AfD-Abgeordnete und Brasiliens Rechte: Bolsonaros deutsche Freundin
Die deutsche AfD-Politikerin Beatrix von Storch pflegt enge Kontakte zur brasilianischen Rechten. Und sie unterstützt die Behauptung des Wahlbetrugs.
Ende Oktober hatte der rechtsradikale Amtsinhaber Jair Bolsonaro die Stichwahl gegen den Sozialdemokraten Luiz Inácio „Lula“ da Silva knapp verloren. Bolsonaro hat bisher seine Wahlniederlage nicht ausdrücklich eingeräumt. Seine Partei legte Beschwerde gegen das Ergebnis ein und wollte Teile der Stimmen für ungültig erklären lassen. Doch das oberste Wahlgericht lehnte die Klage ab, da es „keinerlei Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten“ gegeben habe.
Viele Unterstützer*innen Bolsonaros wollen sich nicht mit der Niederlage abfinden und gehen seit der Stichwahl im ganzen Land auf die Straße. Sie blockieren Autobahnen, ziehen vor Militärgebäude. Viele zweifeln ganz offen die Wahlergebnisse an, sprechen von einem „großen Betrug“. Aus dem Ausland bekamen sie Rückendeckung von Steve Bannon, dem international umtriebigen Ex-Chefberater des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump. Mit Beatrix von Storch bekommt die Bewegung nun auch prominente Unterstützung aus Deutschland.
„Es spricht vieles dafür, dass in Teilen von Brasilien bei den Wahlen ‚Berliner Verhältnisse‘ herrschten“, sagte von Storch der taz. Damit spielt sie auf die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus an, die wegen Pannen wiederholt werden muss. Es gibt allerdings keine Anzeichen dafür, dass es in Brasilien ähnlich chaotisch ablief. Das Militär, das eigentlich Bolsonaro nahesteht, führte stichprobenartig eine parallele Auszählung durch und konnte keinen Wahlbetrug feststellen. Selbst zahlreiche Verbündete Bolsonaros haben das Ergebnis mittlerweile anerkannt.
Vorkämpfer der christlich-konservativen „Konterrevolution“
„Es ist demokratiefeindlich, was Frau von Storch macht“, sagt der SPD-Bundestagsabgeordnete Manuel Gava der taz. Gava ist Mitglied der Deutsch-Brasilianischen Parlamentariergruppe und reiste Ende Oktober zur Wahlbeobachtung nach Brasilien. Die Aussagen von Storchs überraschten ihn nicht, sie passten „in die Historie von Trump, Bolsonaro und vielen anderen, die es nicht verstehen, demokratische Ergebnisse zu akzeptieren“. Gava ist sich sicher, dass von Storchs Kurs keine Folge von Unwissenheit sei, sondern „ein ganz bewusst gewähltes politisches Stilmittel, um demokratische Strukturen zu zersetzen“.
Dass sich von Storch so direkt über Prozesse in Brasilien äußert, ist keine Überraschung. Die Politikerin pflegt enge Verbindungen in das größte Land Lateinamerikas, und dort besonders zu rechtsradikalen und erzkonservativen Kreisen. Im Juni 2021 reiste sie nach Brasilien und traf dort unter anderem den amtierenden Präsidenten Jair Bolsonaro. Ebenso gab es ein Treffen mit dessen Sohn, Eduardo Bolsonaro. Der nimmt eine wichtige Rolle in der Regierung ein, pflegt viele Kontakte zu rechten Politiker*innen im Ausland und gilt als inoffizieller Außenminister.
Von Storch hat auch Verbindungen zur Gesellschaft zur Verteidigung von Tradition, Familie und Privateigentum (TFP). Das christlich-aristokratische Netzwerk sieht sich als Vorkämpfer einer konservativen „Konterrevolution“ und will die hierarchischen Strukturen des Mittelalters wiederherstellen. 1960 wurde die TFP in Brasilien gegründet und war eine wichtige Stütze des damaligen rechten Militärregimes. Die Verhinderung einer Agrarreform in Brasilien ist seit jeher eines der Hauptanliegen der Organisation, zudem fordert sie eine Rückkehr zur Monarchie. Mittlerweile gibt es auch in den USA und in Europa zahlreiche TFP-Organisationen.
Beatrix von Storch und ihr Ehemann Sven von Storch sollen seit mindestens 20 Jahren enge Kontakte zu dem Netzwerk haben, schreibt der Soziologe Andreas Kemper in seinem Blog. Einer der zentralen Ideologen der Gesellschaft ist Paul von Oldenburg, der Cousin von Beatrix von Storch. Er leitet das Brüsseler Büro der TFP Europa.
Abtreibungsrechte und „Genderideologie“
Außerdem hatten die von Storchs im Juli 2021 ein Treffen im Instituto Plinio Corrêa de Oliveira in São Paulo. Das Institut wurde nach dem Gründer der TFP benannt und gilt als einer der wichtigsten Standorte des ultrakonservativen Netzwerkes. Dort trafen sie die beiden Vertreter*innen der brasilianischen Königsfamilie Orleans-Braganza, die eine Wiederherstellung monarchistischer Strukturen fordert und enge Verbindungen zu Präsident Bolsonaro pflegt.
Heute kämpft die TFP schwerpunktmäßig gegen Abtreibungsrechte, die Ehe für alle und eine vermeintliche Genderideologie. Über ein Fundraisingsystem soll die TFP zwischen 2009 und 2018 mehr als 103 Millionen Euro im Kampf gegen eine liberale Genderpolitik in Europa investiert haben. Der Antifeminismus ist auch einer der Schwerpunkte von Beatrix von Storch. Sie wird der christlich-konservativen Strömung der AfD zugerechnet.
