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Abschaffung der GasumlageKopflos und hektisch

Anja Krüger
Kommentar von Anja Krüger

Die Ampel gibt ein erbärmliches Bild ab und trägt zur Verunsicherung der Menschen bei. Dabei ist die Schuldenbremse ohnehin nicht mehr zu halten.

Verantwortlich: Wirtschaftsminister Habeck. Auch Finanzminister Lindner agierte unglücklich Foto: Imago

U nzählige Bür­ge­r:in­nen fürchten sich vor dem Winter, weil sie nicht wissen, wie sie die hohen Energieabschläge stemmen sollen. Doch der Blick auf die Bundesregierung wirkt nicht gerade beruhigend. Die Energiepolitik der Ampel wirkt kopflos und hektisch. Erst führt sie hastig die Gasumlage ein, die die Lage für die Kun­d:in­nen weiter verschärft hätte. Dann will sie die Abgabe auf den letzten Metern vor der Einführung wieder kassieren.

Dass die Umlage wegfallen wird, ist gut. So treibt der Staat wenigstens nicht von seiner Seite die Preise nach oben. Aber dass er 34 Milliarden Euro zur Rettung der Energiekonzerne allein auf die stark belasteten Ver­brau­che­r:in­nen abwälzen wollte, bleibt ein starkes Stück. Es zeigt die falschen Prioritäten bei der Energiepolitik. Der Regierung scheint der Kompass zu fehlen.

Verantwortlich dafür ist zuallererst Robert Habeck als zuständiger Wirtschaftsminister, der die Umlage viel zu lange verteidigt hat. Aber das seltsame Gebaren von Finanzminister Christian Lindner darf nicht aus dem Blick geraten. Der FDP-Vorsitzende sperrt sich bislang gegen alles, was die von ihm für unantastbar erklärte Schulden­bremse in Frage stellt. Das ist angesichts der vielen gleichzeitigen Krisen wie Krieg, Corona und Klima grundfalsch. Der Staat braucht allein für die Sicherung der Energieversorgung gigantische Summen.

Immerhin hat die Bundesregierung mittlerweile eingesehen, dass sie Bür­ge­r:in­nen und Unternehmen nicht weiter belasten darf, sondern eine Entlastung angesagt ist. Noch ringen die Ampelparteien um eine Lösung, aber sie sind sich einig, dass die Preise schnell sinken müssen.

Ein Deckel nicht nur für Strom-, sondern auch für Gaskosten ist dringend erforderlich. Aber hier sind die Details entscheidend. Die Preisbremse muss gerecht und ausreichend gestaltet sein. Das kostet viel Geld. Es aus dem Bundeshaushalt zu nehmen und die Schuldenbremse zu lockern wäre richtig. Davon unabhängig sollte aber nicht die auf EU-Ebene angedachte Gewinnabschöpfung für Krisengewinnler vergessen werden.

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Anja Krüger
Wirtschaftsredakteurin
Buchveröffentlichungen: „Die verlogene Politik. Macht um jeden Preis“ (Knaur Taschenbuch Verlag, 2010), „Die Angstmacher. Wie uns die Versicherungswirtschaft abzockt“ (Lübbe Ehrenwirth, 2012).
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27 Kommentare

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  • Und wer bezahlt dann den "Deckel".



    1) Einfach Schulden machen - also unsere Kinder.



    2) Sparen - also weniger Sozialstaat, schlechteres Gesundheitssystem, noch schlechtere Altenpflege.



    3) "Von oben nach unten verteilen" - träum weiter.

    Den Deckel bezahlen WIR durch höhere Steuern, höhere Preise, weniger Leistungsbezug der unteren Sozialschichten.



    Der "Deckel" ist Mist, auch wenn er gut klingt.

  • Warum soll die Generation meiner Kinder dafür bezahlen, dass meine Generation kommenden Winter einen Pullover oder eine Wollunterhose weniger benötigt?

    • @meerwind7:

      Berechtigte Frage.



      Staatsschulden in diesem Umfang (inkl. unbezahlbare Beamtenpensionen, "Sondervermögen, etc.) rauben unseren Kindern die Zukunft.

    • @meerwind7:

      1. Meine Kinder sind nicht nur theoretisch, sondern schon praktisch auf der Welt und müssen dann auch diesen Winter frieren.



      2. Staatsverschuldung bei Banken ist nur eine theoretische Verschuldung von theoretischem Geld, was gar nicht auf dem Papier existiert.

