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Angriff auf Team der ZDF-„heute show“Woher diese Gewalt?

Laut Polizei soll der Angriff auf das ZDF-Team von Linken ausgegangen sein. Die Frage nach Tätern und Motiv ist aber komplizierter.

Rohe Gewalt – Nach der Attacke liegt die Ausrüstung des ZDF-Teams auf dem Boden des Tatorts Foto: Christoph Soeder/dpa

Berlin taz | Wie in einem Zombiefilm sei das gewesen, nur dass die Zombies in diesem Film rennen können. Bis zur letzten Sekunde habe er gedacht, dass die Gruppe von 15 bis 20 Personen gar nicht auf ihn und sein Team zurenne, sondern weg von der Polizei – so beschreibt Satiriker Abdelkarim Zemhoute den Angriff.

Der ZDF-Kollege, der ihn interviewt, fragt nach den Tätern. „Hauptsächlich schwarz gekleidete, vermummte Leute“, antwortet Zemhoute, er würde aber keinen wiedererkennen können. Was waren das für Leute? „Ich kann das echt nicht sagen“, antwortet Zemhoute auf die Nachfragen. Er frage sich aber, was die Angreifer getrieben habe. Auch eine Woche nach dem Angriff auf ein Team der „heute show“ gibt es noch keine Antworten auf diese Fragen.

Der Tatort hinter dem S-Bahn-Bogen zwischen Alexanderplatz und Hackescher Markt ist eine ausgestorbene Gasse. Motorrad-Museum, Steak-House, Pub – bis auf ein Café hat die touristische Infrastruktur in Zeiten von Corona geschlossen. Die ruhige Ecke in der Nähe vom Rosa-Luxemburg-Platz war Rückzugsort für das ZDF-Team, das dort bei einer Kundgebung von Coronaleugnern und Verschwörungsideologen gedreht hatte.

Hier telefonierte der Produktionsleiter gerade nach Köln, Zemhoute saß auf einem Fahrradständer, ein anderer Kollege war mit seinem Handy beschäftigt, es herrschte Feierabendstimmung, als die Gruppe das siebenköpfige Team angriff, zu dem auch Kameramann, Assistent und drei Sicherheitsmitarbeiter gehörten.

Die Täter schlugen und traten unvermittelt zu, offenbar auch mit einer Metallstange. Bis auf Zemhoute, der flüchten konnte und die Polizei alarmierte, mussten alle im Krankenhaus behandelt werden. Bundespolitiker von Heiko Maas bis Horst Seehofer verurteilten die Tat. Regierungssprecher Steffen Seibert sprach von der Bedrohung der Pressefreiheit durch „Extremisten aller Richtungen“.

Bald nach der Tat nahm die Polizei sechs Verdächtige fest, die mit Fahrrädern und einem Auto unterwegs waren. Vier Männer im Alter von 24, zwei mal 25 und 31 Jahren sowie zwei Frauen, 25 und 27 Jahre alt. Staatsanwaltschaft und Polizei ermitteln wegen gefährlicher Körperverletzung, festgenommen wurden die Verdächtigen in „Tatortnähe“, heißt es in deren Pressemitteilung vom Montag. Auf taz-Anfrage nennt die Polizei die Oranienburger Straße, auf der es offenbar an mehreren Stellen Zugriffe gab. Konkreter wird sie nicht, dabei verschwimmt die Tatortnähe mit der Länge der Straße. Während der Anfang der Hauptstraße 600 Meter vom Tatort entfernt ist, liegt ihr Ende bereits 1,7 Kilometer entfernt.

Täter aus dem „linken Spektrum“?

Nach der Festnahme wurden die Verdächtigen an den Tatort gebracht, auch das sagt die Polizei der taz. Sie sagt aber nicht, warum, also ob dies etwa zum Zweck einer Gegenüberstellung erfolgte. Fotos von der Festnahme zeigen zwei Frauen in Handschellen, klein und schmächtig, zu sehen sind auch zwei der Männer. Satiriker Zemhoute sagt im Interview, drei oder vier Angreifer seien „durchtrainiert“ gewesen, die anderen „schlank“. Von den Verdächtigen auf den Fotos hat keine die Statur eines Kampfsportlers. Auch Berliner Demo-Fotografen, die in ihren Archiven, auch der vergangenen Hygiene-Demos, nach ihnen suchen, sind ratlos. Niemand hat je einen von ihnen gesehen.

