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Einsparungen im HaushaltWahlhilfe für die AfD

Anja Krüger
Kommentar von Anja Krüger

Milliarden fürs Militär, Kürzungen beim Sozialen: Mit diesen Prioritäten beim Haushalt wird die Bundesregierung die Stimmung nicht verbessern.

Haushaltsentwurf 2025: Lars Klingbeil (SPD), Bundesminister der Finanzen, Vizekanzler und SPD-Bundesvorsitzender, ist zufrieden Foto: Kay Nietfeld/dpa

D er neue Bundeshaushalt wird einer der Superlative: so hohe Investitionen wie nie, so hohe Militärausgaben wie nie, so viele Schulden wie nie. Und daran gemessen leider auch: so wenig soziale Gerechtigkeit wie nie.

Mit seinem gerade vorgelegten Etatentwurf plant Finanzminister Lars Klingbeil (SPD), jährlich dreistellige Milliardenbeträge in die Modernisierung der Infrastruktur und ins Militär zu stecken. Das ist nur mit Schulden zu finanzieren – über 140 Milliarden Euro allein in diesem Jahr, fast 850 Milliarden bis 2029. Das ist viel Geld. Aber: Im internationalen Vergleich sind Schulden in dieser Höhe keineswegs ungewöhnlich. Die USA, Frankreich, Kanada oder Japan haben viel höhere Schuldenquoten als Deutschland. Hier gibt es keinen Anlass zur Sorge.

An anderer Stelle aber durchaus. Der von CDU, CSU und SPD entworfene Haushalt schwächt den gesellschaftlichen Zusammenhalt, statt ihn zu stärken. Die Wahlergebnisse der AfD sind auch das Resultat einer großen Staatsenttäuschung – eines Staats, der sich in den Augen vieler Bür­ge­r:in­nen zu wenig um ihre Angelegenheiten kümmert und sie zu oft mit Problemen alleinlässt. Das sorgt für eine latent aggressive Stimmung.

Das Klimageld spielt überhaupt keine Rolle mehr

Nachdem deutsche Regierungen über viele Jahre erzählt haben, für dieses oder jenes sei bei aller Wichtigkeit leider, leider kein Geld da, jongliert Schwarz-Rot jetzt mit schwindelerregenden Beträgen. Aber: Wer gehofft hat, durch das kreditfinanzierte „Sondervermögen“ in Höhe von 500 Milliarden Euro und die Aufgabe der Schuldenbremse für Militärausgaben werde auch der Weg zu einer stärkeren Sozialpolitik geebnet, wird enttäuscht.

Klingbeil brüstet sich, dass er Ausgabenwünsche in zweistelliger Milliardenhöhe aus den Ministerien abgewehrt habe. Aber was ist die Folge? Der Gesundheits­etat soll beispielsweise sogar leicht gekürzt werden. Doch die vorgesehenen Mittel für die Krankenkassen werden nicht reichen, um die finanziellen Lücken zu füllen. Die Konsequenz: höhere Beiträge – eine schwere Last für Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen.

Dabei brauchen diese Haushalte dringend Entlastungen. Viele leiden unter den Preissteigerungen der vergangenen Jahre. Ein Klimageld, womit die steigenden Kosten durch Maßnahmen wie die CO₂-Abgabeauf Sprit und Heizenergie teilweise ausgeglichen werden könnten, zieht die schwarz-rote Bundesregierung anders als die Ampel nicht einmal in Erwägung.

Kanzler Friedrich Merz hat bislang stattdessen auf das geplante Strompaket verwiesen. Ein Bluff, wie sich jetzt zeigt. Die Regierung wollte laut Koalitionsvertrag die Stromsteuer senken, um die Kosten für alle zu reduzieren. Jetzt stellt sich heraus: Die Steuer sinkt nur für Industrie und Landwirtschaft, nicht für Privatleute und kleine Betriebe. Trotz eines Haushalts der Superlative bricht die Regierung ein zentrales Entlastungsversprechen. Immerhin sollen Privatleute von niedrigeren Netzgebühren profitieren.

