Innenminister zur Migrationspolitik: Härter, immer härter
Mehr Zurückweisungen und Abschiebungen: Auf der bevorstehenden Innenministerkonferenz soll erneut migrationspolitische Strenge demonstriert werden.
![Ein Flugzeug steht vor dem Gebäude des Hamburger Flughafens Ein Flugzeug steht vor dem Gebäude des Hamburger Flughafens](https://taz.de/picture/7394141/14/37151783-1.jpeg)
Der aktuelle Gastgeber der IMK, Brandenburgs Michael Stübgen (CDU), erklärte, die Geflüchtetenaufnahmen der vergangenen Jahre hätten die Systeme „bis an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit geführt“. Man müsse von Anfang an auf Zurückweisungen setzen, statt auf Ausweisungen. Hessens Roman Poseck (CDU) fordert eine „Trendwende in der Asylpolitik“, es brauche eine „spürbare Begrenzung“. Er hoffe sehr, dass die neue Bundesregierung „den Ernst der Lage erkennt und konsequent im Sinne unserer Sicherheit handelt“.
Auch Sachsens Innenminister Armin Schuster sagte der taz, „es kommt jetzt darauf an, den von der Bundesregierung in Wahrheit nie gewollten Kurswechsel in der Migrationspolitik endlich zu vollziehen. Dieses deutliche Signal muss von dieser Innenministerkonferenz ausgehen.“
In der Beschlussvorlage, die der taz vorliegt, heißt es, eine Begrenzung der Geflüchtetenzahlen sei „unabdingbar“. Das europäische Dublin-System wird als „dysfunktional“ bezeichnet. Wegen der hohen Zahl der Schutzsuchenden und der gekürzten Bundesmittel für Integration werde „eine ausreichende Integration immer schwieriger“. Die politische Stabilität hierzulande sei bereits „erheblich beeinträchtigt“.
Wieder Debatte um Zurückweisungen an der Grenze
Die Union-Innenminister*innen stellen gleich eine ganze Reihe an Forderungen. So sollten die bis März 2025 geltenden Grenzkontrollen verlängert werden, bis die EU-Außengrenzen „nachhaltig“ gesichert seien. Personen aus sicheren Drittländern müsse die Einreise verweigert werden – also praktisch fast allen. Asylanträge sollen generell abgelehnt werden, wenn Schutzsuchende „unrechtmäßig“ einreisten und sich nicht „unverzüglich“ bei Behörden anmeldeten.
Auch CDU-Spitzenkandidat Friedrich Merz vertrat offensiv die Forderung nach Zurückweisungen, äußerte sich zuletzt aber nicht mehr so vernehmbar – wohl auch, weil die rechtlichen Hürden hoch sind und Deutschlands Nachbarländer bereits erklärten, zurückgewiesene Geflüchtete nicht aufzunehmen. An der Frage waren im Herbst Gespräche mit der damaligen Ampelregierung über ein gemeinsames Sicherheitspaket gescheitert. Die Ampel verabschiedete Teile davon darauf allein – was der Union nicht genügte.
Die Unions-Innenminister*innen fordern nun auch deutlich mehr Abschiebungen. Hinweise auf Abschiebetermine, etwa über Apps, müssten „vereitelt“ werden. Auch die SPD ist offen dafür. Berlins SPD-Innensenatorin Iris Spranger will ebenso die Veröffentlichung von Rückführungsterminen „wirksam unterbinden und sanktionieren“.
Die Union fordert auch eine Meldepflicht für Ausreisepflichtige, deren Missachtung zur Streichung staatlicher Leistungen führen soll. Abzuschiebende sollen generell nur noch Leistungen „auf Existenzminimum“ erhalten. Rechtsmittel in Asylverfahren sollen „auf das verfassungsrechtlich zwingende Mindestmaß beschränkt“ werden.
„Sofortarrest“ und „Bundesausreisezentren“
Zudem sollen Überstellungsfristen in andere Länder, nach deren Ablauf Abschiebungen nicht mehr möglich sind, verlängert oder ganz aufgehoben werden. Der Ausreisegewahrsam von 28 Tagen soll ausgeweitet werden. Die Aufenthaltsdauer von Familien mit minderjährigen Kindern in Erstaufnahmestellen soll von sechs auf zwölf Monate verlängert werden, um Abschiebungen von dort zu erleichtern. Abgeschobene sollen längere Einreisesperren erhalten und für neue Visa erstmal ihre Abschiebekosten begleichen.
