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2.810 Verkehrstote in 2025Nächsten Frühling bitte einmal tauschen

Heike Holdinghausen

Kommentar von

Heike Holdinghausen

Die Zahl der Toten und Verletzten im Verkehr bleibt hoch, eine neue Verkehrspolitik bleibt aus. Vielleicht hilft ein kleiner Perspektivwechsel.

Bei einem schweren Verkehrsunfall wird die 41-jährige Frau und ihr vierjähriger Sohn überfahren Foto: Stefan Boness/Ipon

W elche Risiken eine Gesellschaft in Kauf zu nehmen bereit ist, sagt immer auch etwas über die dort herrschenden Machtverhältnisse aus. Denn – Achtung, jetzt wird es fies – es wiegen ja nicht alle Toten und Verletzten gleich schwer. Es wiegen solche schwerer, deren Tod oder Verletzung überwiegend als „nicht hinnehmbar“ oder als „unerträglich“ aufgefasst werden. 2.810 Tote im Straßenverkehr und 370.000 Verletzte, die sind hinnehmbar.

Dass die Zahlen seit einigen Jahren stagnieren, wird offenbar schon als Erfolg gewertet, denn etwa in Berlin werden Maßnahmen, die den Verkehr sicherer machten, wieder zurückgeschraubt. Anderes und andere sind wichtiger. Wer aber dominiert den Diskurs darüber, welche Opfer notgedrungen hinzunehmen sind – und welche keinesfalls? Wer gewinnt in den politischen Aushandlungsprozessen, in denen Einschränkungen und Verbote beschlossen werden, die Risiken minimieren? Und wessen Perspektive setzt sich durch, wenn wir unsere Lebensräume gestalten?

Um mit der letzten Frage zu beginnen: Nicht die der Kinder, nicht die der Hochbetagten, nicht die der Flaneurinnen, Fußgänger, Radlerinnen, Rollerfahrer, nicht die der Armen, die sich kein Auto leisten können. Das ist so empörend wie unverständlich, weil doch fast jeder und jede einmal in deren Strümpfen steckte oder stecken wird. Männer, die morgens mit ihrem Auto durchs Wohnviertel zur Arbeit brausen, sind Väter und Söhne, nur so als Beispiel.

Damit auf deutschen Straßen also nicht mehr jährlich 2.810 Menschen sterben und 370.000 verletzt werden, wären Perspektivwechsel nötig, andere Mehrheiten in den Parlamenten, eine Diskursverschiebung. Doch das wird es alles absehbar nicht geben. Vielleicht wäre es ein Anfang, nächstes Jahr einmal zu tauschen, an einem schönen Tag im Frühling: Alle, die sonst Auto fahren, spazieren oder radeln dahin, wohin sie wollen. Und in ihr Auto steigen dann alle, deren Beine ans Gaspedal reichen oder deren Rollator in den Kofferraum passt. Kleinere Blechschäden werden hingenommen.

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Heike Holdinghausen
Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
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38 Kommentare

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  • Zur Verkehrssicherheit und damit zur Senkung der Unfalltoten beizutragen ist ganz einfach, man muß sich nur an den §1 der Straßenverkehrsordnung halten. Für alle Verkehrsteilnehmer gilt, daß sie ggf. auch mal auf "ihr Recht" verzichten müssen. Und noch ein Wort an die lieben Fahrradfahrer: Ein/e Fahrradfahrer/in hat niemals, niemals, niemals irgendetwas rechts von einem LKW oder einem Bus zu suchen, und nur ganz, ganz selten rechts von einem PKW.

    • @Alberta Cuon:

      Und der Rock war doch sehr kurz.



      Man stellt sich als LKW oder Auto oder Bus so an die Ampel, dass die Radler alle nach vorne nicht nur dürfen, sondern auch kommen können und zuerst losfahren. Das löst das Problem. Gegenseitiger Augenkontakt und Achtsamkeit helfen auch.