Die Wärme- und Verkehrswende leidet

Doch wenn zusätzlich die Stromsteuer sinkt, sparen Haushalte laut dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) 2,3 Cent pro Kilowattstunde. Für ein Einfamilienhaus wären das über 20 Jahre rund 1.800 Euro. Das wäre politisch klug. Denn je teurer der Strom, desto langsamer schreitet die Wärme- und Verkehrswende voran. Potenzielle Käu­fe­r:in­nen von klimafreundlichen Wärmepumpen oder E-Autos werden davon abgeschreckt. Wer hingegen mit fossilem Gas heizt, profitiert, weil der Staat künftig die sogenannte Gasspeicherumlage übernimmt. So kommt der klimagerechte Umbau nicht voran.

Das Geld für die Gasspeicherumlage stammt aus dem Klima- und Transformationsfonds, dessen Mittel einst für den klimagerechten Umbau und das Klimageld gedacht waren. Ab 2027 wird der CO₂-Preisaufgrund dann geltender neuer Regeln massiv steigen. Ohne eine soziale Flankierung wird das für Haushalte mit wenig Einkommen schwierig. Mit der Abfederung muss jetzt begonnen werden. Die Regierung tut es aber nicht. Dieses politische Versäumnis wird sich in den kommenden Jahren noch bitter rächen – und möglicherweise die Klimapolitik insgesamt hinweg­fegen, weil es keine Akzeptanz mehr dafür gibt.

Weiteren Be- und minimalen Entlastungen für Bür­ge­r:in­nen stehen nicht nur extreme Militärausgaben, sondern auch großzügige Steuergeschenke für Unternehmen gegenüber. Dieses Ungleichgewicht wird den gesellschaftlichen Unmut nicht beruhigen. Es ist eher eine Wahlhilfe für die AfD.

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Anja Krüger
Parlamentskorrespondentin
Schwerpunkte Wirtschaft- und Energiepolitik
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10 Kommentare

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  • Bleibt zu hoffen, dass die Leute merken, wer ihnen die Lebensgrundlage raubt und rauben möchte und dass sie dann links und nicht AfD wählen

  • Schon beim hastigen Durchwinken der Milliardenpakete im alten Bundestag war mir klamm zumute - ein besseres AfD-Konjunkturprgramm konnte die künftige Koalition (mit Stimmen der Grünen) sich nicht ausdenken.



    Noch bevor also der äußere Feind unter dem Brandenburger Tor steht, hat der im Inneren die Staatsgeschäfte übernommen.

  • Die SPD zeigt wieder einmal anschaulich, wie schnell sie das "S" vergisst, sobald die Wahlen gelaufen sind. Es ist und bleibt die Umfallerpartei.



    Null soziales Gewissen.



    Sofern bei dem Jusos noch vorhanden verliert es sich nach und nach.



    Dann stänkert man gemeinsam mit der CDU über die arbeitsscheuen Schmarotzer.



    Was für eine Heuchelpartei!

  • "Die Wahlergebnisse der AfD sind auch das Resultat einer großen Staatsenttäuschung – eines Staats, der sich in den Augen vieler Bür­ge­r:in­nen zu wenig um ihre Angelegenheiten kümmert und sie zu oft mit Problemen alleinlässt."



    Ich fürchte, die Sache ist eher umgekehrt: Sie sind Ausdruck einer Aversion gegen einen Staat, der sich immer mehr in ihre persönlichen Angelegenheiten einmischt.

