: Kein einziger Tropfen sauberes Wasser
Israel entzieht den Palästinensern in Gaza vorsätzlich das Wasser, heißt es in einem Bericht von Human Rights Watch. Dies sei eine genozidale Handlung
Von Julia Neumann
Der in eine Notunterkunft vertriebene Familienvater Tarek* musste schon mehrere Male Meerwasser trinken. „Wenn wir kein trinkbares Wasser finden, trinken wir das Meerwasser“, hatte der Palästinenser in Gaza im Dezember 2023 der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) erzählt.
Am Donnerstag hat die NGO ihren Bericht unter dem Titel „Vernichtung und Handlungen des Genozids“ veröffentlicht. Darin kommen sie zu dem Schluss: Die Bevölkerung in Gaza wird von Israel weitestgehend von Wasser, Treibstoff, Lebensmitteln und medizinischen Hilfsgütern abgeschnitten. Sie legten in dem Bericht einen besonderen Fokus auf die Wasserinfrastruktur. Diese wurde und wird, so der Bericht, vorsätzlich zerstört, genauso wie die dafür nötige Stromzufuhr. Reparaturen an beschädigten Wasser- und Abwasserinfrastrukturen würden von den israelischen Behörden verhindert.
Für den Bericht hat die Menschenrechtsorganisation mit 66 Palästinenser*innen in Gaza gesprochen, darunter Angestellte des Wasserversorgungsunternehmens, Ärzt*innen und Krankenpfleger*innen sowie Mitarbeitende internationaler Hilfsorganisationen. Eingeflossen sind außerdem von ihnen verifizierte Satellitenbilder, Fotos und Videos, die bis August 2024 aufgenommen wurden.
Ein Beispiel: Israelische Soldaten filmten sich im Juli, wie sie Sprengstoff an einem Wasserreservoir anbringen. Die folgende Explosion zerstörte das wichtige Reservoir, das Rafah im Süden mit Frischwasser versorgt hatte. Satellitenbilder zeigten Spuren von Planierraupen auf zerstörten großen Solaranalagen, die vier der sechs Kläranlagen in Gaza mit Strom versorgten. Israelische Bodentruppen hätten die Panele zerstört, so der Bericht. „Die Beweise deuten darauf hin, dass die Zerstörungen nicht zufällig bei Angriffen auf militärische Objekte erfolgten, sondern vielmehr vorsätzlich“, heißt es in dem Bericht.
Israelische Soldaten hätten auch Arbeiter angegriffen, die versuchten, kaputte Rohre zu reparieren. Die Koordinaten der Wassermitarbeiter seien dem israelischen Militär mitgeteilt worden, bevor sie zu den Reparaturarbeiten entsandt wurden, sagten Mitarbeiter des Wasserversorgers HRW.
Die NGO wirft Israel vor, Lieferungen von humanitärer Hilfe, einschließlich Treibstoff und lebenswichtigen Wasservorräten, zu blockieren. Israelische Behörden argumentieren, sie blockierten die Einfuhr von Gütern, die auch militärisch genutzt werden könnten. Viele der blockierten Güter seien aber eindeutig zivil, so HRW: Wassertrinkbehälter, Material für Wassertests oder mobile Wasserzapfanlagen. Die Blockadepolitik sei willkürlich, heißt es in dem Bericht: „Israels anhaltende Blockade des Gazastreifens sowie die seit mehr als 17 Jahren andauernde Abriegelung stellen eine kollektive Bestrafung der Zivilbevölkerung dar, ein Kriegsverbrechen.“
Die Anzeichen für einen möglichen Durchbruch in Sachen Geiseldeal und Waffenruhe in Gaza mehren sich. Am Mittwochnachmittag erklärte eine hochrangige Hamas-Quelle gegenüber katarischen Medien, dass die meisten strittigen Fragen bei den Verhandlungen mit Israel über den Waffenstillstand und das Geiselabkommen geklärt worden seien, darunter auch die komplizierten Fragen in Bezug auf die Freilassung palästinensischer Gefangener. Zuvor war CIA-Chef Bill Burns nach Doha aufgebrochen, um dort den katarischen Premier Mohammed bin Abdulrahman Al Thani zu treffen. Eine israelische Delegation befindet sich bereits in Katar.
Laut „Wall Street Journal“habe die Hamas von lange aufrechterhaltenen Forderungen abgelassen. Sie könnte nun einer Vereinbarung zustimmen, die keinen kompletten Abzug der israelischen Truppen aus Gaza vorsieht. Außerdem soll die Gruppe eine Liste der Namen von Geiseln übergeben haben, die sie im Rahmen eines Abkommens freilassen würden. Die Hamas hält noch rund 100 Geiseln in Gaza fest, über deren Schicksal nichts bekannt ist. Israelische Quellen hatten sich am Dienstag in israelischen Medien skeptischer geäußert. Es seien noch viele Hindernisse zu überwinden.
Mehrere Ärzt*innen sagten gegenüber HRW, dass sie mit verunreinigtem Wasser arbeiten müssten. Mindestens 97 Prozent des Grundwassers seien verunreinigt.
Ursache dafür ist unter anderem die Flutung von Tunneln mit Meerwasser durch das israelische Militär im Dezember und Januar. Die Tunnel soll die Hamas nach Angaben der israelischen Behörden für militärische Operationen genutzt haben.
HRW kommt zu dem Schluss, dass die Einschränkung der Versorgung mit Wasser, Strom und Treibstoff wahrscheinlich zu Tausenden Toten geführt hat. Noch mehr Menschen in Gaza, so HRW, würden in der Folge wohl einen „langsamen Tod“ sterben – auch nach dem Ende der Kampfhandlungen.
Gepaart mit den Äußerungen von israelischen Befehlshabern, die auf die Zerstörung der Palästinenser*innen in Gaza hindeuten, würden die Verhaltensmuster der vorsätzlichen Zerstörung auf eine „völkermörderische Absicht“ hinweisen. Die Handlungen erfüllten demnach den Straftatbestand des Genozids.
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