      Wer nach rechts abbiegt, sollte das Thema toter Winkel inzwischen wirklich kennen und mehrfach schauen, das Tempo stark reduzieren, blinken. Entspannt vorbeilassen, die Fußgänger, auch die vom Radweg. Das ist der große Hebel, nicht der "kurze Rock".



      § 1 sagt dabei tatsächlich viel und eigentlich fast ausreichend.

      • @Janix:

        Zuerst: Ich fahre nebenberuflich PKW, zu meinem Büroarbeitsplatz fahre ich pro Woche (hin und zurück) Fahrrad (ca 80 km in der Woche), dann fahre ich noch Motorrad und ab und an mal n 7,5 Tonner, ach ja Fußgänger bin ich natürlich auch noch... Von daher bilde ich mir ein, alle Aspekte zu kennen.

        -> Man stellt sich als LKW oder Auto oder Bus so an die Ampel, dass die Radler alle nach vorne nicht nur dürfen, sondern auch kommen können und zuerst losfahren.

      • @Janix:

        Andersrum wird ein Schuh draus - Radfahrer müssen sich endlich an die Verkehrsregeln halten.



        Bei Rot über die Ampel fahren oder ohne Licht egal bei welchem Wetter oder auch in der Nacht sind leider 'Standard' bei den Unmotorisierten.



        Die Idee dahinter ist oft: "ich bin so langsam, ich habe das im Griff."



        Schön für den Radfahrer. Leider Egoismus pur. Denn die motorisierten Teilnehmer sind schneller unterwegs, deshalb die Verkehrsregeln.



        Beispielhaft für diesen Egoismus ist auch Ihre Forderung, alle Radfahrer sollen an der Ampel vorgelassen werden.



        Warum? Hintereinander warten, so wie alle Verkehrsteilnehmer.



        Gerade beim LKW der abbiegen will - der fährt an ne Kreuzung heran im Wissen das neben ihm frei ist, bis zum Ende der Rotphase schlängeln sich dann fünf Radfahrer heimlich durch in seinen toten Winkel und wundern sich dann unterm Anhänger zu landen...🤷



        LKW dürfen mittlerweile nur noch im Schrittempo abbiegen und haben Kameras erhalten die die toten Winkel ausmerzen sollen. Vielleicht sollten noch kleine Laser verbaut werden die auf die Straße einen Lichtkegel werfen was vom Fahrerhaus aus nicht sichtbar ist.



        Gegenseitige Rücksichtnahme gilt für ALLE - auch Unmotorisierte.

        • @Saskia Brehn:

          Wieso "Egoismus"? Das ist übrigens geltendes Verkehrsrecht! Im ruhenden Verkehr dürfen inzwischen Radler(innen) rechts vorbei. Was ja wie dargelegt die sinnvolle Lösung ist.



          Wer geradeaus fährt oder geht, hat ferner Vorrang vor den Abbiegenden, oder? Daher der Wunsch, dass auch faktisch das Rechtsabbiegen ganz ruhig und achtsam stattfindet.

          Und was Rücksichtnahme/Regelbefolgung aller ja nicht ausschließt. Wer etwa als Radler/in nachts ohne Licht durch Rot brettert, ist natürlich selbst schuld, wenn Sie das lesen wollten.



          Ansonsten: V.a. Radlers achten auf Fußgängers. V.a. Motorisierte auf Nicht-Motorisierte.



          Und Verkehrsplanung denkt auch mal wieder an Nichtmotorisierte.

          • @Janix:

            "Im ruhenden Verkehr dürfen inzwischen Radler(innen) rechts vorbei. Was ja wie dargelegt die sinnvolle Lösung ist."

