AfD-Abgeordnete Beatrix von Storch: Delegierte trotz Wahlmanipulation

Die Demontage von Storchs blieb auf dem Parteitag der AfD Berlin aus. Dort wurde die Delegiertenwahl wiederholt, bei der von Storch manipulierte.

Beatrix von Storch schaut überrascht im Plenarsaal des Bundestags, während von ein Fraktionskollege ein Foto von ihr knipst

Ist der Ruf erst ruiniert, wird man trotzdem delegiert: von Storch (AfD) darf zum Bundesparteitag Foto: imago/Future Image

BERLIN taz | Bei einer möglichen Wahlwiederholung zum Berliner Abgeordnetenhaus dürfte die AfD einer der Hauptprofiteure sein. Die Partei steht in Umfragen gut da. Doch eine politische Aufarbeitung der mutmaßlichen eigenen Wahlmanipulation bei der Delegiertenwahl 2021 findet in der AfD Berlin weiter nicht statt.

Statt über Ordnungsmaßnahmen oder Schadenersatzforderungen für die darin verstrickte Beatrix von Storch zu sprechen, hat der Berliner AfD-Parteitag vergangenes Wochenende die christlich-fundamentalistische Bundestagsabgeordnete zur Delegierten gewählt. Anträge aus dem Bezirksverband Steglitz-Zehlendorf, die eine zweijährige Ämtersperre und Schadenersatz gegen von Storch gefordert hatten, liefen ins Leere und wurden gar nicht erst behandelt, wie der Tagesspiegel berichtete.

Man wollte die Delegiertenwahl offenbar möglichst geräuschlos über die Bühne bringen. Öffentlichkeitsarbeit, die den Namen verdient hätte, fand nicht statt: Der Parteitag wurde im Geheimen geplant – wohl auch aus Angst vor Protesten, die es schließlich trotzdem gab. Die AfD Berlin veröffentlichte drei Tage vor Beginn eine läppische, vierzeilige Ankündigung in einem Facebook-Beitrag. Den Ort teilte der „Sprecher“ der AfD Berlin, Ronald Gläser, erst spät am Abend davor mit: das Bürgerhaus Zehlendorf. Erstmals seit langem fand ein Parteitag der AfD in Berlin wieder in einem geschlossenen Raum stattfand. Zuletzt war die Partei wegen Gegenmobilisierung in ein Bierzelt oder die brandenburgische Pampa ausgewichen.

Einer Partei, die mit „Berlin, aber normal“ wirbt und als „normale Partei“ wahrgenommen werden will, widerspricht das pressefeindliche und öffentlichkeitsscheue Vorgehen. Die Pres­se­ver­tre­te­r*in­nen vor Ort bekamen nicht einmal das Antragsbuch des Parteitags zu sehen, das selbstredend nicht veröffentlicht wurde. Einen Stream des Parteitags gab es ebenso wenig wie Arbeitsplätze für Journalist*innen, geschweige denn Strom oder WLAN – Letzteres ohnehin Dauerbrenner auf AfD-Parteitagen.

Geheimniskrämerei nach Wahl-Blamage

Ein Grund für die Geheimniskrämerei war wohl auch, dass die AfD Berlin sich mit der vom Bundesschiedsgericht kassierten Delegiertenwahl zum bundesweiten Gespött – auch innerhalb der AfD – gemacht hatte. Berliner Delegierte durften zwar zum Parteitag ins sächsische Riesa reisen, aber nicht mit abstimmen, weil das Bundesschiedsgericht ein Urteil des Berliner Landesschiedsgericht bestätigte, das von einem „irreparablen, schweren Wahlfehler“ sprach. Im Zuge dessen war ein kompletter Parteitag für die Tonne, der mehrere zehntausend Euro gekostet hatte. Interne Geg­ne­r*in­nen hatten im Vorfeld des Parteitags gehofft, dass von Storch nach der Manipulation der geschlossenen Bewerberliste der letzten Delegiertenwahl diesmal keine Stimmen bekommen würde.

