Grüne nach der Wahl: Fünf sind eine zu viel
Die Grünen sammeln sich in der Opposition und sortieren das Personal. Klar ist: Robert Habeck geht. Aber Annalena Baerbocks Zukunft bleibt offen.
Hilft aber nichts. Habeck hat seine Entscheidung getroffen, nach der Wahlniederlage kein Spitzenamt mehr anzustreben. Offen lässt er nur noch, ob er sein Bundestagsmandat behält. Die Fraktion versucht nicht, ihn umzustimmen: Es sei zu respektieren, dass Habeck selbst entscheidet, was er macht, sagte Fraktionschefin Britta Haßelmann am Dienstag vor einer Sitzung mit ausgeschiedenen, wiedergewählten und neuen Grünen-Abgeordneten.
Bleibt nur noch zu klären, was aus Annalena Baerbock wird, wenn die neue Regierung im Amt ist und sie das Außenministerium verlassen hat. Anders als Habeck hat sie nicht angekündigt, sich aus der ersten Reihen zurückzuziehen. In der Opposition haben die Grünen aber nur wenige Spitzenjobs zu vergeben.
An Parteichefin Franziska Brantner wird aus dem linken Parteiflügel zwar Kritik gestreut, sie und ihr Co-Vorsitzender Felix Banaszak wurden aber erst im Herbst für zwei Jahre gewählt. Sie haben schon bekundet, nicht weichen zu wollen. Neu gewählt wird zu Beginn der Legislatur nur der Fraktionsvorsitz. Erst soll am Mittwoch das bisherige Führungsduo Katharina Dröge und Britta Haßelmann kommissarisch bestätigt werden. In einigen Wochen wird dann noch mal für eine Amtszeit von zwei Jahren gewählt.
Beide Flügel befriedigen
Die Spitze wird für gewöhnlich flügelparitätisch besetzt. Für die Realo-Vertreterin Baerbock müsste daher Haßelmann weichen. Diese will ihren Platz bisher aber auch nicht räumen – oder spricht es öffentlich zumindest noch nicht aus. Über Dröge und sich sagte sie am Dienstag: „Dass wir sehr gerne das Amt der Fraktionsvorsitzenden ausüben, ist Ihnen sicher nicht verborgen geblieben. Und dass es notwendig und gut ist, dass man mit der Führung einer Fraktion Erfahrungen gemacht hat, ist auch klar. Und wie leidenschaftlich gerne wir die Aufgabe machen, glaube ich auch.“ Alles Weitere kläre man in den nächsten Wochen.
Sollte es wirklich hart auf hart kommen, ist der Ausgang offen. Das Duo Dröge/Haßelmann wird unter Abgeordneten flügel-übergreifend geschätzt, nicht zuletzt wegen ihres integrativen Führungsstils. Baerbock hat neben Habeck zwar die größte Strahlkraft aller Grünen, könnte bei einer Kandidatur aber nicht auf den uneingeschränkten Rückhalt aus der Fraktion bauen: Im Wahlkampf trat sie als Vizespitzenkandidatin auf, ein kleinerer Teil der Verantwortung für die Wahlniederlage ist auch an ihr hängengeblieben.
Schuldenbremse, Sondervermögen, Militär
So viel zu den zentralen Personalfragen. Daneben sind für die Grünen jetzt auch inhaltliche Fragen zu klären. Die allgemeine Debatte über die Strategie für die nächsten Jahre wird sich noch länger hinziehen. Akuter ist die Frage, unter welchen Bedingungen die Grünen einer Verfassungsänderung zustimmen würden, die Friedrich Merz möglicherweise anstrebt, um hohe Kredite für Rüstungsprojekte aufzunehmen. Wegen der nötigen Zweidrittelmehrheit ist dieser Punkt vorerst der einzige, in dem ihnen in der Opposition etwas Macht bleibt.
Als die Ampel nach Beginn des Ukrainekriegs ein Sondervermögen einrichtete, wollten die Grünen es nicht auf Militärausgaben beschränken. Damals setzten sie sich nicht durch. Jetzt wollen sie offenbar standhafter auftreten. „Warum sollten wir […] ausschließlich für Verteidigung das Richtige tun?“, sagte Katharina Dröge am Dienstag. Investitionen brauche es auch in Bildung, Infrastruktur und Wirtschaft. Statt einer erneuten Ausnahme für Rüstung fordert sie eine generelle Reform der Schuldenbremse. „Das wäre der saubere Vorschlag“, so Dröge.
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