            Ist es das wirklich? Ernst gemeinte Frage. Ich glaube, man kann durchaus argumentieren, dass dadurch mehr potentiell gefährliche Situationen auf dem Rad entstehen. Wenn ich selbst radfahre, warte ich an roten Ampeln lieber hinter Rechtsabbiegern. Ich versuche auch nach Möglichkeit, nicht im toten Winkel zu warten. Mir ist klar, dass ich das nicht muss, aber ich fühle mich dadurch sicherer.

    • @Alberta Cuon:

      Ist es nicht eher so, dass ein LKW niemals etwas links von einem Fahrradfahrer oder einer Fahrradfahrerin zu suchen hat? Das ließe sich übrigens recht leicht bewerkstelligen: durch Fahrradstraßen zum Beispiel, Fahrverbote für große LKWs in Innenstädten, klar voneinander getrennten Fahrspuren für den motorisierten und nicht motorisierten Verkehr. Dann gäbe es auch weniger Fälle, bei denen Radfahrer*innen von von LKW-Fahrer*innen getötet werden.

      • @Jürgen Amendt:

        "Fahrverbote für große LKWs in Innenstädten" Klar weil in Innenstädten keine großen Lieferungen notwendig sind oder gebaut werden muss. absurder geht immer...

      • @Jürgen Amendt:

        Hier geht es ja wohl darum wie man Unfälle vermeidet. Was nützt es dem toten Radfahrer, daß er Recht hatte. Abgesehen davon ist es fast immer so, daß der (tote) Radfahrer rechts am stehenden LKW vorbeigefahren ist und nicht etwa so, daß der LKW den Radfahrer überholt hat und dann unvermittelt rechts abgebogen ist.

        • @Alberta Cuon:

          Können Sie Ihre Aussage mit Zahlen belegen? Im Übrigen hat zur Frage, wie solche Tötungsereignisse vermieden werden können, Janix bereits das Richtige gesagt.

  • Hätte das Verkehrsmittel ÖPNV ähnliche Opferzahlen, würde sie keiner nutzen.



    Danke übrigens für die Nennung der Verletzten - 370.000 - im Artikel. Da sind auch schwer Versehrte dabei.

    • @sujall:

      Was heißt "ähnliche Opferzahlen"?

      Die Verkehrstoten des ÖPNV sind da mit enthalten.

      Die Radfahrerin, die vom abbiegenden Bus umgefahren wird, der Betrunkene, der vor die Straßenbahn fällt.

      Sind halt nicht der größte Anteil.

  • Das Auto ist eben Deutschlands heilige Kuh.

  • Ich werde regelmäßig mit Licht und Ton angehupt, wenn ich im Dunkeln beim Rechtsabbiegen einen unbeleuchteten Radfahrer auf einem unbeleuchteten Radweg sehe und warte bis er sicher vorbei ist. Eltern lassen ihr 7-jähriges Kind bei Dunkelheit zur Straßenseite hin aussteigen (gestern gesehen). In den 70er Jahren gab es eine Kampagne in den Massenmedien mit Aufkleber "Hallo Partner Dankeschön" oder "Der Siebte Sinn" vor dem Tatort. Es ist Erziehungssache. Wir hatten in den 70ern in der alten Bundesrepublik 21.000 Verkehrstote, jetzt sind es 2.900 in Gesamtdeutschland. Das sind pro Jahr 400 weniger.



    Wer "zutiefst erschüttert" (DVR) ist oder schöngeistige Betrachtungen zur Verkehrsutopia schreibt (dieser Artikel), dem traue ich nicht zu, dass er auf dem Durchschnittsstand der letzten 50 Jahre kommt. Es ist Erziehungssache, da hilft auch kein "Müdigkeitswarner", der am hellichten Tag ab Fahrtbeginn pro Stunde ca. 1 bis 2 mal die Aufmerksamkeit hinlenkt wo sie nicht hingehört. Die Kampagne "Angles Morts" ist auch schon wieder vorbei, obwohl sie als Dauerkampagne konzipiert gehört und "Angles Mortels" heißen müsste. Damit fängt die Wirkungslosigkeit an .

