+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++: Dutzende Tote nach Luftangriffen
Im Gazastreifen kommen laut Klinikangaben gleich 18 Mitglieder einer Familie ums Leben. Ägyptens Präsident warnt vor „unerbittlichem Kreislauf der Instabilität“.
Ägyptens Präsident appelliert an Kriegsparteien
Der anhaltende Krieg im Gazastreifen droht nach Aussagen von Ägyptens Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi die gesamte Region in „einen unerbittlichen Kreislauf der Instabilität“ zu stürzen. Deshalb sei es dringend notwendig, die aktuellen Verhandlungen zur Beendigung des Gaza-Kriegs zu nutzen, sagte er nach einem Treffen mit dem französischen Außenminister Stéphane Séjourné in Kairo laut einem Sprecher. Eine Einigung würde weiteres Blutvergießen verhindern und die Region vor den Folgen einer weiteren Eskalation bewahren.
Am Freitag waren aktuelle Verhandlungen zur Beendigung des Kriegs unter Vermittlung Katars, Ägyptens und der USA vertagt worden. Einen Durchbruch erzielten die Vermittler nicht – laut gemeinsamer Mitteilung waren die zweitägigen Gespräche in der katarischen Hauptstadt aber konstruktiv. Ein weiteres Spitzentreffen soll es vor Ende kommender Woche in der ägyptischen Hauptstadt Kairo geben. Bis dahin sollen Unterhändler weiterverhandeln, um noch verbleibende Lücken zu schließen. (dpa)
Israel meldet Tod von Hisbollah-Kommandeur
Das israelische Militär hat nach eigenen Angaben einen Kommandeur der proiranischen Hisbollah im Südlibanon getötet. Es handele sich um einen Kommandeur der Radwan-Truppe, einer Eliteeinheit der Schiitenmiliz. Er sei bei einem Luftangriff nahe der Küstenstadt Tyros getötet worden. Das libanesische Gesundheitsministerium hatte zuvor mitgeteilt, dass bei einem israelischen Angriff auf ein Motorrad in der Gegend ein Mensch getötet wurde. Die Hisbollah äußerte sich zunächst nicht.
Seit Beginn des Krieges im Gazastreifen nach dem Terrorangriff der islamistischen Hamas am 7. Oktober 2023 beschießt auch die mit der Hamas verbündete Hisbollah-Miliz aus dem Libanon fast täglich Ziele im angrenzenden Norden Israels. Das israelische Militär wiederum greift regelmäßig Ziele im Nachbarland an.
Fisch- und Fleischgroßhändler unter den Toten
Bei einem Luftangriff auf den Gazastreifen sind in der Nacht zum Samstag mindestens 18 Menschen getötet worden. Reporter der Nachrichtenagentur AP bestätigten die Zahl der Todesopfer, die ins Al-Aksa-Märtyrerkrankenhaus gebracht wurden. Sie kamen nach Angaben der Klinik ums Leben, als ein Haus und eine angrenzende Lagerhalle getroffen wurden, die Vertriebenen als Unterschlupf diente. Das israelische Militär teilte am Samstag mit, es prüfe die Berichte. Angriffe auf Extremisten im zentralen Gazastreifen würden aber weitergehen.
Laut einer Opferliste des Krankenhauses gehörten alle 18 Toten der gleichen Familie an. Einer der Toten war ein Großhändler, der in Absprache mit dem israelischen Militär Fisch und Fleisch in den Gazastreifen brachte. Seine zwei Frauen, elf Kinder im Alter von 2 bis 22 Jahren, die Großmutter der Kinder und drei weitere Verwandte seien ebenfalls ums Leben gekommen, hieß es. (ap)
Armee: 55 Geschosse aus dem Libanon auf Israel abgefeuert
Nach einem Angriff der israelischen Armee auf ein Gebäude im Libanon hat die Hisbollah-Miliz eigenen Angaben zufolge Israel mit zahlreichen Raketen angegriffen. Dem israelischen Militär zufolge wurden rund 55 Geschosse aus dem Nachbarland in Richtung Israel abgefeuert. Einige landeten demnach auf offenem Gelände. Berichte über Verletzte bei dem jüngsten Angriff gab es den Angaben nach zunächst nicht. Es seien aber mehrere Brände ausgebrochen.
Am Morgen seien zudem zwei Soldaten bei dem Einschlag eines Geschosses aus dem Libanon verletzt worden, einer von ihnen schwer, teilte die Armee weiter mit.
