Anerkennung von palästinensischem Staat: Gegenwind für die Hamas

Die Anerkennung Palästinas ist ein wichtiges Signal an die Palästinensische Autonomiebehörde. Mit ihr steht und fällt jede Lösung des Konflikts.

Ein Mann durhcquert einen Militärkontrollpunkt aus Beton, daneben Sodlaten

Am israelischen Militärkontrollpunkt Qalandia in der Nähe von Ramallah im Westjordanland Foto: Nasser Nasser/ap

Im Unisono kommentieren Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu und die Hamas die Anerkennung des Staats Palästina durch drei europäische Staaten. Sie sei eine Belohnung für die Islamisten. Was für ein Unsinn! Die politische Geste richtet sich an die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) im West­jor­dan­land. Wenn überhaupt irgendjemand belohnt wird, dann ist es die Regierung der Fatah und damit der innenpolitische Gegner der Hamas.

Eigentlich hätte man denken können, dass die Ansage Irlands, Norwegens und Spaniens kaum Auswirkungen auf die Entwicklungen im Nahen Osten haben würde. Schließlich hat die bisherige Anerkennung des unabhängigen palästinensischen Staates durch über 140 UN-Mitgliedstaaten die Region einer Konfliktlösung auch schon nicht näher gebracht.

Nun hat der diplomatische Rückenwind aus Europa aber ganz offensichtlich eine erfrischende Wirkung auf die PA. So stimmt der palästinensische Regierungschef Mohammad Mustafa ganz neue Töne an, wenn er sagt: „Die PA bereitet sich auf die Regierung in Gaza vor.“ Die offizielle Haltung zu möglichen Nachkriegsszenarien lautete bislang, dass man nicht auf den Panzern Israels in den Gazastreifen zurückkehren wolle. Ein Bild, das sich in den Augen der palästinensischen Öffentlichkeit zweifellos nicht gut macht.

Nach den vergangenen acht Monaten weniger denn je. Tatsächlich aber besteht längst eine Allianz aus der PA und ihren Sicherheitsdiensten mit Israels Armee. Die Hamas hat 2007 nach bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen die Kontrolle über den Gazastreifen übernommen und hält sie bekanntermaßen mit Gewalt und Strenge gegen alle Oppositionellen bis heute.

Wahlen sind unabdingbar

Um eine Wiederholung dieser militärischen Niederlage im West­jor­dan­land zu verhindern, ließen damals die ­Fatah-nahen Al-Aksa-­Brigaden die Waffen fallen und den Kampf gegen die israelische Besatzung sein. Die Sicherheitskräfte der PA kooperieren seither mit dem israelischen Militär im Kampf gegen den gemeinsamen Feind Hamas. Die PA würde also keineswegs Neuland betreten, wenn sie nach von Israels Armee getaner Arbeit in den Gazastreifen zurückkehrte.

Auch wenn die Hamas nicht komplett ausgelöscht ist – ein Ziel, das BeobachterInnen zunehmend als utopisch betrachten –, stellt sie auf absehbare Zeit kaum eine Bedrohung für die PA dar. Problematisch bleibt die Legitimität der Führung. PA-Präsident Mahmud Abbas gilt zu Recht als überholt. Über kurz oder lang werden Wahlen abgehalten werden müssen. Einer aktuellen Umfrage im Westjordanland zufolge sind die PalästinenserInnen allerdings blöd genug, ihre Fehler von einst zu wiederholen.

Neben gut 30 Prozent, die eine Regierung der nationalen Einheit bevorzugen, wünschen sich 21 Prozent eine Regierung der Hamas, und nur noch 9,7 Prozent unterstützen die Fatah. Absurderweise hat der Krieg im Gazastreifen der Hamas im Westjordanland zu mehr Popularität verholfen. Knapp 40 Prozent der Befragten glauben, dass das Massaker am 7. Oktober und der Krieg im „nationalen palästinensischen Interesse“ sei.

Palästinas Außenpolitik geht Israel nichts an

Die Erkenntnis, dass der bewaffnete Widerstand gegen Israel Krieg und Verderben bringt, dass sich Frieden hingegen lohnen könnte, ist noch immer nicht ins Bewusstsein breiter Bevölkerungskreise gedrungen. Dabei hätte es so anders laufen können nach der Befreiung von der israelischen Besatzung im Sommer 2005, als Israel SiedlerInnen und Truppen aus dem Ga­za­strei­fen – und auch von der Grenze nach Ägypten – abgezogen hat.

Mit großen Gasvorkommen im Mittelmeer und mit kilometerlangen Sandstränden, die TouristInnen aus dem gesamten Nahen Osten locken könnten, hat der Gazastreifen ein enormes wirtschaftliches Potenzial. Stattdessen stecken die Islamisten, die nur Monate nach dem Abzug an die Macht gewählt wurden, die Gelder aus Katar in den Bau von Terrortunneln und Waffen, und die Hamas bleibt bis heute beliebteste politische Bewegung. Es ist nicht zu fassen.

Einen Versuch, durch interna­tio­nale Unterstützung der PA deren innenpolitisches Ansehen aufzupolieren, wäre es allemal wert. Ein konzertiertes Handeln von USA, EU- und arabischen Staaten, wie Meron Mendel es im taz-Interview anspricht, hätte zweifellos mehr Aussicht auf Erfolg als ein dahinplätscherndes Anerkennen Palästinas durch einzelne Länder. Bei den Menschen in Ramallah hat Letzteres jedenfalls kaum Euphorie ausgelöst.

Es bräuchte viel mehr Rückenwind für die PalästinenserInnen, mit denen eine Konfliktlösung möglich ist. Seltsamerweise hält sich auch Deutschland noch immer an Netanjahus Mantra, dass eine Anerkennung Palästinas nur Folge von Verhandlungen sein kann. Für die palästinensische Außenpolitik ist allerdings nicht Israel zuständig, sondern Ramallah.

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1961 in Berlin geboren und seit 2021 Co-Leiterin der Meinungsredaktion. Von 1999 bis 2019 taz-Nahostkorrespondentin in Israel und Palästina.

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