  • In den USA werden die Erschossenen einfach hingenommen und bei uns die Verkehrstoten.



    Wenn ich dann lese, dass bei einem Verkehrsunfall drei Menschen gestorben sind und danach gleich der materielle Schaden beziffert wird und, ganz wichtig, die Automarken genannt werden, dann wird völlig klar was bei uns Priorität hat.



    Das Überleben auf der Strasse ist ein Glücksspiel. Autos mit 600 PS brettern über die Autobahnen. Gebaut wie Panzer.



    Die Geschwindigkeit wird lediglich durch Baustellen vermindert. Zebrastreifem werden nicht gemalt, weil hierzulande das nur geht, wenn eine Lichtanlage dazu gebaut wird und deshalb zu teuer ist.



    Fahradstreifen mit unterbrochenen Linien werden von Autofahrern ignoriert und auch gern als Parkstreifen missbraucht. Der Autoverkehr wächst und wächst.



    Die Verkehrsleichen sind dann eben die Kollateralschäden unseres Autoverrückten Landes.



    Ein Blick zu den Niederlanden oder nach Skandinavien reicht, um zu begreifen, dass es auch anders geht.

    • @ Christoph:

      Das Überleben auf der Strasse ist ein Glücksspiel. Autos mit 600 PS brettern über die Autobahnen. Gebaut wie Panzer.

      Wenn ich das schon lese! Man sollte halt mal sich die Mühe machen und die Statistik anschauen, die wenigsten Verkehrstote gibt es auf der Autobahn! Zweitens die am stärksten steigende Gruppen bei den Verke\hrsunfaellen sind die Paketdienste (einfach durch das enorm gestiegene Paketaufkommen) und die zweite Gruppe sind e-Roller und e-bikes! Die mittlerweile größte unfallgefahr (nicht Verkehrstote) für Fußgänger ist nicht das Auto sondern der eRoller

    • @ Christoph:

      Wohl war, und wie sehr Sie recht mit dieser Aussage haben, zeigen die Kommentare zum Thema Verkehrstote zuhauf findet, auch hier unter diesem Artikel. Ich schließe mittlerweile mit mir selbst Wetten ab, wie lange es dauert, bis unter solchen Artikeln wie diesen der erste Kommentar steht, der darauf hinweist, dass Radfahrerererinnen und Radfahrer besser aufpassen und nicht immer auf ihr Recht bestehen sollten. In den USA heißt es dann halt in der Regel, der Erschossene hätte eben sich anders kleiden oder nicht einfach an der Tür von ihm Unbekannten klingeln sollen, um nach dem Weg zu fragen.

    • @ Christoph:

      Ich finde Ihre Vergleiche merkwürdig.

      Ja, die USA haben viele Tote duch Schusswaffen, nur gibt es in den USA auch in etwa drei mal so viele Verkehrstote im Vergleich zu Deutschland.

      Und in den Niederlanden ist der Schnitt im Vergleich zur Gesamtbevölkerung in etwa gleichauf (im Vergleich zu Deutschland).

      Wirklich sicher leben Sie nur in San Marino.

      • @DiMa:

        "Wirklich sicher leben Sie nur in San Marino."



        Nee, leider nicht. Auch dort gibt es Straßen mit Autos drauf.



        Venedig oder Vatikanstaat vielleicht...

        • @Encantado:

          Einige der Nordseeinseln.

    • @ Christoph:

      "Das Überleben auf der Strasse ist ein Glücksspiel. Autos mit 600 PS brettern über die Autobahnen. Gebaut wie Panzer."

      Die Motorisierung sagt genau gar nichts aus. Auch mit 50 PS oder 30PS kann man über die Autobahn brettern. Es ist völlig egal wie viel PS ein Auto hat, wenn es 100 oder 130 kmH fährt. Alleine die Geschwindigkeit machts.

