Verhandlungen mit den Grünen: Und was ist mit dem Klima?
Klimaexperten kritisieren das Sondierungsergebnis von SPD und Union. Kann Merz die Grünen trotzdem überzeugen, dem Sondervermögen zuzustimmen?

Das K-Wort kam nicht vor, der Klimaschutz spielte erst auf Nachfrage eine Rolle, als die Spitzen von CDU, CSU und SPD am Samstag ihre Ergebnisse vorstellten. Im Sondierungspapier findet sich das Thema nur am Rande.
Offiziell bekennt sich Schwarz-Rot zwar zu den europäischen Klimaschutzzielen. Wie diese erreicht werden sollen, lässt ihr Papier aber offen. Der Nachsatz, dass Klimaschutz ein global zu bekämpfendes Problem sei, lässt sich als Relativierung lesen – zumal die USA bereits angekündigt haben, aus dem Pariser Abkommen auszusteigen.
Die Ankündigung der Sondierer dagegen, den Strompreis unter anderem durch günstigere Netzentgelte zu senken, haben die meisten Klimaexpert:innen begrüßt. Dadurch sollen Gebäude, Verkehr und Industrie schneller elektrifiziert und der Umstieg auf erneuerbare Energien beschleunigt werden. Allerdings enthält das Sondierungspapier auch klimaschädliche Pläne: Die Pendlerpauschale soll erhöht werden und Bauern sollen billigen Diesel bekommen. Auf die Fortführung des Deutschlandtickets wollte man sich nicht festlegen. Wie aus einem Wünsch-dir-was der Energiepolitik klingt der Satz, man wolle den ersten Kernfusionsreaktor der Welt bauen.
Am Sonntag kündigte Friedrich Merz dann an, man werde den Grünen „Angebote“ machen, damit diese – im alten Bundestag – der geplanten Grundgesetzänderung zustimmen, die Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben zu reformieren und ein Sondervermögen Infrastruktur zu beschließen. „Wir werden natürlich Maßnahmen zum Klimaschutz aufnehmen“, sagte Merz werbend im Deutschlandfunk.
Mogelpackung Sondervermögen
Doch reicht das? „Von einer Zustimmung sind wir heute weiter entfernt als in den letzten Tagen“, sagte Grünen-Ko-Parteichef Felix Banaszak am Samstag. Das Dilemma seiner Partei: Mehr Geld für die Bundeswehr und ein Sondervermögen für Investitionen forderte sie im Wahlkampf selbst. Nun sind für Investitionen im Bund 40 Milliarden jährlich für zehn Jahre vorgesehen. Können die Grünen das ablehnen?
Kritiker:innen befürchten eine Mogelpackung: Falls die Koalition mit dem Sondervermögen ohnehin geplante Investitionen wie in Schienen oder Straßen finanziert, könnte Schwarz-Rot das so im Haushalt frei werdende Geld für seine Steuergeschenke nutzen: etwa die Mütterrente oder Erleichterungen für Gastwirte durch die Senkung der Mehrwertsteuer. Der Ökonom Florian Schuster-Johnson vom Thinktank „Dezernat Zukunft“ rechnet vor, dass die Pläne aus dem Sondierungspapier etwa 30 Milliarden Euro kosten dürften.
Unklar ist, was aus Subventionen für klimafreundliche Heizungen wird, die bisher aus dem Klimatransformationsfonds bezahlt werden. Dieser droht im Sommer ausgeschöpft zu sein. Zum Heizungsgesetz, das die Union im Wahlkampf abschaffen wollte, findet sich im Sondierungspapier kein Wort.
Michael Schäfer von der Organisation „German Zero“ kritisiert das Vorgehen als leichtfertig. „Das sieht mir aus wie ein großes Spiel“, sagte der Klimaexperte der taz. Er vermutet: Die Sondierer hätten das Klima bewusst nicht erwähnt, um den Grünen in den kommenden Tagen die Möglichkeit zu lassen, diese hineinzuverhandeln – und das dann als Erfolg darzustellen. Dabei seien Investitionen in die Klimapolitik genauso dringend wie in die Verteidigung. Merz müsse jetzt das Pariser Klimaabkommen retten, so wie Merkel dies in Trumps erster Amtszeit tat. Dafür müsse Deutschland aber seine Klimaziele erreichen.
Zweidrittelmehrheit im Bundestag ist knapp
German Zero fordert ein Sondervermögen Klimaschutz in Höhe von 2 Prozent des BIP, was circa 85 Milliarden Euro wären. Dies orientiert sich an Zahlen des Expertenrats für Klimafragen der Bundesregierung. Das wenige Geld, das im Sondervermögen Infrastruktur für Klimaschutz bleibe, reiche längst nicht aus, so Schäfer. Zudem müsse der Klimaschutz als Gemeinschaftsaufgabe ins Grundgesetz, so wie der Küstenschutz. Dann könnte der Bund in Zukunft Kosten für die Anpassung an die Klimakrise bezahlen, die vor allem bei den Kommunen entstehen.
Sollten die Grünen sich mit dem Angebot von Merz zufriedengeben, kursiert in der Klimaschutzszene bereits ein Plan: Vor der Abstimmung im Bundestag sollen gezielt jene Abgeordneten, die nicht dem neuen Parlament angehören werden, überzeugt werden, die Grundgesetzänderung abzulehnen: Das sind 333, darunter viele von SPD und Grünen. Sie, so das Kalkül, hätten wenig zu verlieren. Aber auch Unionsabgeordnete könnten die Haushaltspläne und die geplanten Steuergeschenke ablehnen. Besonders komfortabel ist die Zweidrittelmehrheit für eine Abstimmung nicht. Union, SPD und Grüne haben zusammen nur 32 Stimmen mehr, als sie benötigen.
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