+++ Nachrichten zum Ukrainekrieg +++: Selenski beklagt „Genozid“
US-Außenminister Blinken zeigt sich entsetzt über Gräueltaten in Butscha. Nahe Odessa hat das russische Militär wohl eine Ölraffinerie beschossen.
Selenski bezeichnet russische Attacken als Genozid
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hat mit Blick auf die russischen Angriffe auf sein Land von einem Genozid gesprochen. In einem Interview mit dem US-Fernsehsender CBS erklärte er am Sonntag, die Angriffe kämen einem Völkermord gleich.
Es gebe in der Ukraine mehr als 100 Nationalitäten, „es geht hier um die Zerstörung und Ausrottung all dieser Nationalitäten. Wir sind Bürger der Ukraine und wollen uns nicht der Politik der Russischen Föderation unterwerfen“, erklärte er. In einem Ausschnitt des Interviews der Sendung „Face the Nation“, der vor der Ausstrahlung veröffentlicht wurde, sagt Selenskyj: „Das ist der Grund, warum wir zerstört und ausgerottet werden. Und dies passiert im Europa des 21. Jahrhunderts. Das ist also die Folter der ganzen Nation.“ (ap)
Russen melden Explosion in Dorf nahe Belgorod
Nach einem Angriff auf ein Öllager nahe der russischen Stadt Belgorod vor wenigen Tagen soll es in dem Gebiet an der ukrainischen Grenze erneut zu einer Explosion gekommen sein. „Es gab einen Knall, Trümmer fielen auf den Boden“, schrieb der Verwaltungschef des Stadtbezirks Jakowlewski, Oleg Medwedew, am Sonntag im Nachrichtenkanal Telegram. Es habe keine Verletzten gegeben.
Der Verwaltungschef machte keine Angaben zu den Hintergründen des Vorfalls in dem Dorf Tomarowk. Die Trümmerteile würden untersucht und abtransportiert. Diese Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen. Am Freitag sollen nach russischer Darstellung zwei ukrainische Kampfhubschrauber in den russischen Luftraum eingedrungen sein und dann Luftschläge gegen das Öllager verübt haben. Die Ukraine gab eine Beteiligung nicht zu. (dpa)
Lambrecht bringt Gasstopp ins Gespräch
Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) hat angesichts der Berichte über zahlreiche Leichen im ukrainischen Ort Butscha einen Stopp russischer Gaslieferungen ins Gespräch gebracht. „Es muss eine Reaktion geben. Solche Verbrechen dürfen nicht unbeantwortet bleiben“, sagte sie laut Vorabmeldung in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“, die am Sonntagabend ausgestrahlt werden sollte. Im Kreise der EU-Minister müsse ein Stopp der Gaslieferungen „miteinander besprochen werden“, sagte sie auf eine entsprechende Frage.
„Das war unsere Stärke, dass nicht einzelne Länder vorgeprescht sind, sondern dass man miteinander abgestimmt hat, was ist durchhaltbar“, sagte Lambrecht weiter. „Genauso muss es jetzt auch in den nächsten Stunden erfolgen.“ Deutschland hatte sich bislang gegen ein Embargo ausgesprochen und generell auf die fatalen wirtschaftlichen Folgen eines Stopps russischer Energielieferungen verwiesen.
Die russische Armee hatte sich zuletzt in der Region um die Hauptstadt Kiew zurückgezogen. In Butscha wurden danach laut Angaben der ukrainischen Behörden fast 300 Leichen gefunden. Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichteten, dass zahlreiche Tote zivile Kleidung getragen hätten. Sie sahen auf einer einzigen Straße in Butscha mindestens 20 Leichen liegen. Mindestens einem der Toten waren die Hände gefesselt. (afp)
Europapolitiker Weber fordert drastische Verschärfung der Sanktionen
Der Vorsitzende der Christdemokraten im Europäischen Parlament, Manfred Weber (CSU), forderte angesichts der jüngsten Entwicklungen eine drastische Verschärfung der Sanktionen gegen Russland. „Es ist höchste Zeit, Kohle- und Öl-Lieferungen aus Russland zu beenden und die Waffenlieferungen für die Ukraine zu verstärken“, sagte Weber den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
„Wir dürfen die Augen vor diesem unfassbaren Schrecken nicht verschließen“, fuhr Weber fort. „Der Krieg hat mit den neu bekannt gewordenen russischen Kriegsverbrechen nochmal ein neues Niveau erreicht.“ Die Staatengemeinschaft müsse die Sanktionen verschärfen. (afp)
Ukraine: Russland hat sich aus dem Norden zurückgezogen
Die russischen Streitkräfte haben ihren Rückzug aus dem Norden der Ukraine nach Angaben des ukrainischen Militärs abgeschlossen. Der Generalstab der ukrainischen Armee erklärte am Sonntag, russische Einheiten hätten sich aus Gebieten im Norden des Landes in das benachbarte Belarus zurückgezogen, das als Stützpunkt für die russische Invasion in die Ukraine diente.