      Vor allem sind die hohen PS Zahlen erst seit wenigen Jahren häufiger anzutreffen. gleichzeitig sinken die Verkehrstoten seit Jahren.



      Die höchsten Zahlen an Verkehrstoten gab es zb in den 70ern wo es weniger Autos und kleinere Autos, wie auch Motoren gab.

      Es gibt hier keine Kausalität zwischen großem Motor und der Anzahl an Verkehrstoten.



      Es gibt nichtmal eine Korrelation, da die Entwicklungen sogar Gegenläufig verlaufen.

      • @Walterismus:

        Viel PS kommt mit viel Tonnen gepaart vor, und dann haben wir die Formel zur kinetischen Energie, die Sie kennen; dann wird's unschön. Hohe Geschwindigkeit und falsche Frontgestaltung verschärfen es noch.

      • @Walterismus:

        Es ist die passive Sicherheit, nicht die Motorisierung.



        Die Masse des gößeren Fahrzeugs, ist für das kleinere Fahrzeug physikalisch der größte Risikofaktor, es wäre also wichtig , die Unterschiede zu begrenzen.

        Entwicklung der passiven Sicherheit :



        Gurtanlegepflicht gab es erst ab 1984,



        Fahrerairbags gab es ab 1981, für Beifahrer ab den 90ern,verpflichtend incl Seitenairbags ab 1998.



        Tempo 100 außerorts war erst seit 1977 durchgehend verbindlich. Euro NCAP ( Crashtestnorm) gab es verbindlich erst ab 1997, ab den 70ern eher langsam.

        Die Aktive Sicherheit hatte viel mit der Promillegrenze für Alkohol zu tun: Bis 1973 1,5 promille, ab 1973 0,8 promille, ab 1998 0,5 promille. Dafür hat sich in den Jahren 1991 bis 2019 die Zahl der Unfälle mit Personenschaden unter dem Einfluss von Drogen mehr als verfünffacht: von 434 auf 2.386 Fälle .

        1971 waren es leider nicht 19.000 sondern ca. 21.000 Verkehrstote.

        "Unsafe at any speed" ist der Klassiker zur passiven Sicherheit von Ralph Nader, das hat viel bewirkt.



        en.wikipedia.org/w...merican_Automobile

    • @ Christoph:

      "Das Überleben auf der Strasse ist ein Glücksspiel. Autos mit 600 PS brettern über die Autobahnen. Gebaut wie Panzer."

      Einerseits finde ich das auch ganz schlecht, unzumutbar!

      Andererseits wäre zu fragen, für wieviele der genannten Toten und Verletzten sind diese "Panzer" verantwortlich.

      Oder ist das nur ein Popanz, der andere Kriterien, andere Orte als die Autobahnen und andere Personengruppen mit hoher Relevanz verdecken will.

  • Vorab: Bin oft in der Schweiz und in Italien auf der Autostrada unterwegs, genieße die dortigen Tempolimits.



    Zum Perspektivenwechsel und jenseits der Suggestivfrage, welche Toten und Verletzten "schwerer" wiegen gehört das Folgende:

    1. Wie verteilen sich Tote und Verletzte in Größenordnungen auf Stadt und Land, auf Autobahnen, Landstraßen oder innerorts.

    2. Welche Bevölkerungsgruppen in Größenordnungen sind betroffen nach Fußgängern, Radfahrern, Autofahrern, Kindern oder alte Menschen.

    Vielleicht noch 3. Gibt es Auwertungen zu den jeweiligen Schuldfragen?