      • @Alfonso Albertus:

        ...Was nur auf dem Papier existiert, pardon...

    • @meerwind7:

      Zum Beispiel weil Ihre Kinder jetzt auch einen Pullover oder eine Wollunterhose weniger tragen dürfen?

      Weil man als Kind sowieso schon immer von der vorangegangenen Generation profitiert?

      Denken Sie nur mal daran, was Sie als Eltern für Ihre Kinder so an Geld ausgeben müssen, bis die erwachsen sind und auf eigenen Füßen stehen ...

  • Die Gasumlage sollte übrigens auch bei Verträgen mit dem Bezug von Biogas und wohl auch bei "Windgas" gelten. Erneuerbare Energien sollten fossile Energien subventionieren.

    Beim Strom ist es ähnlich geplant.

  • 100 Milliarden für die Bundeswehr und den Frieden? 30 Milliarden für die Gaspreisbremse und den Erhalt des inneren Friedens? Sonderfond Corona; ja! Sonderfond Klima; ja! Wer soll das bezahlen? Die arbeitenden SteuerzahlerInnen, die nächste Generationen?



    Ich schlage vor einen " Friedens- und Klimasoli"



    Jede.r zahlt 1% des perönlichen Bruttovermögens, Freibetrag 100T€. Das sollte uns der noch vorhandene soziale Friede im Land wert sein. Da die Vermögensrendite in D über 5% liegt, sollte das machbar sein, in dieser Ausnahmesituation. Ich wäre als Zahler dabei. Ggf. kann ja die KfW Bank einen SoliKredit erteilen, für die, die gerade nicht flüssig sind.



    Fazit: Eine Teilprivatisierung der Staatsschulden in prekärer Lage.

    Die Politik zu bashen bringt wenig. Eine zeitlich begrenzte Vermögenszuwachsbremse wäre aber ein großer Wurf und eine einzigartige Solidarleistung zum Erhalt des sozialen Gleichgewichts. Im Saldo hätte ja kaum jemand weniger, nur weniger mehr!!

  • Ich gebe Ihnen recht, dass Olaf Scholz hier eine erbärmliche Führungsfigur abgibt. Aber...

    "Habeck (stimmt nicht, der hält nur den Kopf hin)"

    Finden Sie nicht, dass Sie Habeck hier etwas zu einfach davon kommen lassen? Mir scheint, ihre Verachtung für die FDP und Herrn Lindner trübt ihren Blick.

    Habecks Ministerium war bei der Gasumlage federführend. Das Kabinett, inklusive Lindner, hat die Idee einst abgesegnet. Jetzt zeigt sich, dass es wohl ein Schuss in den Ofen war und keiner will es gewesen sein. Auch wenn alle gemeinsam abgedrückt haben, in den Ofen gezielt hat das Wirtschaftsministerium. Das sollte man nicht ausblenden.

    Ähnlich offensichtlich wie Lindners versuchte Selbstinszenierung als Ritter der Vernunft, ist das Bemühen der Grünen, möglichst viel Verantwortung auf die FDP zu schieben. Und während alldem verharrt die SPD in ihrer passiven Rolle als Mehrheitsbeschafferin für Grün-Gelb. Hut ab!

    Ich finde es grundsätzlich ziemlich bizarr bis verstörend, wie sich derzeit alle drei Regierungsparteien gerieren, als wären Sie in der Opposition und wiesen auf einen offensichtlichen Fehler der Regierung hin.

    • @Fairchild670:

      Das war als Antwort zu @BENEDIKT BRÄUTIGAM geplant.

    • @Fairchild670:

      Wir sind doch ziemlich ähnlich in unserer Einschätzung. Jenseits aller Verachtung für Leute wie Lindner und Scholz, sind mir grundsätzlich Politiker lieber, die etwas wagen, auch wenn es mal daneben geht. Man kann natürlich über Habecks Fehler diskutieren, die wirklichen Probleme sind aber andere. Und ein Teil der Probleme ist auch, dass die veröffentlichte Meinung in Deutschland ständig Fragen personalisiert. Dabei ist es letztendlich wurscht, ob gesittet, wie hier, oder mit Schaum vorm Mund, wie bei der Bild. Habeck ist einfach nicht das Problem, sogar der Illusionen propagierende Lindner nicht und noch nicht mal der schweigende Scholz sind das eigentliche Problem. Das Problem ist, dass Mut bestraft wird, dass Ehrlichkeit für taktisch unklug gehalten wird, das Faulheit, Zynismus, Desinteresse und Lügen belohnt werden.