Das ukrainische Militär erklärte, seine Luftlandetruppen hätten die volle Kontrolle über die Stadt Pripjat unweit des stillgelegten Atomkraftwerks Tschernobyl übernommen sowie über den Grenzabschnitt zu Belarus. Das Verteidigungsministerium twitterte ein Bild eines ukrainischen Soldaten, der die Flagge des Landes aufstellte. Im Hintergrund war das im Jahr 1986 havarierte Atomkraftwerk zu sehen. (ap)
US-Außenminister Blinken entsetzt über Gräueltaten in Butscha
US-Außenminister Antony Blinken hat sich entsetzt über die Gräueltaten in der ukrainischen Stadt Butscha bei Kiew geäußert. „Man kann nicht anders, als diese Bilder als einen Schlag in die Magengrube zu sehen“, sagte Blinken am Sonntag dem Sender CNN.
Der Minister verwies darauf, dass die US-Regierung bereits im vergangenen Monat zu dem Schluss gekommen sei, dass russische Truppen in der Ukraine Kriegsverbrechen begingen. „Das ist die Realität, die sich jeden Tag abspielt, solange Russlands Brutalität gegen die Ukraine anhält. Deshalb muss es ein Ende haben.“ (dpa)
Angriff auf Ölraffinerie bei Odessa
Russland nahm unterdessen die am Schwarzen Meer im Südwesten der Ukraine gelegene Hafenstadt Odessa verstärkt ins Visier, in deren Umland laut Stadtverwaltung mehrere Raketen einschlugen und wichtige Teile der Infrastruktur trafen. Über Opfer wurde zunächst nichts bekannt.
Das russische Verteidigungsministerium teilte mit, es seien eine Ölraffinerie und drei Öllager nahe Odessa getroffen worden. Odessa ist die Hauptbasis der ukrainischen Marine. Für die russischen Invasionstruppen ist die Stadt ein strategisch wichtiges Ziel auf dem Weg, eine Landbrücke zu dem westlich gelegenen Transnistrien zu schaffen. Die mehrheitlich russischsprachige Region hat sich von Moldau losgesagt und hat russische Truppen auf ihrem Gebiet stationiert.
Das Rote Kreuz unternahm laut der ukrainischen Vize-Regierungschefin Iryna Wereschtschuk einen neuen Versuch, Einwohner aus Mariupol in der südöstlichen Region Donbass mit einem Buskonvoi aus der Stadt in Sicherheit zu bringen. Dort sind Tausende Zivilisten von einem russischen Belagerungsring eingeschlossen und haben kaum Zugang zu Wasser und Nahrungsmitteln. Ein Hilfskonvoi war am Freitag auf dem Weg in die Hafenstadt umgekehrt, da die Lage als zu gefährlich eingeschätzt wurde. Russland gibt dem Roten Kreuz für die Verzögerung die Schuld. (rtr)
Kiew: Elf Bürgermeister von russischen Streitkräften entführt
Nach Angaben aus Kiew sind seit Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine elf Bürgermeister entführt worden. Amtsträger aus Gemeinden in den Regionen Kiew, Cherson, Charkiw, Saporischschja, Mykolajiw und Donezk befänden sich in russischer „Gefangenschaft“, erklärte die stellvertretende ukrainische Regierungschefin Iryna Wereschtschuk am Sonntag. Die Bürgermeisterin von Motyschyn bei Kiew, Olga Suchenko, sowie deren Mann seien von russischen Soldaten festgenommen und dann getötet worden.
