Verteidigungsminister Pistorius: Wehrdienstgesetz soll Hintertürchen für Wehrpflicht bekommen
Die Bundeswehr will mehr Leute, aber viele SPD-Politiker wollen keine Wehrpflicht. Ihr Verteidigungsminister will sie im Wehrdienstgesetz verankern.

Das Wehrdienstgesetz und vor allem eine Wehrpflicht wird in der SPD trotz der Bedrohung durch Russland teils kritisch gesehen. SPD-Fraktionschef Matthias Miersch hatte gesagt, man könne über eine Pflicht frühestens in der nächsten Wahlperiode reden. Die Sozialdemokraten treffen sich am kommenden Wochenende zum Parteitag. Allerdings hat auch der SPD-Vorsitzende und Vizekanzler Lars Klingbeil zuletzt Vorbereitungen für eine etwaige Wiederaufnahme der Wehrpflicht gefordert.
Pistorius will zunächst die Bundeswehr attraktiver für Freiwillige machen und den Jahrgang der 18-Jährigen anschreiben. Männer müssen antworten, Frauen können. Damit hofft man zunächst so viele Rekruten zu gewinnen, wie die Bundeswehr derzeit ausbilden und vor allem in Kasernen unterbringen kann. Derzeit sind es etwa 15.000, die Zahl soll aber schnell stark wachsen.
Pistorius will die stehenden Streitkräfte von derzeit gut 180.000 auf 250.000 bis 260.000 aufstocken. Zudem sollen 200.000 Reservisten zur Verfügung stehen, derzeit sind es allenfalls die Hälfte. Hier soll der Wehrdienst ansetzen, um die übrigen 100.000 über ausgebildete Rekruten zu finden. Dabei muss berücksichtigt werden, dass die Bundeswehr wegen Überalterung ständig Soldaten und Reservisten verliert.
Schwedisches Modell als Vorbild
Um die Ausbildungskapazitäten zu steigern, will die Bundeswehr den Bau von neuen Unterkünften schnell voranbringen. Pistorius sagte, wenn dann die Zahl der Plätze in den Kasernen größer sei als der Freiwilligen, könne auch die Wehrpflicht greifen: „Dann ist genau der Punkt, einen solchen Mechanismus von Kabinett und Parlament in Gang setzen zu lassen, und zwar schnell, damit wir auf Teilverpflichtung von Teiljahrgängen zugreifen können.“
Im Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD war keine Rede von einer Wehrpflicht. Dort hieß es: „Wir schaffen einen neuen attraktiven Wehrdienst, der zunächst auf Freiwilligkeit basiert.“ Man wolle sich am schwedischen Wehrdienstmodell orientieren, aber werde auch „noch in diesem Jahr die Voraussetzungen für eine Wehrerfassung und Wehrüberwachung schaffen“. Beim schwedischen Modell sind alle Jugendlichen eines Jahrgangs verpflichtet, einen Fragebogen auszufüllen – so ähnlich also, wie es nun auch Pistorius plant. In Schweden entscheidet die Armee dann, wen sie zur Musterung einlädt. Von den Gemusterten muss wiederum nur ein kleiner Teil dann tatsächlich den Dienst antreten.
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