  • Ein guter Kommentar und tatsächlich hilft mir oft die Erfahrung als Radfahrer beim rücksichtsvollen Auto fahren und umgekehrt. Ich kann mir auch gut vorstellen, wie man auf dem riesigen 40Tonner in der fremden Stadt im Toten Winkel irgendwen mit tödlichen Folgen übersieht. Die alte BRD hat bei geringerer Fahrzeugzahl mal über 20.000 Tote im Straßenverkehr gezählt in den 70gern. Tatsächlich waren sogar die Einführung der Gurtpflicht schwer umstritten. Und aktuell gibt es viele Versuche den Radwegeausbau zu stoppen (Parkplatz...) oder den Fußgängern das Leben eher schwerer zu machen. Die immer größeren Autos und Lieferfahrzeuge brauchen natürlich Platz und es ist klar, wer die stärkste Lobby hat. Wer sich die Laune verderben will wird mal durchrechnen, welche Industrie summa summarum die meisten Opfer auf dem Kerbholz hat pro Arbeitsplatz und Aktienwert.

    So will ich aber nicht denken, sondern in dem (Verkehrs-) Raum werfen, dass wir doch, wenn alle ein bisschen umsichtiger und freundlicher unterwegs sind, die Zahlen weiter nach unten gehen werden. Über die Jahrzehnte ist statt dessen das Klima leider doch deutlich rauer und der Verkehr auch viel dichter geworden.

    • @ttronics:

      Möchte zustimmen. Es ist komplett richtig , sich als Radfahrer vorstellen, wie man den anderen erscheint und sich dann vorsichtig zu verhalten. Denn das muss jeder. Wir hatten kürzlich in der Diskussion den Fall der Radfahrerin , die tödlich verunglückt ist weil der Beifahrer eines Transporters, der in zweiter Reihe geparkt hat, die Tür aufgerissen hat. Das kann man antizipieren, wenn man an der geschlossenen Tür mit einem Abstand vorbeifährt, dass einen die offene Tür nicht treffen kann und wenn , dann nicht so schnell fährt, dass es einen aus dem Sattel hebt. Das ist eine Verantwortung, die jeder für sich und für andere hat. Ich kann nicht erwarten, dass andere erkennen können, worauf es bei mir ankommt, das geht physikalisch oft gar nicht. Und andere sind zuerst mit mit ihrer unmittelbar eigenen Aktivität beschäftigt, z.B. bändigen des 40 Tonners .

      • @Hans - Friedrich Bär:

        Wenn man an der geschlossenen Tür eines Zweitreihenparkers mit Abstand vorbeifährt, fädelt man sich von rechts mitten in den fahrenden Autoverkehr ein. Das ist auch nicht sicherer.

        • @nihilist:

          Für's Leseverständnis: in dem Beispiel ging's um den Beifahrer, der steigt selten zur Straßenseite aus.

      • @Hans - Friedrich Bär:

        D.h. wir brauchen viel Abstand für Radfahrer, rechts wie links, also die Fahrspur für die Radler, und mensch überholt die da eben nicht in derselben Spur.



        Die Verantwortung haben dafür die leider immer noch autolastige Verkehrsplanung und auch der Automobilist.

        Für das Öffnen von Türen lernt mensch heute bereits den Holländischen Griff. Der lässt sich auch nachlernen.

    • @ttronics:

      Zumal diese ganze Entwicklung ja auch den Autofahrern selbst schadet.



      In einer unbekannten Gegend mit dem Auto unterwegs zu sein, gleicht mehr und mehr einem Glücksspiel, weil es nicht vorgesehen ist, dass ein Fahrzeug mal langsamer wird, damit der Fahrer sich orientieren, oder gar einen Parkplatz finden kann.



      Diejenigen, die sich dann wild auf Fahrradstreifen oder Behindertenparkplätze stellen, bemerken noch nicht mal, dass sie sich damit auch selbst zum Opfer einer menschenfeindlichen Verkehrspolitik machen.

    • @ttronics:

      In der Tat ist wohl auch hier eine Mischung aus Anreize-massiv-Korrigieren und Selbst-mit-Energie-Anpacken wohl das Sinnvolle.



      Als Radler auch auf Fußgängers achten, als Automobilist auch auf diese zwei Gruppen. Auch mal wieder andere einfach vorlassen und den Kampfmodus woanders ausleben.