Die ukrainische Staatsanwaltschaft hatte die Entführung von Suchenko und ihrem Mann vor einer Woche bekanntgegeben.
„Wir informieren das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK), die UNO und alle möglichen Organisationen, genau wie bei den anderen verschwundenen Zivilisten“, erklärte Wereschtschuk. Sie fordere „alle auf, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um sie zurückzuholen“.
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) erklärte am Sonntag, sie habe mehrere Fälle möglicher Kriegsverbrechen an Zivilisten durch russische Truppen in besetzten Gebieten in den Regionen Tschernihiw, Charkiw und Kiew dokumentiert. Dazu gehörten ein Fall von wiederholter Vergewaltigung und zwei Fälle von Hinrichtungen. Dabei handle es sich in einem Fall um die Exekution von sechs Männern, im anderen Fall um die von einem Mann. Russische Soldaten würden auch Plünderungen vorgeworfen, erklärte HRW. (afp)
Kreml: Sanktionen gehen „über die Vernunft hinaus“
Nach Ansicht des Kremls hat der Westen mit der Verhängung der Sanktionen gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin bewiesen, dass er seinen Sinn für Vernunft aufgegeben hat. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte am Sonntag in einer Fernsehansprache, die Sanktionen gegen Putin gingen „über den Rand der Vernunft hinaus“ und zeigten, dass der Westen „zu allen Dummheiten fähig“ sei.
Ein Treffen von Putin mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski sei „hypothetisch möglich“, sobald die Unterhändler beider Länder einen Entwurf für ein zu erörterndes Abkommen vorbereitet hätten. (ap)
Ukraines Außenminister fordert neue Sanktionen
Nach Bekanntwerden von Gräueltaten in der Stadt Butscha bei Kiew hat der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba härtere Sanktionen der G7-Staaten gegen Russland gefordert. „Das Massaker von Butscha war vorsätzlich. Die Russen zielen darauf ab, so viele Ukrainer wie möglich auszulöschen“, schrieb Kuleba am Sonntag auf Twitter. „Wir müssen sie aufhalten und rausschmeißen.“
Dem britischen Sender Times Radio sagte Kuleba, es habe sich bei den Getöteten weder um Guerilla-Kämpfer noch um Menschen gehandelt, die den Russen Widerstand geleistet hätten. Sie seien aus Ärger und reiner Mordlust getötet worden. Er fügte hinzu: „Russland ist schlimmer als der IS, Punkt.“
Kuleba kündigte an, sich dafür einzusetzen, dass die Verantwortlichen für Gräueltaten in seinem Land zur Verantwortung gezogen würden. Dazu gehöre auch der russische Außenminister Sergej Lawrow, den er als „einen der Architekten der russischen Aggression gegen die Ukraine“ bezeichnete.
Konkret forderte Kuleba von den sieben führenden demokratischen Wirtschaftsmächten ein Öl-, Gas- und Kohle-Embargo gegen Russland, einen Ausschluss aller russischen Banken aus dem Banken-Kommunikationsnetzwerk Swift sowie eine Schließung aller Häfen für russische Schiffe und Waren. (dpa)
Großbritannien will Verantwortliche zur Rechenschaft ziehen
Die britische Außenministerin Liz Truss kündigte unterdessen mit Blick auf die Gräueltaten gegen ukrainische Zivilisten an, Großbritannien werde „nicht eher ruhen“, bis die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen seien. Das schließe russische Kommandeure und Personen innerhalb der russischen Regierung mit ein, betonte sie.
Zu den „wahllosen Angriffen auf unschuldige Zivilisten während der ungerechtfertigten und illegalen Invasion in die Ukraine“ müssten Ermittlungen wegen Kriegsverbrechen eingeleitet werden, sagte Truss weiter. London werde den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag bei der Untersuchung und Verfolgung von Kriegsverbrechen vollkommen unterstützen.
Nach dem Rückzug russischer Truppen aus dem Gebiet rund um die ukrainische Hauptstadt Kiew hatten Fotos von getöteten Menschen in der zurückeroberten Stadt Butscha für Entsetzen gesorgt. Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko sprach von „Völkermord“. (dpa)
Russland hofft auf Friedensvereinbarung
Russland äußert einem Agenturbericht zufolge die Hoffnung, dass die Regierungen in Moskau und Kiew am Ende von Verhandlungen eine irgendwie geartete Friedensvereinbarung unterzeichnen können.