Doch von Storchs Ge­gen­spie­le­r*in­nen wurden enttäuscht: Die Bundestagsabgeordnete wurde mit 121 Stimmen von etwa 200 anwesenden Mitgliedern gewählt. Es war eines der besten Ergebnisse. Auf mehr Stimmen kamen laut Tagesspiegel nur Fraktionschefin Kristin Brinker (163), der Bundestagsabgeordnete Gottfried Curio (158) sowie Jeanette Auricht (126), die dem offiziell aufgelösten rechtsextremen Flügel nahesteht. Die Berliner Völkischen hatten noch vergangene Woche Björn Höcke zu einem Vortragsabend am Stadtrand geladen. Außerdem gewählt wurden Gunnar Lindemann mit 117 Stimmen, Ronald Gläser mit 115, Antonín Brousek und Thorsten Weiß mit jeweils 107 Stimmen sowie Martin Trefzer mit 103, Harald Laatsch mit 89 und Marc Vallendar mit 85 Stimmen.

Nicht dabei ist bemerkenswerterweise Abgeordnetenhausmitglied Frank-Christian Hansel, der zuletzt sogar mit großen Ambitionen und einer „West-Offensive“ für den Bundesvorstand angetreten war und dabei krachend scheiterte. Er war unter anderen beteiligt an der versuchten Palastrevolution der Selbst­ver­harm­lo­se­r*in­nen gegen den Bundesvorsitzenden Tino Chrupalla, die bekanntlich nicht weniger krachend scheiterte. Nur Ersatzdelegierter wurde der Europaabgeordnete und ehemaliger Springer-Journalist Nicolaus Fest, der vor Kurzem noch deutlich bei der Wahl für den Bundesvorsitz unterlag.

Als eine Widersacherin der ehemaligen Flügel-Leute gilt auch Beatrix von Storch. Dass sie wiederum nach einem Burgfrieden innerhalb Berlins auf ein derart solides Ergebnis gekommen ist, zeigt, dass von Storch immer noch gut zu netzwerken vermag. Sie selbst war nicht für den Bundesvorstand angetreten, nachdem die Chrupalla-Höcke-Liste weitgehend durchgewählt wurde, und vermied so eine Niederlage.

Strippen ziehen und hetzen

Die gescheiterte Palastrevolution gegen Chrupalla wird ihr offenbar von den Berliner AfD-Mitgliedern nicht angelastet. Offenbar weiß man ihre organisatorischen Qualitäten als Strippenzieherin der Reste des vermeintlich bürgerlichen Lagers zu schätzen – obwohl es sich dabei inhaltlich ohnehin nur noch um Nuancen zu handeln scheint, wenn man sich etwa mit von Storchs Einlassungen befasst. Denn ebenso wie die vermeintlich extremeren Ver­tre­te­r*in­nen ihrer Partei hetzt sie auf allen Kanälen gegen die offene demokratische Gesellschaft und Minderheiten.

Zugleich gab es beim Parteitag auch Sticheleien gegen eine offenbar abgestimmte Vorschlagsliste, die wohl weitgehend durchgewählt wurde. Volker Graffstädt aus Steglitz-Zehlendorf, der von Storch vorher mit besagten Anträgen angegriffen hatte, nannte das „betreutes Wählen“ und „Oligarchisierung“. Brinker wies die Vorwürfe zurück und nannte die Delegation „ausgeglichen“.

Inhaltlich schlug die AfD Berlin auf dem Parteitag in dieselbe Kerbe wie die Bundespartei. Sie beschloss auf dem Parteitag einen Leitantrag unter dem Titel „Berlin. Aber bezahlbar“, bei der der Landesverband Abstiegsängste beschwor – ohne dabei sozial nachhaltige Lösungen anzubieten. Eingebracht hatte den Antrag die Landesvorsitzende Brinker. Die AfD fordert darin Reaktivierung der Atomkraft und wie immer recht Putin-freundlich ein Ende der Sanktionen. Im Gegensatz zur Bundespartei will sie aber auch Preise auf Gas, Strom und Wärme deckeln.

Dem Bundestrend ist es zu verdanken, dass die AfD derzeit in Umfragen gut dasteht – sie liegt aktuell bei 10 bis 13 Prozent gegenüber den 8 bei der Abgeordnetenhauswahl.

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