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Verhandlungen mit den GrünenUnd was ist mit dem Klima?

Klimaexperten kritisieren das Sondierungsergebnis von SPD und Union. Kann Merz die Grünen trotzdem überzeugen, dem Sondervermögen zuzustimmen?

Friedrich Merz hat schon mal im Oktober geübt, mit dem Grünen zu sprechen. Hier im Bild mit Britta Haßelmann Foto: dts Nachrichtenagentur

Das K-Wort kam nicht vor, der Klimaschutz spielte erst auf Nachfrage eine Rolle, als die Spitzen von CDU, CSU und SPD am Samstag ihre Ergebnisse vorstellten. Im Sondierungspapier findet sich das Thema nur am Rande.

Offiziell bekennt sich Schwarz-Rot zwar zu den europäischen Klimaschutzzielen. Wie diese erreicht werden sollen, lässt ihr Papier aber offen. Der Nachsatz, dass Klimaschutz ein global zu bekämpfendes Problem sei, lässt sich als Relativierung lesen – zumal die USA bereits angekündigt haben, aus dem Pariser Abkommen auszusteigen.

Die Ankündigung der Sondierer dagegen, den Strompreis unter anderem durch günstigere Netzentgelte zu senken, haben die meisten Kli­ma­ex­per­t:in­nen begrüßt. Dadurch sollen Gebäude, Verkehr und Industrie schneller elektrifiziert und der Umstieg auf erneuerbare Energien beschleunigt werden. Allerdings enthält das Sondierungspapier auch klimaschädliche Pläne: Die Pendlerpauschale soll erhöht werden und Bauern sollen billigen Diesel bekommen. Auf die Fortführung des Deutschlandtickets wollte man sich nicht festlegen. Wie aus einem Wünsch-dir-was der Energiepolitik klingt der Satz, man wolle den ersten Kernfusionsreaktor der Welt bauen.

Am Sonntag kündigte Friedrich Merz dann an, man werde den Grünen „Angebote“ machen, damit diese – im alten Bundestag – der geplanten Grundgesetzänderung zustimmen, die Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben zu reformieren und ein Sondervermögen Infrastruktur zu beschließen. „Wir werden natürlich Maßnahmen zum Klimaschutz aufnehmen“, sagte Merz werbend im Deutschlandfunk.

Mogelpackung Sondervermögen

Doch reicht das? „Von einer Zustimmung sind wir heute weiter entfernt als in den letzten Tagen“, sagte Grünen-Ko-Parteichef Felix Banaszak am Samstag. Das Dilemma seiner Partei: Mehr Geld für die Bundeswehr und ein Sondervermögen für Investitionen forderte sie im Wahlkampf selbst. Nun sind für Investitionen im Bund 40 Milliarden jährlich für zehn Jahre vorgesehen. Können die Grünen das ablehnen?

Kri­ti­ke­r:in­nen befürchten eine Mogelpackung: Falls die Koalition mit dem Sondervermögen ohnehin geplante Investitionen wie in Schienen oder Straßen finanziert, könnte Schwarz-Rot das so im Haushalt frei werdende Geld für seine Steuergeschenke nutzen: etwa die Mütterrente oder Erleichterungen für Gastwirte durch die Senkung der Mehrwertsteuer. Der Ökonom Florian Schuster-Johnson vom Thinktank „Dezernat Zukunft“ rechnet vor, dass die Pläne aus dem Sondierungspapier etwa 30 Milliarden Euro kosten dürften.

Unklar ist, was aus Subventionen für klimafreundliche Heizungen wird, die bisher aus dem Klimatransformationsfonds bezahlt werden. Dieser droht im Sommer ausgeschöpft zu sein. Zum Heizungsgesetz, das die Union im Wahlkampf abschaffen wollte, findet sich im Sondierungspapier kein Wort.