Schon am Tag nach dem Angriff berichten Zeitungen von mutmaßlichen Tätern aus dem „linken Spektrum“, sie beziehen sich auf die Staatsanwaltschaft, später auch auf die Berliner Polizei. Die Bild-Zeitung schreibt am Montag von „Linksextremisten“, die auf die Journalisten eintreten. Die Ermittlungen hat inzwischen der für politische Straftaten zuständige Staatsschutz übernommen. Drei Personen, die beiden 25-Jährigen und der 24-Jährige, sind bei der Polizei in der Datei „Politisch motivierte Kriminalität links“ gespeichert, wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz, Landfriedensbruch und Sachbeschädigung, so die Berliner Polizei.

Am Tag nach dem Übergriff werden alle sechs Verdächtigen freigelassen. Nur gegen zwei habe sich ein „dringender Tatverdacht“ erhärtet, Haftgründe lägen keine vor, so die Staatsanwaltschaft. Solche wären, so sagt es Strafverteidiger Hannes Honecker der taz, Flucht-, Verdunkelungs- und Wiederholungsgefahr. Beispiele vergangener Jahre beim 1. Mai oder Protesten gegen das G20-Treffen aber zeigen: Mitunter sitzen Täter, etwa für Flaschenwürfe, lange in Untersuchungshaft, auch wenn wenig dafür spricht, dass sie flüchten könnten.

Motiv unklar

„PMK“ steht für politisch motivierte Kriminalität, die Statistik wird seit 2001 für rechte, religiös motivierte, aber auch linke Gewalt als „Eingangsstatistik“ erhoben, das heißt, die Einträge erfolgen schon zu Beginn polizeilichen Ermittlungen und somit auf Basis von Anfangsverdacht. Weil die Einordnung von der Polizei abhängt, sei sie anfällig für Verzerrungen, kritisieren Expert:innen. Auch Honecker sagt: „Die Datei ist fehleranfällig, die Kriterien nicht öffentlich überprüfbar.“

Ob und was die sechs Festgenommenen für „Linke“ sind und aus welchen Motiven sie das Team der „heute show“ angegriffen haben, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht klar. So halten Polizei und Staatsanwaltschaft am Montag zwar daran fest, dass die Verdächtigen „teilweise der ‚linken Szene‘ zuzurechnen seien“, sie geben aber auch zu, dass sich die Aufklärung schwierig gestalte, da die bisherigen Zeugenaussagen kein einheitliches Bild ergäben. Zudem sagte Martin Steltner, Sprecher der Staatsanwaltschaft, der taz am Mittwoch, dass jene beiden Festgenommenen, gegen die sich der Tatverdacht erhärtet habe, nicht jene seien, die in der polizeilichen Statistik als Linke auftauchen. Auch das lässt an der These, die Angreifer seien Linke gewesen, zweifeln.

Oder sind die Angreifer vielleicht solche „Linke“, die bei der veschwörungstheoretischen Hygiene-Demo unterwegs waren, wo Links und Rechts seit Ende März zu einer kruden Querfront zusammenschmelzen? Der Hass auf die „heute show“, als linke Propopagandashow des Staatsfunks verschimpft, ist vor allem bei Rechten groß.

Aber auch die Szene der Verschwörungsideologen ist überaus misstrauisch: Schon am 30. April kündigt Bernhard Loyen auf der Seite des verschwörungstheoretischen Medienmachers Ken Jebsen den Besuch des „heute show“-Teams an: „Ich konnte durch Zufall in Erfahrung bringen, man möchte gezielt Verpeilte und Verstrahlte rauspicken, um sie für das dürstende ZDF-Publikum vorzuführen. Lächerlich machen.“ Wer an den rechtsoffenen Hygiene-Demos teilnimmt, sei für das ZDF „Verschwörungstheoretiker, Verpeilter oder Nazi oder alles drei in individueller Mischung“.