Das berichtet die Agentur Interfax unter Berufung auf das russische Präsidialamt. Russland bekräftigt demzufolge aber auch, dass alle Ziele des „militärischen Sondereinsatzes“ in der Ukraine erreicht werden. (rtr)
Von der Leyen entsetzt über Leichenfunde in Ukraine
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hat sich nach der Entdeckung zahlreicher getöteter Zivilisten in der Region um Kiew entsetzt gezeigt. „Eine unabhängige Untersuchung ist dringend erforderlich“, schrieb die deutsche Politikerin am Sonntag auf Twitter. Zugleich versicherte sie, dass die Verantwortlichen für Kriegsverbrechen zur Rechenschaft gezogen würden. In Butscha nahe der ukrainischen Hauptstadt Kiew waren nach dem Rückzug der russischen Armee zahlreiche Tote gefunden worden.
Nach Angaben der Behörden wurden inzwischen 280 Menschen in Massengräbern beerdigt. Der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak teilte auf Twitter ein Foto, auf dem erschossene Männer zu sehen waren. Einem waren die Hände auf dem Rücken gefesselt. Die Echtheit konnte nicht unabhängig geprüft werden. Podoljak schrieb dazu: „Sie waren nicht beim Militär, sie hatten keine Waffen, sie stellten keine Bedrohung dar.“ (dpa)
Russland: zu früh für weitere Ukraine-Gespräche
Nach Auskunft des Leiters der russischen Delegation in den Verhandlungen mit der Ukraine ist es noch zu früh für ein Gespräch über ein Treffen zwischen den Präsidenten beider Länder. Wladimir Medinski sagte am Sonntag, es gebe zuvor noch viel damit zu tun, den Entwurf eines Abkommens fertigzustellen.
In einer von der Nachrichtenagentur Interfax verbreiteten Äußerung bekräftigte Medinski, dass die Parteien eine vorläufige Einigung darüber erzielt hätten, dass die Ukraine im Gegenzug für internationale Sicherheitsgarantien einen neutralen Status annehmen und auf ausländische Militärstützpunkte verzichten müsse.
Auf die Behauptung des ukrainischen Unterhändlers Davyd Arachamia, die Moskauer Unterhändler hätten den meisten Vorschlägen der Ukraine bei den Gesprächen in Istanbul diese Woche informell zugestimmt und die beiden Präsidenten könnten den Entwurf des Abkommens erörtern, sagte Medinski, er teile Arachamias Optimismus nicht. Die Gespräche würden am Montag online fortgesetzt. Russlands Haltung zur Krim und den Rebellengebieten im Osten der Ukraine bleibe unverändert, betonte Medinski.
Der Kreml fordert, dass die Ukraine die Souveränität Russlands über die Krim anerkennt, die Moskau 2014 annektiert hat, und ebenfalls die Unabhängigkeit der von Russland unterstützten Separatistenregionen im Donbas, dem östlichen industriellen Kernland der Ukraine. (ap)
EU will Untersuchung von „Gräueltaten“ in Kiewer Vororten unterstützen
Die EU will nach Angaben von Ratspräsident Charles Michel die Untersuchung von „Gräueltaten“ der russischen Armee in Vororten von Kiew unterstützen. Michel zeigte sich am Sonntag im Onlinedienst Twitter „erschüttert“ über Bilder aus dem ukrainischen Ort Butscha und sprach von einem „Massaker“. Die EU werde bei der „Sammlung der notwendigen Beweise für die Verfolgung vor internationalen Gerichten“ helfen, kündigte er an.
Die russische Armee hatte sich zuletzt in der Region um Kiew zurückgezogen. In Butscha wurden danach laut Angaben der ukrainischen Behörden fast 300 Leichen gefunden. AFP-Reporter berichteten, dass zahlreiche Toten zivile Kleidung getragen hätten. Sie sahen auf einer einzigen Straße in Butscha mindestens 20 Leichen liegen.
Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko sprach von Kriegsverbrechen und „Völkermord“. „Das, was in Butscha und anderen Vororten von Kiew passiert ist, kann man nur als Völkermord bezeichnen“, sagte er der „Bild“. „Es sind grausame Kriegsverbrechen, die (Russlands Präsident Wladimir) Putin dort zu verantworten hat.“
Michel kündigte an, angesichts der „erschütternden Bilder“ aus Butscha den wirtschaftlichen Druck auf Russland weiter erhöhen zu wollen. „Weitere EU-Sanktionen und Unterstützung (für die Ukraine) sind auf dem Weg“, schrieb er auf Twitter. (afp)
Moskau dämpft Hoffnungen auf Ukraine-Spitzentreffen
Russland hat Hoffnungen der Ukraine auf ein baldiges Spitzentreffen der beiden Präsidenten Wladimir Putin und Wolodimir Selenski zur Beendigung des Kriegs gedämpft. Es gebe noch viel zu tun, sagte der russische Verhandlungsführer Wladimir Medinski am Sonntag der Nachrichtenagentur Interfax. „Ich teile leider nicht den Optimismus von Arachamija.“ Zuvor hatte der ukrainische Chefunterhändler David Arachamija im ukrainischen Fernsehen von einem möglicherweise baldigen Treffen der beiden Staatschefs gesprochen.
Die Entwürfe der entsprechenden Dokumente seien bereits so weit fortgeschritten, dass ein „direktes Gespräch der beiden Staatschefs“ möglich sei, sagte Arachimija. Die Ukraine hatte auch schon Zugeständnisse angedeutet. Der russische Chefunterhändler Medinski betonte hingegen, dass Russlands Position in Bezug auf die Krim und den Donbass „unverändert“ sei.
Moskau fordert einen Verzicht der Ukraine auf eine Nato-Mitgliedschaft sowie die Anerkennung der abtrünnigen ostukrainischen Separatistengebiete als eigene Staaten und der 2014 annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim als Teil Russlands. Der Krieg dauert schon seit mehr als fünf Wochen. (dpa)
Behörden melden Angriff auf Odessa
Auf die ukrainische Hafenstadt Odessa am Schwarzen Meer hat es am Sonntagmorgen nach Behördenangaben einen Luftangriff gegeben. Wie der Stadtrat im Nachrichtenkanal Telegram mitteilte, entstanden in „einigen Gebieten“ Brände. Ukrainische Medien veröffentlichten Fotos, auf denen Rauch über Odessa zu sehen war. Es soll demnach keine Verletzten gegeben haben. Dem Stadtrat zufolge wurden „einige Raketen“ von der Luftabwehr abgefangen. Diese Angaben ließen sich nicht überprüfen. Am Morgen wurde Luftalarm ausgelöst. Unklar war zunächst, ob es sich um Beschuss durch russische Kampfflugzeuge oder um Raketen handelte.
Die Detonationen in der Stadt am Schwarzen Meer im Südwesten des Landes waren am frühen Morgen zu hören, wie ein AFP-Reporter berichtete. Zudem waren mindestens drei schwarze Rauchsäulen und Flammen vermutlich über einem Industriegebiet zu sehen. Die Metropole ist der größte Hafen der Ukraine und zentral für die Wirtschaft des gesamten Landes. (afp)
🐾 Russlands erfolgloser Feldzug
Der Vormarsch Russlands scheitert am Widerstandswillen der Ukrainer. Verhandlungen über einen Waffenstillstand hätten dennoch keine Chance, kommentiert für die taz Barabara Oertel, Leiterin des Ressorts Ausland.
Russischer Rückzug aus dem Norden
Am Samstag hatte die ukrainische Armee nach eigenen Angaben nach wochenlangen Kämpfen die Region um die Hauptstadt Kiew und weitere Gebiete im Norden wieder vollständig unter ihre Kontrolle gebracht. Die Militärführung ging davon aus, dass sich die russischen Truppen in der Folge mehr auf den Süden und Osten des Landes konzentrieren würden.