Michael Schäfer von der Organisation „German Zero“ kritisiert das Vorgehen als leichtfertig. „Das sieht mir aus wie ein großes Spiel“, sagte der Klimaexperte der taz. Er vermutet: Die Sondierer hätten das Klima bewusst nicht erwähnt, um den Grünen in den kommenden Tagen die Möglichkeit zu lassen, diese hineinzuverhandeln – und das dann als Erfolg darzustellen. Dabei seien Investitionen in die Klimapolitik genauso dringend wie in die Verteidigung. Merz müsse jetzt das Pariser Klimaabkommen retten, so wie Merkel dies in Trumps erster Amtszeit tat. Dafür müsse Deutschland aber seine Klimaziele erreichen.

Zweidrittelmehrheit im Bundestag ist knapp

German Zero fordert ein Sondervermögen Klimaschutz in Höhe von 2 Prozent des BIP, was circa 85 Milliarden Euro wären. Dies orientiert sich an Zahlen des Expertenrats für Klimafragen der Bundesregierung. Das wenige Geld, das im Sondervermögen Infrastruktur für Klimaschutz bleibe, reiche längst nicht aus, so Schäfer. Zudem müsse der Klimaschutz als Gemeinschaftsaufgabe ins Grundgesetz, so wie der Küstenschutz. Dann könnte der Bund in Zukunft Kosten für die Anpassung an die Klimakrise bezahlen, die vor allem bei den Kommunen entstehen.

Sollten die Grünen sich mit dem Angebot von Merz zufriedengeben, kursiert in der Klimaschutzszene bereits ein Plan: Vor der Abstimmung im Bundestag sollen gezielt jene Abgeordneten, die nicht dem neuen Parlament angehören werden, überzeugt werden, die Grundgesetzänderung abzulehnen: Das sind 333, darunter viele von SPD und Grünen. Sie, so das Kalkül, hätten wenig zu verlieren. Aber auch Unionsabgeordnete könnten die Haushaltspläne und die geplanten Steuergeschenke ablehnen. Besonders komfortabel ist die Zweidrittelmehrheit für eine Abstimmung nicht. Union, SPD und Grüne haben zusammen nur 32 Stimmen mehr, als sie benötigen.

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8 Kommentare

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  • ". Das Dilemma seiner Partei: Mehr Geld für die Bundeswehr und ein Sondervermögen für Investitionen forderte sie im Wahlkampf selbst. Nun sind für Investitionen im Bund 40 Milliarden jährlich für zehn Jahre vorgesehen. Können die Grünen das ablehnen?" Wo ist das Dilemma, wenn die anderen plötzlich das wollen, was man selbst immer wollte?

  • Tja, nun rächt sich, dass die CDU aus wahltaktischen Gründen die Schuldenbremse nicht rechtzeitig zu reformieren half.



    Es war so klar, dass die Grünen, obwohl abgewählt mit Mann und Maus und ohne Machtoption, jetzt dennoch auf "dicke Hose" machen und die neue Regierung, noch nicht an der Macht, schon mal massiv unter Druck setzen. Aber bitte...



    Bei der Aussicht, dass die kommenden Schulden wieder für allerlei Konsumausgaben verwendet werden und sich alle demokratischen Parteien doch wieder um sich selbst bzw. ausschließlich ihr Klientel kümmern, wäre im Gegensatz dazu ein knallharter Sparhaushalt mit Schuldenbremse (Konzentration auf die zentralen Themen Verteidigung, Infrastruktur, Wirtschaft und Energie) vorzuziehen gewesen.



    Aber die Hoffnung, dass sie sich angesichts wirklich, wirklich drängender Probleme einmal zusammenreißen, stirbt zuletzt.

  • 》Falls die Koalition mit dem Sondervermögen ohnehin geplante Investitionen wie in Schienen oder Straßen finanziert《



    .



    Das wär's noch: die Grünen stimmen zu, und mit dem Geld baut Schwarz-Rot dann Autobahnen (aus)



    .



    Und Gelb (dann ist die Deutschlandfahne komplett), Porsche-Lindner regiert quasi als Untoter weiter mit...

  • Nach dem faulen Kompromiss zum Thema Autobahnausbau schrieb hier im Forum jemand sehr treffend: "da hätten dann wohl gerade Millionen von Grünwähler❤️innen ihre poltische Heimat verloren".







