50 bis 80 Metern über den Markt zwischen den Ständen durch und verletzte dabei auch Menschen. Der Lastwagen kam auf der Budapester Straße zu stehen. Der mutmaßliche Fahrer flüchtete.
Dutzende Rettungswagen und viele Polizeiwagen waren vor Ort. Das Gelände wurde abgesperrt, Passanten wurden nur noch vom Weihnachtsmarkt gelassen. Die Verletzten wurden in Berliner Krankenhäusern medizinisch vorsorgt.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat am Dienstagnachmittag den Tatort des Anschlags auf einem Berliner Weihnachtsmarkt besucht. Begleitet wurde sie von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und Berlins Regierendem Bürgermeister Michael Müller (SPD). Die Kanzlerin legte weiße Rosen am Breitscheidplatz nieder und trug sich in das Kondolenzbuch in der Gedächtniskirche ein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben