AfD-Bundesparteitag in Essen: Schwere Vorwürfe gegen Polizei

Beim AfD-Bundesparteitag kam es zu massiver Polizeigewalt, kritisiert die Zivilgesellschaft. Mehrere Demonstrierende hätten Knochenbrüche erlitten.

Eine Person wird von Polizisten weggetragen

Sitzblockade am Rande des AFD-Parteitags in Essen Foto: Henning Kaiser/dpa

ESSEN taz | Nach den Massenprotesten gegen den AfD-Bundesparteitag in Essen erheben die Initiative „Widersetzen“ sowie das Bündnis „Gemeinsam laut“ schwere Vorwürfe gegen die Polizei. In mehr als 100 Fällen seien deren Be­am­t:in­nen mit Gewalt gegen friedlich Demonstrierende vorgegangen, erklärten die „Widersetzen“-Sprecher:innen Katharina Schwabedissen und Alassa Mfouapon am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Essen.

Protestierende seien mehrfach ohne jeden Grund eingekesselt, mit Pfefferspray eingedeckt und geschlagen worden. In mehreren Fällen sei es dadurch sogar zu Knochenbrüchen gekommen. Außerdem sei in Polizeigewahrsam Genommenen „das fundamentale Recht auf anwaltliche Vertretung“ verweigert worden, heißt es im Bericht des „Legal Teams“ der Demo, deren rund zehn An­wäl­t:in­nen teilweise selbst eingekesselt worden seien.

Gegen den Bundesparteitag der AfD waren Ende Juni mehr als 70.000 Menschen aus ganz Deutschland auf die Straße gegangen. Allein die Hauptdemo, zu der das von mehr als 400 Organisationen und über 4.000 Einzelpersonen getragene Bündnis „Gemeinsam laut“ aufgerufen hatte, zählte mehr als 50.000 Teilnehmer:innen. Zu Aktionen der Initiative „Widersetzen“, die dazu aufgerufen hatte, das Treffen der AfD etwa durch friedliche Blockaden zu verhindern, kamen rund 7.000 Protestierende – ebenso viele wie zu einer Rave-Demo am Vorabend des Parteitags der extrem Rechten.

Die Pressestelle der Polizei Essen hatte bereits kurz nach den Haupteinsätzen am 29. Juni – einem Samstag – erklärt, Be­am­t:in­nen hätten „Pfefferspray, Schlagstöcke und unmittelbaren Zwang“ eingesetzt. Wie das aus Sicht von Protestierenden ausgesehen haben dürfte, schilderten Erlebnisberichte, die bei der Pressekonferenz am Donnerstag verlesen wurden: Darin beschrieb etwa eine Medizinerin, dass rund 100 De­mons­tran­t:in­nen direkt nach Verlassen ihres Anreisebusses ätzendes Pfefferspray einatmeten und danach von Einheiten der Hamburger Polizei an der Essener Norbertstraße für etwa 3 Stunden eingekesselt wurden.

Brüche, Panikattacken

„Ins Gesicht geschlagen“ habe die Polizei, hieß es in einem anderen Bericht: „Ich habe viel Blut verloren. Später wurden bei mir zwei Brüche im Gesicht diagnostiziert. Festgestellt wurden ein Nasenbeinbruch und eine Blow-out-Fraktur“ – also ein Bruch des Bodens der Augenhöhle.

Zitiert wurde auch eine Teilnehmerin, die sich den Omas gegen Rechts angeschlossen hatte: „Aus dem Bus raus wurden wir eingekesselt.“ Die Polizei sei „ wirklich rabiat“ vorgegangen – was bei ihr zu einer „ausgewachsenen Panikattacke“ geführt habe. Ein weiterer Teilnehmer ließ sich mit der Aussage zitieren, Polizeibeamte hätten ihn mit Gewalt von seinen minderjährigen Kindern getrennt.

Verlesen wurden die Erlebnisberichte aber nur anonym. Auch sei bisher keiner der Übergriffe angezeigt worden. „Widersetzen“-Sprecherin Schwabedissen begründete dies mit der Angst vieler Demonstrierender vor der Polizei – zu oft hätten Opfer von Polizeigewalt etwa bei Protesten die Erfahrung gemacht, von den Ermittelnden in eine Tä­te­r:in­nen­rol­le gedrängt zu werden, zu oft hätten angezeigte Be­am­t:in­nen mit einer Verleumdungsklage reagiert.

Allerdings: Allein ist die Initiative „Widersetzen“ mit ihren Klagen über unverhältnismäßige Polizeigewalt nicht. „Die Polizei ist auch in die Hauptdemo rein, hat dort Leute geschlagen“, berichtete einer der Sprecher des Bündnisses „Gemeinsam laut“, Christian Baumann, der taz. „Gestört“ habe die Polizei selbst die genehmigte Rave-Demo – sogar der Aufbau einer zugelassenen Bühne habe vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen eingeklagt werden müssen.

„Widersetzen“-Sprecherin Schwabedissen kündigte an, durch Nachfragen bei der Stadt Essen, bei den Landesparlamenten in NRW, Hamburg und Bremen, deren Polizeieinheiten an dem Einsatz beteiligt waren, Aufklärung einfordern zu wollen. Wegen des Einsatzes der Bundespolizei gelte gleiches auch für den Bundestag, betonte Schwabedissen: „Wir lassen uns nicht kriminalisieren.“

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