      Und eben die teure wie unsoziale Bevorzugung von Auto (und Flug) beenden. Nicht nur fürs längere, auch fürs bessere Leben.

  • Wir opfern dem Moloch weniger, aber immer noch schon einiges. Haben wir keinen Ehrgeiz im Leib? Von anderen Geschwindigkeiten, Verhaltensweisen bis zu anderer Infrastruktur, die allgemein an Menschen ausgerichtet ist, nicht nur an manchen davon.

    Nicht vergessen: Als Kind oder irgendwann im Alter ist eigenes Autofahren keine Option (mehr) - ÖPNV o.ä. auch in der (weniger zersiedelten) Fläche ist wichtig für alle.



    Und vorher nicht im Unfall zerlegt werden.

  • "Zahl der Toten und Verletzten im Verkehr bleibt hoch"

    Was ist eigentlich "hoch"?

    Die Zahlen der Verkehrstoten sinken kontinuierlich seit mehreren Jahrzehnten.

    Vor 2019 waren es stehts über 3.000, vor 2009 mehr als 4.000 bzw. 5.000.

    Im Jahr 1970 gab es unvorstellbare 19.193 Verkehrstote.

    Die Zahl der Verkehrstoten ist seit 2019 eigentlich so niedrig wie nie zuvor.

    Und das bei deutlich mehr Verkehr und Eunwohnern.

    Ja, jeder Tote ist einer zuviel.

    "Dass die Zahlen seit einigen Jahren stagnieren, wird offenbar schon als Erfolg gewertet "

    Vermutlich.

    Wenn die Zahlen sich auf einem - in Relation zu den vorangegangenen Jahrzehnten - niedrigen Niveau stabil einpendeln, ist diese Sichtweise nicht völlig absurd,

    Natürlich kann man auch eine andere Sichtweise begründen.

    Dennoch fühle ich mich von diesem Artikel aufgrund des Framings in der Überschrift in die Irre geführt.

    • @rero:

      Es gibt die "Vision Zero". Das ist ein Programm der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie, den privaten Unfallversicherern ... Das heißt, man muss sich je näher man dem Ziel ist um so mehr anstrengen das Ziel zu erreichen, da die Entwicklungskurve ( Ertrag/Aufwand) an den Enden asymptotisch verläuft . Wenn man sich beim derzeitigen Stand abfindet würde es rückwärts gehen. Es gibt Betriebe ohne Betriebs- und Wegefälle , das ist aber Arbeit.

      • @Hans - Friedrich Bär:

        Ja nur hat der Staat auch noch andere Sachen zu tun und finanzieren. Man kann die derzeitige Zahl vielleicht noch halbieren aber danach wird es schwierig ohne extremen Aufwand der in keinem Verhältnis steht. Manche Menschen werden sich immer im Verkehr selbst zu Tode bringen oder andere.

  • Vielleicht liefert die taz zu diesem Meinungsartikel ja noch einen Sachartikel nach. Es wäre interessant eine Auswertung zu Unfallursachen zu erhalten. Dass alle zu Fuß gehen oder Radeln sollen klingt ja nett, aber ist ja kein echter Diskussionsbeitrag zum Thema Verkehr und Transport.

    • @Jens Köster:

      Wer weiß ?

      Ich habe zufälig " High and Mighty" gefunden:

      Dort steht:



      "It is polemical in tone but develops its arguments with references. Specifically, it notes that the SUV is the car of choice for many of the nation's most self-centered people; and the bigger the SUV, the less gracious its owner is likely to be."

      "The bigger the SUV and the less gracious its owner is likely to be." Ist doch brillant formuliert.

      "Alles muss man selbst machen" ist bei Genossenschaften (TAZ) halt Geschäftsprinzip.

      en.wikipedia.org/w..._and_Mighty_(book)