Dass nach der Tat rechtsextreme Foren vor Genugtuung überquollen, passt ins Bild. Ebenso passt, dass ein Mann am Mittwochabend vor dem Reichstagsgebäude bei einer Demo gegen Coronabeschränkungen ein ARD-Kamerateam angegriffen hat. Der Tatverdächtige ist, nach seiner Festnahme vor Ort, wieder frei. Es liegt eine Strafanzeige wegen Körperverletzung vor.

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23 Kommentare

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  • 8G
    80576 (Profil gelöscht)

    Von rechts? Immer doch! Von Links? Kann gar nicht sein!

    • @80576 (Profil gelöscht):

      Naja, wenn es stimmt, dass die beiden Täter, bei denen sich der Tatverdacht erhärtet hat, keine polizeibekannten Linken sind, dann erscheint es schon etwas eigenartig, dass die Staatsanwaltschaft an dieser Einschätzung festhält...



      Ich bin sehr gespannt, wie das am Ende ausgeht.

  • Laut Wochenshow vom 8. Mai sage Abdel Karim, die Angreifer hätten Fahrzeuge benutzt, er gehe davon aus, die Aktion sei vorbereitet gewesen. Die taz schreibt, das auf der Site Jebsens einen Tag zuvor das heute-Show-Team angekündigt worden sei. Und die Polizei hat gerade ein aneres Problem, am 1. Mai wurde eine TV-Mitarbeiterin von einem Beamten die Zähne ausgeschlagen. Fazit: Immer noch hat die Polizei keinerlei fassbare Indizien für einen Angriff von Linken vorgelegt.......

  • Ein klarer Gewaltakt gegen Personen.



    Aber gegen Presse? Was hat eine Unterhaltungsshow, wenn auch satirisch, mit Journalismus zu tun?



    Es bedient Klischees für das gehobene Bildungsbürgertum und seine Vorurteile.



    Aber eine Kamera macht noch keinen Journalisten.



    Pressefreiheit ist ein hohes Gut und sollte entsprechend behandelt werden, von allen Akteuren, passiv oder aktiv. Das Medium zu benutzen um die eigene, persönlich, unrecherchierte Meinung kund zu tun ist falsch verstandener Journalismus.

    • @Thomas Fluhr:

      Ich würde sogar soweit gehen zu sagen, dass wer gezielt einen Blogger verprügelt, sich an der Presse- und Meinungsfreiheit vergeht. Da braucht es noch nicht einmal eine Kamera.



      Vor diesem Hintergrund verstehe ich jetzt auch die Stoßrichtung deines Arguments nicht, Thomas.

    • @Thomas Fluhr:

      Wie auch immer ihre persönliche Einstellung gegenüber dem Medium Satire sein mag – die Heute-Show gehört ganz klar dem journalistischen Spektrum an, ihre Mitarbeiter verfügen über einen Presse-Ausweis.

  • Ob es Linke oder Rechte waren, weiß ich nach diesem Beitrag immer noch nicht. Aber ich weiß auch nicht, welche der beiden Seiten es mit Sicherheit NICHT gewesen sein kann. Es scheint nur (halbwegs) sicher zu sein, dass ARD und ZDF bei ganz Linken und ganz Rechten gleichermaßen verhasst sind. Wieso erscheint vor meinem geistigen Auge plötzlich ein wohlgeformtes „Hufeisen“?

    • @Pfanni:

      Legen Sie noch ein Kleeblatt dazu, dann landen Sie bei Symbolen für Neujahr.

      Warum Sie hier an ein Hufeisen denken müssen, weiß ich auch nicht. Sind wohl an der Querfront gewesen?

      • @V. Ohneland:

        Die heute-show jedenfalls ist bei "ganz Linken" meines Wissens nach eher nicht verhasst, sondern denen vermutlich eher egal. Sie würden wohl vergeblich nach Postings in linken Foren suchen, in denen sich hämisch über den Angriff gefreut wird.