    Für die Grünen heißt es jetzt, sich von ihrer Regierungsbeteiligung zu verabschieden und in ihrer Oppositionsrolle anzukommen. Worin eine große Chance liegt, endlich wieder mehr Rückgrat zu zeigen und für ihre ureigenen Ziele mit aller Konsequenz einzustehen.







    Das sog. Sondervermögen ist vor allem eine nicht-nachhaltige Mogelpackung, mit der die cdU ihr Klientel bedienen will.



    Es geht aber um etwas Größeres, nämlich um die sehr grundsätzliche Frage wie man dieses Land langfristig aufstellt und fit macht für die immensen Herausforforderungen der Zukunft. Da reicht ein kurzfristiges Ertüchtigen der Infrastruktur nicht aus. Vielmehr geht es darum die Realitäten anzuerkennen (besonders der Klimadynamik) und diese auf gerechte Weise zu adressieren..sprich: um auch um Verteilungsfragen..und da fehlt der Koaltion in spe offenbar der Mut.







    Liebe Grüne findet zu eurer *Seele* zurück..fordert eine echte Transformation der Schuldenbremse ein..und laßt euch bitte nicht wieder über den Tisch ziehen.!!

  • Merz will Kanzler werden. Unbedingt! Dafür scheint der alles durchzuziehen, Hauptsache er kriegt sein Konterfei ins Kanzleramt.



    Preis dafür muss von Grün hochgetrieben werden, auch wenn es für uns alle extrem teuer wird. Da wird jetzt mit Geld jedes Problem zugekleistert. Unfassbar!!!



    Aber beim Klima.... da bitte keine Kompromisse. Also machen!

  • Bei diesen 'Verhandlungen' haben die Grünen nichts zu verlieren als ihren integren Ruf. Wir konnten uns immer auf die Leute bei den Grünen verlassen. Besonders in Situationen, in denen wir selbst nicht gerne in der Rolle des Entscheidungsträgers oder der Entscheidungsträgerin gesteckt hätten, haben sie eine Top Job gemacht. Liebe Freunde und Freundinnen von den Grünen, setzt das alles nicht aufs Spiel, gebt all diesen Söders nicht auf Kosten unserer Kinder und Enkel den finanziellen Freibrief zum Einlösen ihrer merkwürdigen Wahlkampfversprechen.



    Vielleicht auch ein Appell an die SPD Basis: Habt Ihr Euch im Wahlkampf dafür ins Zeug gelegt, dass Eure guten Leute in Berlin jetzt den den 'Merz-Wahlverein' geben müssen? Für das 'Gruselkabinett', das sich hier andeutet, sind Eure Leute zu schade.

  • Wir retten in Sachen Klima nichts wegen einer unterkomplex wahrgenommenen Parteipolitik, sondern aus dem drohenden oder latenten Klima-Notstand heraus, ist das nicht zu begreifen? Bitte jetzt mal mit Wumms!



    Aber es werden aktuell alle gängigen und bekannten Argumente oder auch Vorurteile gegen die Führung alter weißer Männer mit optimaler Vernetzung in der Finanz-Wirtschaft in der Zeit des Klima-GAUs genährt.



    /



    Olle Kamelle:



    "Gelbspan zeigt zahlreiche Täuschungsmanöver der internationalen Kohle- und Erdölindustrie auf: Mit Investitionssummen in Millionenhöhe versucht sie, der Öffentlichkeit glaubhaft zu machen, daß die globale Klimaerwärmung bloß ein von Katastrophenwissenschaftlern heraufbeschworenes Problem ist. Der Autor analysiert auch diesen Konflikt zwischen den Klimawissenschaftlern und den Vertretern der Wirtschaft, durchleuchtet die Lobbystrukturen der Klimaskeptiker und weist diese Strukturen klar anhand einschlägiger Beispiele nach."



    Quelle germanwatch.de



    Vielleicht denken einige Abgeordnete über ihr Erbe nach, ich dachte spontan an Otto Wels.



    www.fes.de/adsd50/otto-wels



    Der Preis war damals unmenschlich hoch, daher mein Respekt vor einer persönl. Entscheidung.