„Irpin, Butscha und Hostomel und das gesamte Gebiet Kiew – vom Feind befreit“, schrieb die stellvertretende Verteidigungsministerin Anna Maljar am Samstagabend auf Twitter. In Butscha stießen ukrainische Truppen auf Szenen des Grauens. In der zurückeroberten Stadt nordwestlich von Kiew entdeckten sie Dutzende tote Zivilisten. Viele von ihnen seien von russischen Soldaten erschossen worden, twitterte Präsidentenberater Mychajlo Podoljak. „Sie waren nicht beim Militär, sie hatten keine Waffen, sie stellten keine Bedrohung dar“, schrieb er. „Wie viele derartige Fälle ereignen sich gerade in den besetzten Gebieten?“
Auf einem Foto, das Podoljak in seinem Tweet teilte, waren erschossene Männer zu sehen, bei einem von ihnen waren die Hände auf dem Rücken gefesselt. Die Echtheit des Bildes konnte nicht unabhängig geprüft werden. Auch weitere Berichte ukrainischer Medien über vermeintliche Gräueltaten russischer Soldaten konnten nicht unabhängig überprüft oder bestätigt waren. Unterdessen wurden rund 280 Zivilisten in Butscha in einem Massengrab beerdigt. Die Leichen konnten während der russischen Besatzungszeit nicht beigesetzt werden, verlautete nach Angaben der Ukrajinksa Prawda aus der Verwaltung. (rtr/dpa)
Selenski erwartet russische Angriffe im Osten und Süden
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski erwartet nun heftige russische Angriffe im Osten und Süden. „Was ist das Ziel der russischen Armee? Sie wollen sowohl den Donbass als auch den Süden der Ukraine erobern“, sagte Selenski in einer Videobotschaft in der Nacht zum Sonntag. „Und was ist unser Ziel? Wir wollen uns, unsere Freiheit, unser Land und unsere Menschen schützen.“ Um den russischen Plänen entgegenzuwirken, werde die Abwehr der ukrainischen Streitkräfte in östlicher Richtung verstärkt. „Und das wohl wissend, dass der Feind Reserven hat, um den Druck zu verstärken.“
US-Geheimdienstexperten vermuteten im Gespräch mit dem Sender CNN, dass Russlands Präsident Wladimir Putin einen Erfolg im Osten der Ukraine bis spätestens Anfang Mai anstrebt, um diesen bei der Siegesparade zum 9. Mai – zu den jährlichen Feiern zum Ende des Zweiten Weltkriegs – öffentlichkeitswirksam zu feiern.
🐾 Zerstörte ukrainische Stadt Mariupol
Tausende versuchen aus der ukrainischen Stadt Mariupol zu fliehen. Auf ihrem Weg landen viele gegen ihren Willen in von Russland besetzten Gebieten. Aus Mariupol berichtet für die taz Anna Murlykina.
Hunderten gelingt Flucht aus umkämpften Städten
Hunderten Menschen gelang nach Angaben der Regierung in Kiew die Flucht aus umkämpften Städten. So hätten 765 Zivilisten mit eigenen Fahrzeugen die Hafenstadt Mariupol im Südosten verlassen, teilte Vize-Regierungschefin Irina Wereschtschuk via Telegram mit. Fast 500 Zivilisten seien aus der Stadt Berdjansk geflohen. Ziel der Menschen aus beiden Städten sei Saporischschja. Zudem seien in Berdjansk zehn Busse gestartet. Am Sonntag solle die Evakuierung dort fortgesetzt werden, sagte Wereschtschuk.
Für Sonntag plante das russische Militär einen Fluchtkorridor für ausländische Staatsbürger aus dem umkämpften Mariupol und der von Russen besetzten Hafenstadt Berdjansk, ebenfalls am Asowschen Meer. Die Ausländer, überwiegend Besatzungsmitglieder von blockierten Frachtschiffen in den beiden Häfen, könnten auf dem Landweg entweder über die Krim oder in ukrainisches Gebiet in Sicherheit gelangen. (dpa)
Bloggerin aus Klinik in Mariupol in russischem Video
Eine ukrainische Beauty-Bloggerin ist in einem neuem Video mit Fehlinformationen über den Angriff auf die zerbombte Geburtsklinik in Mariupol aufgetaucht. Ein mit der russischen Regierung verbundener Twitter-Account teilte am Freitag ein Interview mit Marianna Wischegirskaja, die Mitte März von Russland beschuldigt wurde, eine Krisendarstellerin zu sein. Zuvor hatte Wischegirskaja Reporterin der Nachrichtenagentur AP in der Klinik ein Interview gegeben.