      • @Benedikt Bräutigam:

        Habeck hatte ja gerade nichts "gewagt", nämlich eine suabere Insolvenz von Uniper, sondern sich scheinbar risikovemeidend verhalten.

      • @Benedikt Bräutigam:

        "Und ein Teil der Probleme ist auch, dass die veröffentlichte Meinung in Deutschland ständig Fragen personalisiert."

        Da bin ich komplett bei Ihnen. Die ständige Zuspitzung zum Kampf Habeck vs Lindner nervt und lenkt ab.

        "Das Problem ist, dass Mut bestraft wird, dass Ehrlichkeit für taktisch unklug gehalten wird, das Faulheit, Zynismus, Desinteresse und Lügen belohnt werden."

        Auch das sehe ich ähnlich. Die Konstruktion der Bundesrepublik begünstigt Stillstand, und auch die Bevölkerung ist rekordverdächtig träge. Allerdings: Mut alleine reicht mir nicht. Die Ergebnisse müssen schon einigermaßen stimmen.

        Wahrscheinlich ist meine Toleranzgrenze für akzeptable Kollateralschäden etwas kleiner als Ihre, aber die geplante Gasumlage kam mir von Anfang an suspekt vor.

  • Ein Finanzminister sollte den Zahlenraum bis Tausend beherrschen, wegen der Nullen.



    Ein Wirtschaftsminister die Öffnungszeiten seiner Wirtschaft, wegen der Nachtruhe. Im Ministerium brennt es schon.



    Wenn´s nicht so traurig wäre, man könnte lachen.



    Aber so ist Kapitalismus und seine Anhänger, widersprüchlich.



    Lindner will sparen, die "Schuldenbremse" einhalten.



    Gleichzeitig flackern aus allen Ecken die zu erwartenden Kosten dieses Krieges auf. Eine Hiobsbotschaft jagt die Nächste.



    Dreimal darf jeder raten, wo und bei wem gespart wird. Kleiner Tipp, nicht bei den Wohlhabenden.



    Und wenn´s so weiter geht, sorgt die "liberale" Mitte für den nächsten Schwung für die Rechten, Italien grüsst rüber.



    Die können einfach noch besser lügen.

  • Ist schon lustig: der Name Scholz fällt in diesem Beitrag kein einziges Mal. Schuld sollen Lindner (stimmt) und Habeck (stimmt nicht, der hält nur den Kopf hin) haben. Ziemlich merkwürdig, den mit der Richtlinienkompetenz gleich gar nicht zu erwähnen, ziemlich ärgerlich, weil der aus Kalkül so "regiert" und man ihm das eigentlich nicht durchgehen lassen sollte. Ich erwarte von einer Regierung, dass sie etwas versucht (Habeck) und nicht, dass sie in Deckung bleibt (Scholz) oder auf ihrem Fetisch- Häufchen kräht (Lindner).

    • @Benedikt Bräutigam:

      Ja, schon richtig, Scholz hat als Kanzler die Richtlinienkompetenz im Regierungskabinett … und eigentlich erwarte ich von ihm - vielmehr von der SPD -, sich entsprechend der ihm von den Wähler*innen verliehenen “Gewichtung” in der Ampelkoalition sozial- und wirtschaftspolitisch durchzusetzen. (Ja, ich geb’s zu: nicht zuletzt deshalb hatte ich die SPD gewählt😩.)



      Andererseits: wir haben wohl alle noch in den Ohren, mit welch hohem Anspruch - auch im Hinblick auf Politikgestaltung und Kommunikation - die Ampel antreten wollte … da war die Schrödersche Basta-Politik nicht gefragt und passte wohl auch nicht ins Konzept. Und jetzt kritisiert man Scholz, dass er genau das nicht macht?



      In der Euphorie über das Zustandekommen dieses politisch ungleichen Dreier-Bündnisses hat man einfach ausgeblendet, wie viel Neoliberalismus da drin ist … und mit dem Hickhack um Gasumlage und Schuldenbremse in der Energiekrise kommt jetzt das böse Erwachen.



      Dabei halte ich es schon für wichtig, dem amtierenden Wirtschaftsminister Habeck (und nicht bloss dem ausgemachten “bad guy” Lindner) mit seiner Fahrigkeit und Inkompetenz in wirtschaftspolitischen Fragen zu konfrontieren … denn diese Schwächen sind offensichtlich, auch wenn der Kanzler hier nicht auf den (Kabinetts)Tisch haut.