In der Nacht waren bei einem israelischen Luftangriff im Südlibanon libanesischen Angaben zufolge zehn Menschen getötet und mehrere verletzt worden. Unter den Todesopfern waren auch zwei Kinder, wie das libanesische Gesundheitsministerium mitteilte. Israels Armee gab an, in der Gegend von Nabatäa ein Waffenlager der libanesischen Hisbollah-Miliz angegriffen zu haben. (dpa)
Israel fordert Anwohner mehrerer Gaza-Gebiete zur Flucht auf
Die israelische Armee hat die Anwohner mehrerer Viertel im Zentrum des Gazastreifens vor einem neuen Militäreinsatz zur Flucht aufgefordert. Sie sollten sich in ein von Israel als humanitäre Zone ausgewiesenes Gebiet begeben, hieß es in dem Aufruf, den ein israelischer Militärsprecher in arabischer Sprache veröffentlichte. Bei israelischen Angriffen im Zentrum des Gazastreifens sollen palästinensischen Angaben zufolge zugleich mehrere Menschen ums Leben gekommen sein.
Betroffen von dem jüngsten Fluchtaufruf sind der Armee zufolge unter anderem die Anwohner des Flüchtlingsviertels Al-Maghasi. Grund für den neuen Einsatz sei der „anhaltende Raketenbeschuss der Hamas“ aus der Gegend. Die Armee will demnach dort gegen die Terrororganisation vorgehen. Berichten zufolge verteilte das Militär auch Flugblätter an die Anwohner. Die Armee war bereits Anfang des Jahres in Al-Maghasi im Einsatz.
Zuvor hatte Israels Militär bereits die Bewohner mehrerer Gebiete im Nordosten des Gazastreifens zur Flucht aufgerufen. Anwohner sowie Vertriebene, die sich dort aufhielten, sollten sich demnach in „bekannte Zufluchtsstätten“ im Zentrum der Stadt Gaza begeben. Betroffen waren den Angaben nach unter anderem die Anwohner der Stadt Beit Hanun. Die Armee begründete auch diesen Fluchtaufruf mit der Präsenz der Hamas, die aus der Gegend Raketen auf Israel abfeuere. (dpa)
Zehn Syrer bei israelischem Luftangriff im Libanon getötet
Bei einem israelischen Luftangriff auf den Süden des Libanons sind nach Angaben des libanesischen Gesundheitsministeriums zehn syrische Staatsbürger getötet worden. Unter den Opfern des Angriffs auf Wadi al-Kfur in der Region Nabatäa seien auch eine Frau und zwei Kinder, teilte das Ministerium am Samstag mit. Fünf weitere Menschen seien verletzt worden.
Es war einer der opferreichsten Angriffe auf Ziele im Libanon seit Beginn des Gaza-Krieges. Ein israelischer Militärsprecher sagte, Ziel sei ein Waffendepot der militant-islamistischen Hisbollah-Miliz gewesen. Mohammad Schoaib, der ein Schlachthaus in Wadi al-Kfur betreibt, sagte, das getroffene Gebiet sei ein „Industrie- und Zivilgebiet“. Dort gebe es Fabriken zur Herstellung von Ziegeln, Metall und Aluminium sowie eine Molkerei. Die Hisbollah äußerte sich zunächst nicht zu dem Angriff. (ap)
Viele Hürden für Polio-Massenimpfung im Gazastreifen
Nach der Bestätigung des ersten Polio-Falls im Gazastreifen warnen Hilfsorganisationen vor massenhaften Ansteckungen. „Wir rechnen mit dem schlimmsten Szenario eines Polio-Ausbruchs in den kommenden Wochen oder Monaten und bereiten uns darauf vor“, sagte Francis Hughes, der Gaza-Beauftragte bei CARE International, der Nachrichtenagentur AP. Bereits am Freitag hatten die Weltgesundheitsorganisation WHO und das Kinderhilfswerk sowie UN-Generalsekretär António Guterres eine sofortige Kampfpause gefordert, um 640 000 Kinder unter zehn Jahren zu impfen.
Polio wurde im Gazastreifen vor fünfundzwanzig Jahren eigentlich ausgerottet, aber seit Beginn des Krieges vor zehn Monaten wurde kaum noch geimpft. Davor waren laut der WHO 99 Prozent der Bevölkerung immunisiert, jetzt sind es 86 Prozent.
Der Gazastreifen ist laut Hilfsorganisationen zu einem Brutplatz für das Virus geworden. Hunderttausende vertriebene Palästinenser drängen sich in Zeltlagern ohne sauberes Wasser oder ordnungsgemäße Abwasser- und Müllentsorgung. Manchmal wird Abwasser zum Trinken oder Reinigen von Kleidung und Geschirr verwendet. Oft gibt es keine Seife. Mindestens 225 nicht reglementierte Müllhalden und Deponien sind im Gazastreifen entstanden, viele in der Nähe von Unterkünften von Familien, so ein im Juli veröffentlichter Bericht von PAX, einer in den Niederlanden ansässigen gemeinnützigen Organisation, die dafür Satellitenbilder ausgewertet hat.
