Ärztin vor Gericht: Falsche Atteste für Maskenbefreiung?
Die Göttinger Staatsanwaltschaft klagt eine Ärztin aus der Coronaleugner-Szene an. Sie soll Maskenbefreiungen bescheinigt haben.
Die Staatsanwaltschaft in Göttingen wirft der Medizinerin zum einen vor, sie habe zwischen April 2020 und März 2021 insgesamt 16 jeweils gleichlautende Bescheinigungen zur Vorlage bei Gesundheitsämtern und anderen Behörden ausgestellt. Diese Atteste sollten die betreffenden Personen vom Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung befreien.
Dabei soll J. gewusst haben, dass sämtliche Personen gar keine gesundheitlichen Einschränkungen hatten, die eine entsprechende Befreiung vom Maskentragen rechtfertigen könnten. In einigen der 16 Fälle habe die Ärztin die Bescheinigungen sogar ohne vorherige Untersuchung ausgestellt. Die Empfänger der ärztlichen Bescheinigungen stammen laut Staatsanwaltschaft außer aus Niedersachsen aus Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Thüringen und Brandenburg.
Eine zweite Angeklagte legt der Frau zur Last, zwei Impfunfähigkeitsbescheinigungen für Kinder zur Vorlage bei Behörden, Kindertagesstätten und Arbeitgebern ausgestellt zu haben. In diesen beiden Bescheinigungen habe J. ausgeführt, dass die ein und fünf Jahre alten Kinder strikt von allen von der Ständigen Impfkommission empfohlenen oder geforderten Schutzimpfungen dauerhaft freizustellen seien. Die Kinder dürften ohne Gefahr für ihr Leben oder ihre Gesundheit nicht geimpft werden.
Hausverbot im Supermarkt
Das wissentliche Ausstellen falscher Gesundheitszeugnisse zur Vorlage bei offiziellen Stellen ist strafbar. Ärzten oder anderen approbierten Heilkundlern, denen ein solches Vergehen nachgewiesen wird, droht eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe. Verhandelt wird der Fall Carola J. vor dem Amtsgericht Duderstadt. Ein Termin für den Prozess steht aber noch nicht fest.
Bereits im Januar dieses Jahres hatten die Ermittler auf Anordnung des Amtsgerichts Göttingen die Praxisräume der Ärztin durchsucht und Unterlagen beschlagnahmt. Zuvor waren der Polizei bei einer Demonstration gegen die Coronaschutzmaßnahmen die sich stark ähnelnden, von J. ausgestellten Atteste für Kundgebungsteilnehmer aufgefallen. Gegen die Durchsuchung legte die Medizinerin beim Landgericht Göttingen Beschwerde ein, diese wurde jedoch abgewiesen.
An der Demo in Hannover am 21. Februar hatte J. selbst teilgenommen und dort auch geredet. In einem Video war zu sehen, wie sie fälschlicherweise behauptete, in einem Seniorenheim nahe Duderstadt seien neun Menschen nach einer Corona-Impfung gestorben.
Auf der Großdemo der „Querdenker“-Szene in Kassel Ende März war J. ebenfalls zugegen. Dabei stellte sie die Existenz des Coronavirus in Frage und machte gegen die Maßnahmen im Kampf gegen die Coronapandemie mobil.
Zudem organisierte die Ärztin auch in Duderstadt mehrmals Demonstrationen und „Spaziergänge“ gegen die Coronamaßnahmen. Mitte Mai sorgte sie in der Kleinstadt für einen größeren Polizeieinsatz. Sie hatte zuvor angekündigt, ohne Maske in einem Supermarkt einkaufen zu gehen, obwohl sie dort Hausverbot hatte. Ein gutes Dutzend Beamte der Bereitschaftspolizei verwehrten der Ärztin und einer sie begleitenden Gruppe aus der Coronaleugner-Szene den Zugang zum Geschäft.
Berufsrechtliches Verfahren
Während der Razzia in ihrer Praxis mobilisierte J. über diverse Telegram-Kanäle Unterstützer: „Die stehen bei mir vor der Tür und wollen jetzt in die Praxis rein.“ Rund 50 Menschen versammelten sich in der Folge vor dem Gebäude zu einer spontanen Kundgebung. Die Ärztin sprach zu ihren Anhängern und nannte die Ermittlungen gegen sie eine „Hexenjagd“. Ohnehin ist sie in zahlreichen „Querdenker“-Foren unterwegs.
Neben dem strafrechtlichen ist auch ein berufsrechtliches Verfahren gegen J. anhängig. Einzelheiten dazu wollte die Sprecherin der Ärztekammer Niedersachsen, Stephanie Aue, auf taz-Anfrage mit Verweis auf das laufende Verfahren aber nicht nennen. Die Kassenärztliche Vereinigung (KVN) Niedersachsen hingegen sieht keine Handhabe, um gegen die Medizinerin vorzugehen. Sie sei keine Kassenärztin und ausschließlich privatärztlich tätig.
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