Auch deshalb gibt es etliche Schnittpunkte mit Brasiliens Präsident Bolsonaro. Während seiner Amtszeit konnten sich christlich-fundamentalistische Kräfte in der Regierung festsetzen, es wurde ein Umbau des Staates nach ultrakonservativen Vorstellungen eingeleitet. Davon zeigte sich auch der AfD-Politiker Waldemar Herdt beeindruckt, wie er der taz im vergangenen Jahr sagte. Der damalige Bundestagsabgeordnete – selbst Mitglied einer Freikirche in Osnabrück – reiste ebenfalls 2021 nach Brasilien. Dort besuchte er Kirchen und traf sich mit prominenten Vertreter*innen der christlichen Rechten.
Auch Sven von Storch, der Ehemann der umtriebigen AfD-Politikerin, hat seit Langem enge Verbindungen zu ultrarechten Kräften in Lateinamerika. Der Geschäftsmann wurde in Chile geboren und 2016 kursierte sein Name als möglicher Bürgermeisterkandidat in seiner Geburtsstadt Osorno. Außerdem soll er im vergangenen Jahr den rechtsextremen Präsidentschaftskandidaten Chiles, José Antonio Kast, unterstützt haben. Dieser verlor im Dezember 2021 die Stichwahl gegen den linken Kandidaten Gabriel Boric.
Bolsonaro-Fans mit Hitlergruß unterwegs
Sven von Storch ist außerdem Herausgeber des Blogs „Die Freie Welt“. Dort werden seit Wochen Artikel über Brasilien veröffentlicht. Besonders viel Platz bekommt die Pro-Bolsonaro-Protestbewegung, für die sogar ein Dossier mit zahlreichen Texten angelegt wurde. Zum Teil werden dort knallharte Lügen verbreitet. So wird etwa in einem Artikel ein „Brasilien-Kenner“ zitiert, der von den vielleicht größten Protesten spricht, „die es auf der Welt je gegeben hat“. In Wirklichkeit finden zwar immer noch Demonstrationen statt, aber die Teilnehmerzahlen haben deutlich abgenommen. Ein Vertreter der Autobahnpolizei erklärte unlängst, Anführer*innen der antidemokratischen Proteste wegen verschiedener Straftaten verhaften zu wollen.
Das scheint Beatrix von Storch nicht weiter zu stören. „Die Brasilianer machen von ihrem demokratischen Recht auf Demonstration Gebrauch“, sagt sie der taz. Die Teilnehmerzahlen der Proteste stellten alles in den Schatten, „was die Klimabewegung je auf die Straße bekommen“ habe. Was von Storch nicht sagt: Auf etlichen Demonstrationen wurde ganz offen eine Militärintervention gefordert. Das ist in Brasilien strafbar.
Besonders ein Video ging in den sozialen Medien viral: Es zeigt Bolsonaro-Fans, die vor einer Kaserne in der südbrasilianischen Stadt São Miguel do Oeste den rechten Arm in die Luft recken und die Nationalhymne singen. „Die Verwendung von nazistischen und faschistischen Symbolen durch eindeutig rechtsgerichtete ‚Demonstranten‘ ist zutiefst schockierend“, schrieb der deutsche Botschafter in Brasilien, Heiko Thoms, auf Twitter. „Diese Geste ist eine Missachtung des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus und der von ihm verursachten Schrecken.“
Auf Nachfrage wollte Beatrix von Storch nicht beantworten, ob sie Kontakte zu den Gruppen hat. In den sozialen Medien folgt sie jedoch rechtsextremen Aktivist*innen, die sich an Protesten beteiligten.
Vernetzt in Brasilien, isoliert in Deutschland
Jedoch denken nicht alle AfD-Politiker*innen wie sie. Eine Quelle sagte der taz, dass ein anderer AfD-Vertreter die Wahlergebnisse im Auswärtigen Ausschuss nicht anzweifelte. Der stellvertretende Landesvorsitzende der AfD Thüringen Torben Braga, selbst in Brasilien geboren, kritisierte vielmehr seine Parteikollegin auf Twitter und nannte die Proteste „eine Schande für das Land“.
Die deutliche Kritik könnte aber auch mit parteiinternen Konflikten zusammenhängen. Der ehemalige Sprecher der deutsch-national-völkischen Deutschen Burschenschaft gilt als politischer Ziehsohn des Faschisten Björn Höcke. Der extrem rechte AfD-Flügel rund um Höcke steht mittlerweile auf Kriegsfuß mit Beatrix von Storch, die dem Lager des zurückgetretenen ehemaligen AfD-Vorsitzenden Jörg Meuthen zugerechnet wird.
Beatrix von Storch ist seit dem letzten Jahr auch Mitglied der Deutsch-Brasilianischen Parlamentariergruppe im Deutschen Bundestag. Die Gruppe soll den politischen Austausch zwischen beiden Ländern stärken und Abgeordnete vernetzen. Laut Informationen der taz stellte von Storch bei einem Treffen mit der Caritas Brasilien am 30. November erneut die Wahlergebnisse in Frage. Die Befürchtung ist, dass sie die Parlamentariergruppe nutzen könnte, um die deutsche Brasilienpolitik nach ihren Vorstellungen zu prägen.
Allerdings gilt von Storch als isoliert in der Gruppe. Im kommenden Mai soll eine Delegation deutscher Politiker*innen nach Brasilien reisen – möglich, dass auch Beatrix von Storch mitfährt.
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