WHO und Unicef erklärten, dass mindestens eine siebentägige Pause erforderlich sei, um die Massenimpfungen durchzuführen. Die Hilfsorganisation Mercy Corps schätzt, dass etwa 50 000 Babys, die seit Beginn des Krieges geboren wurden, nicht gegen Polio geimpft wurden. Nach verdächtigen Stuhlproben bei drei Kindern bestätigte ein Labor in Jordanien einen Polio-Fall bei einem zehn Monate alten Kind im Gazastreifen, wie das von der Hamas kontrollierte Gesundheitsministerium am Freitagabend mitteilte. (ap)
Iran zu Gaza-Gesprächen: Israel kann man nicht trauen
Der Iran ist mit Blick auf die Verhandlungen über eine Waffenruhe im Gaza-Krieg zwischen seinem erklärten Erzfeind Israel und der mit Teheran verbündeten Hamas weiter skeptisch. Israel könne nicht getraut werden, schrieb der geschäftsführende Außenminister des Irans, Ali Bagheri Kani, auf der Plattform X. Er sei vom katarischen Ministerpräsidenten Mohammed bin Abdulrahman Al Thani über den Stand der Verhandlungen unterrichtet worden. Es müsse alles getan werden, um Israels militärische Offensive im Gazastreifen zu beenden, schrieb er.
Zuvor waren die Verhandlungen unter Vermittlung Katars, Ägyptens und der USA vertagt worden. Einen Durchbruch erzielten die Vermittler nicht – laut gemeinsamer Mitteilung waren die zweitägigen Gespräche in der katarischen Hauptstadt aber konstruktiv. Ein weiteres Spitzentreffen soll es vor Ende kommender Woche in der ägyptischen Hauptstadt Kairo geben. Bis dahin sollen Unterhändler weiterverhandeln, um noch verbleibende Lücken zu schließen. (dpa)
Biden: Gespräche zu Gaza-Waffenruhe nicht „untergraben“
Angesichts der laufenden Verhandlungen über eine Waffenruhe und die Freilassung von Geiseln im Gazastreifen hat US-Präsident Joe Biden alle Beteiligten davor gewarnt, die Bemühungen darum zu untergraben. Biden teilte am Freitag (Ortszeit) mit, dass sein Außenminister Antony Blinken am Samstag in den Nahen Osten reisen werde, „um zu unterstreichen, dass niemand in der Region etwas unternehmen sollte, um diesen Prozess zu untergraben angesichts der Tatsache, dass ein Abkommen über eine umfassende Waffenruhe und die Freilassung der Geiseln in Sicht ist“.
Blinken wird demnach am Samstag zunächst nach Israel aufbrechen. Dort werde er „meine eiserne Unterstützung für Israels Sicherheit bekräftigen“ und „unsere intensiven Bemühungen um den Abschluss dieser Vereinbarung fortsetzen“, erklärte Biden. Weitere Angaben machte er in der Erklärung zunächst nicht. (afp)
Verfassungsschutz: Linksextreme nutzen Pro-Palästina-Camp
Mit dem umstrittenen Pro-Palästina-Camp an der Moorweide nutzen nach Erkenntnissen des Hamburger Verfassungsschutzes auch Linksextreme den Protest gegen das israelische Vorgehen in Gaza nach dem Hamas-Terrorüberfall für ihre Zwecke. Die als Mahnwache seit Ende Mai angemeldete Versammlung werde von mehreren Gruppen aus dem deutschen und türkischen Linksextremismus mitgetragen, sagte der Sprecher des Landesamtes, Marco Haase, der Deutschen Presse-Agentur.
„Darunter sind beispielsweise die türkisch-linksextremistische Young Struggle, der antiimperialistische, gewaltorientierte Rote Aufbau Hamburg sowie Untergruppen des Roten Aufbau.“ Zudem biete das Camp weiteren extremistischen Gruppen eine Bühne, etwa der Roten Hilfe oder der Kommunistischen Organisation, sagte Haase. Alles Gruppen, die als extremistisch eingestuft sind und im Verfassungsschutzbericht Erwähnung finden.
Der linksextremistischen Szene wurden laut Verfassungsschutzbericht in Hamburg Ende vergangenen Jahres 1.060 Personen zugerechnet – mehr als drei Viertel gelten als gewaltorientiert. Die größte gewaltorientierte Gruppe ist dabei mit 550 Personen in der autonomen Szene rund um das Kulturzentrum Rote Flora verortet. Im antiimperialistischen Spektrum gelten 110 Personen als gewaltorientiert, darunter auch der Rote Aufbau Hamburg mit etwa 60 Anhängern. Beide Lager sind zerstritten.
Ganz offen war die Rivalität bei der revolutionären 1. Mai-Demo des Roten Aufbaus in diesem Jahr zu sehen: „‚Rote‘ Flora – Halt's Maul“ war auf einem Banner zu lesen – Rote in Anführungsstrichen. Zudem hatten Antiimperialisten Haase zufolge die Rote Flora kurzzeitig besetzt. Der Grund: Nach dem Hamas-Überfall hatte sich das linksautonome Zentrum mit „allen Menschen in Israel und allen Jüdinnen und Juden weltweit“ solidarisch erklärt und auf einem Plakat betont: „Killing Jews is not fighting for freedom!“ (Juden zu töten, ist kein Freiheitskampf). (dpa)
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