      Gerade der SPD müsste daran gelegen sein, dass sich die ungleiche Rollenverteilung der damaligen rot-grünen Bundesregierung unter Schröder so nicht wiederholt … es sollte den Grünen und auch der FDP nicht durchgelassen werden, sich einfach vom Acker zu machen, falls die Ampel scheitern sollte.

  • Mein Gott, Lindnder und Scholz lassen Habeck sehenden Auges in die Falle laufen. Warum? Weil sie neidisch sind auf Lichtgestalt mit glänzenden Umfragewerten.



    Das Land? Welches Land?

    • @Lapa:

      Habeck hat aber zu verantworten, dass er auf die Hilferufe seiner Parteifreundin Andreae aus dem Energieverband gehört hatte.

      Lindner hatte vermutlich geäßert: Mach mal, wenn Du eine eigene Finanzierung aufstellst" und die Dimension unterschätzt.

    • @Lapa:

      So funktioniert das Haifischbecken.

  • Ich verstehe die Diskussion nicht. Die Gasumlage macht 2,5 Cent aus. Mein Gaspreis ist aber von 4 auf 24 Cent gestiegen. Da kümmert mich die Gasumlage wenig. Was soll das also? Die Preise sind auch ohne Gasumlage explodiert.



    Dazu kommt das wir sowieso weniger Energie verbrauchen müssen. Wenn der Endkunde nicht merkt dass es teurer wird spart er auch nicht. Es ist daher wichtig und richtig die gestiegenen Preise durch zu reichen.

    Allerdings wäre ich auch dafür die Schärfe etwas raus zu nehmen, indem man ein gewisses Budget zum alten Preis bekommt und alles was darüber geht wird dann voll berechnet.

    • @noname0815:

      Bei 4 Cent pro kwH warst Du wohl bei einem dieser todgeweihten Billiganbieter! Ich habe einen Altvertrag in der Grundversorgung und bin immer dabei geblieben. Meine Steigerung daher "nur" von 9 auf 14 Cent/kwH. Man darf halt nicht immer den billigsten Angeboten hinterher rennen.

  • Für mich sind die 3 regierenden Parteien unten durch. An Inkompetenz nicht mehr zu überbieten. Die rechten Parteien reiben sich schon jetzt die Hände. Der nächste Rechtsruck in Europa ist vorprogrammiert.

  • Was die Gasumlage angeht, ist Habeck einfach der bessere Lindner...🤮🤢🤮

  • Man mag ja von Scholz halten was man will, aber als Finanzminister hat er die Schuldenbremse ausgesetzt, Stichwort Bazooka.



    Lindner versucht Ausgaben zu kürzen. How to bastel ä Wirtschaftskrise, sozusagen.....

  • Es wirkt wirklich alles sehr unausgereift, eher als wenn verschiedene Minster eine Chance sehen, sich zu profilieren. Warum nicht einfach Anhand des letzten Steuer- Einkommenssteuerbescheids pauschal allen unter 50.000 Euro Jahresgehalt - Einmalig 1.000,-- Euro Ausgleich zahlen - die darüber liegen einen Steuerfreibetrag einräumen.

  • Die Verantwortung für die Gasumlage trägt Habeck. Die Grünen haben schon immer Probleme mit der Sozialpolitk gehabt. Ferner kam es ihnen geradezu als Geschenk vor, dass die fossile Energie so teuer ist/war und somit die geliebte Photovoltaik zum Selbstläufer wurde. Dass auch die Strompreise durch die Decke gehen/gingen, war so vermutlich nicht gedacht.



    Habeck macht einen sehr schlechten Job. Überhaupt sind die grünen Ministerinnen und Minister sehr blaß, ohne Wirkung, ohne Perspektive, ohne Durchsetzungsfähigkeit. Als Wähler der Grünen, wäre ich enttäuscht.

  • Ein Deckel für Strom-, Gas- und Heizölkosten ist dringend angeraten. Es wird so getan, als wenn die Heizölkosten nicht ebenso drastisch gestiegen sind.



    Ansonsten teile ich die Beurteilung unseres Wirtschaftsministers mit Stefan Aust, dass Habeck "total inkompetent" sei. Genau wie sein Staatssekretär, der ehemalige Lobbyist, Patrick Graichen.

    www.youtube.com/watch?v=U0LGVspZsJk