Einsparungen im Haushalt: Wahlhilfe für die AfD
Milliarden fürs Militär, Kürzungen beim Sozialen: Mit diesen Prioritäten beim Haushalt wird die Bundesregierung die Stimmung nicht verbessern.

D er neue Bundeshaushalt wird einer der Superlative: so hohe Investitionen wie nie, so hohe Militärausgaben wie nie, so viele Schulden wie nie. Und daran gemessen leider auch: so wenig soziale Gerechtigkeit wie nie.
Mit seinem gerade vorgelegten Etatentwurf plant Finanzminister Lars Klingbeil (SPD), jährlich dreistellige Milliardenbeträge in die Modernisierung der Infrastruktur und ins Militär zu stecken. Das ist nur mit Schulden zu finanzieren – über 140 Milliarden Euro allein in diesem Jahr, fast 850 Milliarden bis 2029. Das ist viel Geld. Aber: Im internationalen Vergleich sind Schulden in dieser Höhe keineswegs ungewöhnlich. Die USA, Frankreich, Kanada oder Japan haben viel höhere Schuldenquoten als Deutschland. Hier gibt es keinen Anlass zur Sorge.
An anderer Stelle aber durchaus. Der von CDU, CSU und SPD entworfene Haushalt schwächt den gesellschaftlichen Zusammenhalt, statt ihn zu stärken. Die Wahlergebnisse der AfD sind auch das Resultat einer großen Staatsenttäuschung – eines Staats, der sich in den Augen vieler Bürger:innen zu wenig um ihre Angelegenheiten kümmert und sie zu oft mit Problemen alleinlässt. Das sorgt für eine latent aggressive Stimmung.
Das Klimageld spielt überhaupt keine Rolle mehr
Nachdem deutsche Regierungen über viele Jahre erzählt haben, für dieses oder jenes sei bei aller Wichtigkeit leider, leider kein Geld da, jongliert Schwarz-Rot jetzt mit schwindelerregenden Beträgen. Aber: Wer gehofft hat, durch das kreditfinanzierte „Sondervermögen“ in Höhe von 500 Milliarden Euro und die Aufgabe der Schuldenbremse für Militärausgaben werde auch der Weg zu einer stärkeren Sozialpolitik geebnet, wird enttäuscht.
Klingbeil brüstet sich, dass er Ausgabenwünsche in zweistelliger Milliardenhöhe aus den Ministerien abgewehrt habe. Aber was ist die Folge? Der Gesundheitsetat soll beispielsweise sogar leicht gekürzt werden. Doch die vorgesehenen Mittel für die Krankenkassen werden nicht reichen, um die finanziellen Lücken zu füllen. Die Konsequenz: höhere Beiträge – eine schwere Last für Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen.
Dabei brauchen diese Haushalte dringend Entlastungen. Viele leiden unter den Preissteigerungen der vergangenen Jahre. Ein Klimageld, womit die steigenden Kosten durch Maßnahmen wie die CO₂-Abgabeauf Sprit und Heizenergie teilweise ausgeglichen werden könnten, zieht die schwarz-rote Bundesregierung anders als die Ampel nicht einmal in Erwägung.
Kanzler Friedrich Merz hat bislang stattdessen auf das geplante Strompaket verwiesen. Ein Bluff, wie sich jetzt zeigt. Die Regierung wollte laut Koalitionsvertrag die Stromsteuer senken, um die Kosten für alle zu reduzieren. Jetzt stellt sich heraus: Die Steuer sinkt nur für Industrie und Landwirtschaft, nicht für Privatleute und kleine Betriebe. Trotz eines Haushalts der Superlative bricht die Regierung ein zentrales Entlastungsversprechen. Immerhin sollen Privatleute von niedrigeren Netzgebühren profitieren.
Die Wärme- und Verkehrswende leidet
Doch wenn zusätzlich die Stromsteuer sinkt, sparen Haushalte laut dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) 2,3 Cent pro Kilowattstunde. Für ein Einfamilienhaus wären das über 20 Jahre rund 1.800 Euro. Das wäre politisch klug. Denn je teurer der Strom, desto langsamer schreitet die Wärme- und Verkehrswende voran. Potenzielle Käufer:innen von klimafreundlichen Wärmepumpen oder E-Autos werden davon abgeschreckt. Wer hingegen mit fossilem Gas heizt, profitiert, weil der Staat künftig die sogenannte Gasspeicherumlage übernimmt. So kommt der klimagerechte Umbau nicht voran.
Das Geld für die Gasspeicherumlage stammt aus dem Klima- und Transformationsfonds, dessen Mittel einst für den klimagerechten Umbau und das Klimageld gedacht waren. Ab 2027 wird der CO₂-Preisaufgrund dann geltender neuer Regeln massiv steigen. Ohne eine soziale Flankierung wird das für Haushalte mit wenig Einkommen schwierig. Mit der Abfederung muss jetzt begonnen werden. Die Regierung tut es aber nicht. Dieses politische Versäumnis wird sich in den kommenden Jahren noch bitter rächen – und möglicherweise die Klimapolitik insgesamt hinwegfegen, weil es keine Akzeptanz mehr dafür gibt.
Weiteren Be- und minimalen Entlastungen für Bürger:innen stehen nicht nur extreme Militärausgaben, sondern auch großzügige Steuergeschenke für Unternehmen gegenüber. Dieses Ungleichgewicht wird den gesellschaftlichen Unmut nicht beruhigen. Es ist eher eine Wahlhilfe für die AfD.
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