About Blank in Berlin: Hotel bedroht Technoclub
Gegen den Willen des Bezirks genehmigt der Berliner Senat einen Hotelneubau direkt neben dem Club About Blank. Der sieht sich in seiner Existenz bedroht.
Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg hatte das Vorhaben wegen Nutzungskonflikten mit dem unmittelbar benachbarten About Blank abgelehnt. Anders die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, die den Hotelneubau in einem Widerspruchsverfahren jetzt ihren Segen gab.
Das komme „so überraschend wie unnachvollziehbar“, sagt der Sprecher des About Blank, Sulu Martini, der taz. Eine Hotelnutzung neben einem Techno-Clubbetrieb sei nicht konfliktfrei möglich. „Es ist für uns daher unerklärlich, warum die SPD-geführte Senatsverwaltung hier gegen ein seit über 15 Jahren bestehendes Club- und Kulturzentrum entscheidet und die Profitinteressen des Trockland-Konzerns gegen den bezirklichen Willen durchsetzt.“
Friedrichshain-Kreuzbergs Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) spricht von einem „fahrlässigen Übergehen der Bedenken des Bezirks“. Der sieht in der Genehmigung „eine negative Vorbildwirkung“. Denn der Senat hat auch weitere Beherbergungsbetriebe in der näheren Umgebung grundsätzlich für zulässig erklärt, indem er den Bereich rund um das About Blank zum Gewerbegebiet erklärt hat. „Das konterkariert die Bemühungen des Bezirks, hier eine städtebaulich nachhaltige Steuerung zu etablieren“, sagt Schmidt zur taz.
Ein fragwürdiges Gutachten
Der Senat ist hingegen der Meinung, der Hotelneubau füge sich „spannungsfrei“ in das Umfeld ein, so eine Sprecherin der Stadtentwicklungsverwaltung zur taz. Konflikte um Lärm, insbesondere durch den Außenbereich des Clubs, könnten durch Schallschutzmaßnahmen verhindert werden. Oder wie die Senatsverwaltung es ausdrückt: Mit einer lärmrobusten Planung werde der „Geräuschbelastung konstruktiv begegnet“. Die schutzwürdigen Belange Dritter, eben des Clubs, würden nicht beeinträchtigt.
Welche Schallschutzmaßnahmen das genau sind, die Nutzungskonflikte verhindern sollen, ist nicht bekannt. Die Senatsverwaltung beruft sich auf eine schalltechnische Untersuchung aus dem vergangenen Jahr – die allerdings vom Investor selbst in Auftrag gegeben wurde. Und auch nur ein theoretisches Berechnungsmodell darstellt und nicht mit den tatsächlichen Emissionswerten des Clubs arbeitet. Demnach bestehen mit entsprechenden Maßnahmen „überhaupt keine Bedenken gegen eine Beherbergung“ neben dem Techno-Club, behauptet Trockland.
Um das seriös einschätzen zu können, reiche ein einzelnes Gutachten des Investors allerdings nicht aus, bemängelt das About Blank. Vielmehr brauche es „Gutachten und Expert*innen, die das unter Einbeziehung aller Parteien und Bedenken prüfen und absichern“, so der Sprecher. Und davon gibt es einige: „Selbst wenn sich durch dicke Beton- und Glasscheiben die Innenräume schallisolieren lassen würden – sollen die Hotelgäste zum Beispiel keine Fenster öffnen können? Und wer prüft, ob die notwendigen Schallschutzmaßnahmen wirklich umgesetzt worden sind?“
Das About Blank sei als ortsansässiger Bestandsbetrieb von der Senatsverwaltung jedoch nicht einbezogen worden, es habe auch keinerlei Sach- oder Rückfragen gegeben. Stattdessen sei die Entscheidung zugunsten des Hotels bereits gefallen. Der Club befürchtet, „dass es hier – wie in anderen Fällen auch – intransparente Einflussnahmen auf die Entscheidungsträger*innen gegeben hat“.
Am Bedarf vorbei
Tatsächlich ist es nicht das erste Mal, dass der Senat den grün regierten Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg kurzerhand entmachtet, wenn der sich gegen umstrittene Bauvorhaben von Investoren stellt. Erst im April hatte Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD) im Streit um ein Hochhausprojekt an der Warschauer Straße dem Bezirk die Planungshoheit entzogen. Ebenso im vergangenen Jahr bei einem Teil eines Bauvorhabens am Gleisdreieck.
Dabei gehen die Planungen dieser Investor*innen am Bedarf der örtlichen Bevölkerung vorbei. So auch im Laskerkiez. „Das Angebot an Hotels in Friedrichshain-Kreuzberg betrachtet das Bezirksamt als ausreichend“, sagt Stadtrat Schmidt. Tatsächlich lag die Auslastung der insgesamt 722 Beherbergungsbetriebe in Berlin im vergangenen Jahr nur bei knapp über 50 Prozent. Trotzdem werden aktuell mehr als 80 neue Hotels und Hostels geplant, von denen der Großteil bereits genehmigt wurde. Das sind mehr als doppelt so viele wie im vergangenen Jahr.
Eine berlinweite Steuerung von neuen Hotelstandorten, die sich am Bedarf ausrichtet und Übertourismus verhindern soll, wie sie der rot-grün-rote Vorgängersenat vorgesehen hatte, gibt es bis heute nicht.
„Hotels gegen die lokale Bevölkerung zu bauen, ist kein guter Plan“, sagt Grünen-Politiker Schmidt. Mehr Hotels bedeuteten mehr Belastungen für die Nachbarschaften, insbesondere durch Lärm und Müll. Schmidt kündigt an, „alle rechtlichen und dialogischen Mittel zu ergreifen, um zusätzliche Hotels zu vermeiden“. Im Fall des About Blank will das Bezirksamt, das auch Vermieter des Clubs ist, alles in seiner Macht Stehende tun, um eine Gefährdung der Clubnutzung zu verhindern.
Das About Blank fordert den Senat auf, die Genehmigung zurückzuziehen und die Entscheidungsbefugnis an den Bezirk zurückzugeben. Der linke Club, der bereits wegen steigenden Kosten und der A100-Verlängerung gefährdet ist, lehnt die Hotelpläne auch jenseits der eigenen Bedrohungslage wegen seiner „Verdrängungs- und Verteuerungseffekte“ ab. „Auch deshalb ist diesem Projekt entschiedener Widerstand und ein krachendes Scheitern zu wünschen“, sagt Sulu Martini.
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