Die Union will auch einen „Sofortarrest“ für Straftäter und Gefährder ermöglichen. Ebenso wie „Bundesausreisezentren“, in denen schwere Straftäter oder Gefährder so lange untergebracht werden sollen, „bis sie freiwillig ausreisen“. An Flughäfen sollen Abschiebezentren entstehen, in Grenznähe die von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bereits angekündigten „Dublin-Zentren“ für Geflüchtete, deren Asylverfahren in anderen EU-Ländern geführt werden.
Alle Fluggesellschaften, die deutsche Flughäfen nutzten, sollen zudem verpflichtet werden, auch Abzuschiebende mitzunehmen – was bisher nicht der Fall ist. Überstellungen sollen künftig auch über den Landweg erfolgen. Und: Die staatliche Förderung von Organisationen, die „den Vollzug des Asyl- und Aufenthaltsrechts systematisch konterkarieren“, sei einzustellen.
Gefordert wird auch eine „Verstetigung“ von Abschiebungen nach Afghanistan und ein „Sofortprogramm“ für Ausweisungen nach Syrien. Nancy Faesers Bundesinnenministerium plädierte in Vorgesprächen ebenfalls für Abschiebungen in beide Länder. Angesichts des derzeitigen Aufstands islamistischer Rebellen in Syrien erscheint dies zumindest für das Land ausgeschlossen. Abschiebungen nach Syrien seien „nur denkbar, wenn die Sicherheitslage vor Ort dies zulässt“, erklärte ein Ministeriumssprecher auf taz-Anfrage. Nach Afghanistan indes würden aktuell „weitere Abschiebungen“ vorbereitet.
Mehr Druck auf „unkooperative“ Länder?
Dazu plädiert die Union für die Einstufung weiterer sicherer Herkunftsstaaten: Armenien, Indien, Tunesien, Algerien und Marokko. Abschiebungen dorthin würden damit erleichtert. Mit anderen Staaten müssten Migrationsabkommen geschlossen werden, „unkooperative“ Länder über den „Visa-Hebel“, das Aussetzen wirtschaftlicher Zusammenarbeit oder durch Kürzungen von Entwicklungshilfe unter Druck gesetzt werden.
Die Unions-Minister*innen drängen generell darauf, die Asylverfahren zu beschleunigen. Dublin-Überstellungen soll das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) übernehmen. Die Bezahlkarte für Geflüchtete soll bundesweit mit einem Betrag von 50 Euro eingeführt werden.
Schließlich will die Union auch bei der europäischen Geas-Reform nachbessern: Asylverfahren in Drittstaaten außerhalb der EU müssten erlaubt, das „Verbindungselement“ gestrichen werden. Letzteres besagt, dass eine Zurückweisung einer Person in ein Drittland nur erlaubt ist, wenn diese dorthin einen Bezug hat. Auch müsse der Familiennachzug von subsidiär Schutzberechtigten „bis auf Weiteres ausgesetzt“ werden. Freiwillige Aufnahmeprogramme wie das Bundesprogramm Afghanistan gehörten „unverzüglich eingestellt“. Das Programm stand zuvor auf der Kippe, wurde aber verlängert – nun ist es wieder fraglich.
Auch die SPD zeigte zuletzt migrationspolitisch Härte
Ob die SPD-Innenminister*innen alle diese Maßnahmen mittragen, ist offen. Faeser und andere Sozialdemokraten plädierten zuletzt für „Ordnung“ und strenge Maßnahmen. Zurückweisungen an der Grenze lehnt die Partei jedoch weiter ab. Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) appellierte an die Union, etwa den vorliegenden Regierungsentwurf zur Geas-Reform noch in dieser Legislatur umzusetzen. Dies dulde keinen weiteren Aufschub, man könne nicht noch ein halbes Jahr länger warten.
Gastgeber Stübgen sagte der taz, er wolle die Themen nicht in den Bundestagswahlkampf ziehen. „Die Sicherheit der Bundesrepublik taugt nicht als Showbühne der Parteiprofilierung.“
Hilforganisationen für Geflüchtete zeigten sich ob der Pläne entsetzt. „Allein die Überlegung, nach Syrien abzuschieben, ist verantwortungslos“, sagt Tareq Alaows von Pro Asyl. Eva Beyer von der Organisation Kabul Luftbrücke sagt der taz: „Das Bundesaufnahmeprogramm muss mindestens bis Ende der Legislatur fortgesetzt werden, so wie es ja auch im Koalitionsvertrag steht.“ Wenigstens die Fälle der 17.000 Personen, denen die Evakuierung in Aussicht gestellt wurde, müssten noch geprüft werden.
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