  • Zur Motiv- und Beweislage gibt es nichts auch nur annähernd Konkretes. Dennoch meint eine Staatsanwaltschaft, von Tätern aus der „linken Szene“ phantasieren zu müssen. Klingt für mich wie bestellt.

  • Ach, das wird sein wie damals in der Hafenstrasse mit dem maskierten "Linken" der an roten schuhen erkennbar seine Taten filmt, um dem Auftraggeber zu signalisieren "Auftrag ausgeführt".



    Iregndwelche bekannte Linke an den Tatort zu führen, und danach bechliessen die warns- ??? Sorry- AUFFÄLLIGER kann man sich nicht verhalten, wenn man rechte Täter (oder die eines Geheimdiesntes) schützen will.

  • Gut recherchiert, Jungs.

    Der Steltner ist AfDler oder was stimmt mit dem nicht?

    Erst haut er den raus:



    "Laut Steltner spreche „einiges dafür, dass die „Motivlage eher dem linkem Spektrum zugeordnet werden kann“

    Und jetzt:



    "Zudem sagte Martin Steltner, Sprecher der Staatsanwaltschaft, der taz am Mittwoch, dass jene beiden Festgenommenen, gegen die sich der Tatverdacht erhärtet habe, nicht jene seien, die in der polizeilichen Statistik als Linke auftauchen."

    • @Bajramaj:

      So kommt man bei Ihnen in die AfD? Echt?

    • @Bajramaj:

      Naheliegend.



      "Justizsprecher Martin Steltner bestätigte SPIEGEL ONLINE die Beförderung Reuschs - und rechtfertigte sie: "Reusch leistet hervorragende Arbeit. Er ist nicht Mitglied einer verbotenen Vereinigung, es ist sein gutes Recht, sich zu engagieren." Solange Reusch sich ordnungsgemäß verhalte, gebe es keine Probleme."



      www.spiegel.de/pol...ert-a-1087969.html

      • @thismachine:

        Und der grüne Justizsenator hätte nichts anderes sagen können, hätte man ihn gefragt.

        Das nennt man Rechtsstaat.

  • Die Linken sind im Gegensatz zu den Rechten Labertaschen.

    Hätten die den Überfall begangen, gäbe es wohl ein mehrseitiges Bekennerschreiben, das haarklein auseinandersetzt, warum das gut und richtig war.

    Rechte lassen eher die Taten für sich sprechen.

    • @Jim Hawkins:

      Naja, in letzter Zeit gehört es ja bei einem rechten Massenmord schon zum guten Ton, ein krudes Manifest zu verfassen.

    • @Jim Hawkins:

      Stimmt!

    • @Jim Hawkins:

      Naja, da braucht man sich nichts zurechtzimmern. Es kommt ja nicht von ungefähr, daß da steht "...ob und was für Linke..." Es gibt so viele Gruppen und Grüppchen, die sich "links" wähnen, und noch viel mehr Gruppen, die diesen (oder anderen) dann das "links-sein" absprechen, daß man durchaus zur Überzeugung gelangen könnte, kein wahrer Schotte müßte Linker sein.

      Die Gemengelage auf dieser "Hygienedemo" ist ja nochmal eine andere Sache - da sind bestimmt auch etliche unterwegs, die sich für "links" halten - und die Polizei, die das zuordnen soll, tut ja auch nur, was ihr einfach und gut für sie erscheint. Da wird kein "Linker" befragt, wie gut er das verstanden hat, was er da von Bakunin, Lenin oder Amphetamin erzählt, sondern das Häkchen bei PMK-L gesetzt und Feierabend.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Jim Hawkins:

      Ach!

  • Die "Taktik" der Polizei scheint offensichtlich zu sein: Eine Straftat wird gemeldet und stadtbekannte Linke werden festgenommen. Ob sie etwas mit der Tat zu tun haben, scheint keine Rolle zu spielen. An die Medien wird erst mal weitergegeben, dass es sich um "linke" Täter handeln müsse, denn die wurden ja festgenommen.

    • @dudeldudel:

      Erinnert mich an FJS, der nach dem Oktoberfestattentat damals sofort wußte, daß es Linksextremisten gewesen sein müssen.

    • @dudeldudel:

      QED