In dem neuen Video sagt die frischgebackene Mutter, dass das Krankenhaus nicht von einem Luftangriff getroffen worden sei und dass sie den AP-Journalisten gesagt habe, sie wolle nicht gefilmt werden. Die Berichterstattung der AP und die Aufnahmen der Interaktionen von ihr mit den Reportern widersprechen dieser Behauptung.
Das Interview wurde von dem russischen Blogger Denis Seleznew geführt und von Kristina Melnikowa gefilmt. Wischegirskaja wurde darin gebeten, die Ereignisse in dem Krankenhaus am 9. März, dem Tag des Bombenanschlags zu beschreiben. Diejenigen, die nach dem Angriff im Keller des Krankenhauses zusammengekauert waren, hätten geglaubt, die Explosionen seien durch Beschuss und nicht durch einen Luftangriff verursacht worden, weil niemand Geräusche hörte, die auf einen Bombenabwurf hindeuteten, sagte sie daraufhin.
Augenzeugenberichte und Videoaufnahmen von AP-Journalisten in Mariupol deuten jedoch auf einen Luftangriff hin, darunter das Geräusch eines Flugzeugs vor der Explosion, ein Krater vor dem Krankenhaus, der mindestens zwei Stockwerke tief war, und Interviews mit einem Polizisten und einem Soldaten am Tatort, die beide den Angriff als „Luftangriff“ bezeichneten.
Es war nicht klar, wo sich Wischegirskaja befand und unter welchen Bedingungen das neue Interview geführt wurde. Russland hat wiederholt versucht, den Angriff in Mariupol, einem wichtigen militärischen Ziel Moskaus, in Zweifel zu ziehen, seit die Bilder weltweit zu sehen waren und ein Licht auf Russlands Angriffe auf Zivilisten in der Ukraine warfen. (ap)
Ukrainischer Botschafter kritisiert Steinmeier
Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eine zu große Nähe zu Russland vorgeworfen. „Für Steinmeier war und bleibt das Verhältnis zu Russland etwas Fundamentales, ja Heiliges, egal was geschieht, auch der Angriffskrieg spielt da keine große Rolle“, sagte Melnyk dem Tagesspiegel (Sonntagsausgabe).
Russlands Präsident Wladimir Putin vertrete die Ansicht, dass „es kein ukrainisches Volk, keine Sprache, keine Kultur, und daher auch keinen Staat“ gebe, fügte Melnyk hinzu. „Steinmeier scheint den Gedanken zu teilen, dass die Ukrainer eigentlich kein Subjekt sind.“
Deutschland habe weiterhin zu viele Eigeninteressen gegenüber Russland, etwa in Bezug auf Gas, Öl und Kohle, sagte der Botschafter. Schuld daran sei auch Steinmeiers Agieren als Kanzleramtschef und später als Außenminister. „Steinmeier hat seit Jahrzehnten ein Spinnennetz der Kontakte mit Russland geknüpft. Darin sind viele Leute verwickelt, die jetzt in der Ampel das Sagen haben.“
Namentlich nannte er den außenpolitischen Berater von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Jens Plötner, und den Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Andreas Michaelis. Melnyk hatte Steinmeier bereits zuvor wegen eines Solidaritätskonzerts für die Ukraine, an dem auch russische Musiker teilnahmen, scharf angegriffen. (afp)
Andrij Melnyk kritisiert deutsche Verteidigungsministerin
Der Botschafter übte vor dem Hintergrund geplanter Waffenlieferungen an die Ukraine auch an Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) Kritik. Er habe kürzlich „mit Verwunderung“ aus den Medien von einer Liste der Bundesregierung mit möglichen Waffenlieferungen im Umfang von 308 Millionen Euro erfahren. Das Bundesverteidigungsministerium habe die ukrainische Seite über diese Liste aber nicht informiert, sie sei von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) übergeben worden.
„Die Kommunikation könnte viel besser sein“, sagte Melnyk. Auf der Liste stehen dem Botschafter zufolge Waffen deutscher Hersteller, die die Armee nicht prioritär braucht. Zudem gebe es keine konkrete Zusage, in welchem Umfang diese Käufe von der Regierung finanziert werden. „Diese Zahl 308 Millionen Euro ist also nur ein Fake“, sagte Melnyk. (afp)
Hier lesen Sie die Nachrichten zum Ukrainekrieg vom Samstag.
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