  • Alle reichweitenstarken Medien lassen sich auf das Schwadronieren der Regierung und ihrer Parteien über Prioritäten bei den Ausgaben und Schulden im Staatshaushalt ein. Sie lenken damit erfolgreich von den Mängeln auf der Einnahmenseite ab (CO2-Bepreisung, Steuersenkungen für Reiche, Steuerhinterziehung, Dienstwagenprivileg, Pendlerpauschale, Kerosinsteuer, Verhinderung von Steuern auf Vermögen und Erbschaften von Superreichen und auf Finanztransaktionen usw.) Die taz mischt kräftig mit … und wähnt sich mit ihren Prioritäten (Gesundheit, Bildung, Klimageld, Strompreissenkung, Bürgergeld, Deutschlandticket, Mindestlohn, Energiewende usw.) auf der "guten" Seite. Bei JEDER dieser Diskussionen sollte die Beseitigung der genannten Mängel bei den Staatseinnahmen eingefordert werden.

    • @Siegfried Bogdanski:

      Absolut richtig und was meinste wieso es für die SPD dann keine zwingende Bedingung für die Regierungsbildung wie die erneuten Ausnahmen der Schuldenbremse waren? Klingelbeil saß ja bei Maischberger damals und schwadronierte davon die Finanzpolitik vorher klar zu kriegen,deswegen erst die Gespräche über die Schuldenbremse.

      Was hat denn deine Dagmar Schmidt damals dazu gesagt oder haste sie gar nicht gefragt? Ginge ja jetzt nachzuholen.

  • Danke für diesen Kommentar, der den Nagel auf den Kopf trifft.







    Die Mieten sind seit 2015 in Großstädten um 50 Prozent gestiegen, mittlerweile sind sie flächdeckend zu hoch, was Bundesbauministerin Hubig einfach ignoriert.



    Der Mietertag fordert gesetzlich festzulegen, dass Mieten nur um 1 Prozent steigen dürfen. Riesige Milliarden-Summen wären nötig, um den sozialen Wohnungsbau klar Schiff zu kriegen. Trotz Neubaus fallen zu viele Sozialwohungen aus der Sozialbindung. Und das seit Jahren! Mieter sind vollkommen ungeschützt, was kriminelle Tricks der Vermieter und Spekulanten angeht.

    Der SPD soziale Wohnungsbau ist nichts anders als ein große Lüge!

    Genauso die Situation an Brennpunktschulen bundesweit, dazu kommen die desolaten Schulgebäude und Kommunen, die in Schulden ersticken, Einzelhandelsgeschäfte gehen aufgrund Amazon und Co zu Tausenden Pleite.



    Zieht man unter Missständen - keine Besteuerung Reicher, Preisanstieg und eine Rüstungsindustrie, die Einblick in ihr Riesengeschäft verweigert, einen Querstrich, kommt "Milliarden fürs Militär, Kürzungen beim Sozialen" heraus.

    Die Wut auf die SPD und ihren rechten Klingbeil-Kurs, wer spricht sie auf dem SPD-Parteitag aus?

  • "... Für ein Einfamilienhaus wären das über 20 Jahre rund 1.800 Euro. ..." Eine Strompreis- und Steuersatzprognose über 20 Jahre. Gewagt, da macht man sich gleich Gedanken, wie man die rechnerischer 7,50€ im Monat verpasst.

  • Kürzungen im Sozialbereich als Wahlhilfe für die Afd zu bezeichnen entbehrt jeder Grundlage - seit Gründung dieses Vereins ist der Sozialetat Deutschlands um etwa 50% gewachsen, ohne dass es der Afd in irgend einer Form geschadet hätte...

  • Warum all dies nun "Wahlhilfe für die AfD" sein soll, ist nicht nachvollziehbar. Oder unterstellt die Autorin, die AfD wäre im Sozialen besser aufgestellt? Man kann derlei auch herbeireden . Stichwort: "selbst erfüllende Prophezeiung". Zum x-ten Male: es sind eben nicht die "Abgehängten", die zur AfD tendieren, sondern genau wie schon vor 100 Jahren die wildgewordenen Kleinbürger.