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SPD-Abgeordnete gegen Migrationspolitik„Wir teilen eure Wut“

Die Kritik am sogenannten Sicherheitspaket wächst. Nun üben 35 SPD-Abgeordnete harsche Kritik. Der Kanzler sah seinen Kurs zuletzt bestätigt.

Auch er gehört zu den Unterzeichnern des offenen Briefs der SPD-Abgeordneten: Karamba Diaby Foto: Chriostophe Gateau, dpa

Berlin taz | In der Ampel wächst die Kritik am sogenannten Sicherheitspaket, mit dem die Bundesregierung auf das Attentat von Solingen reagierte. In einem offenen Brief wandten sich am Montag nun auch 35 Abgeordnete der SPD gegen wesentliche Vorhaben des Pakets. „Sicherheitspolitische Fragen dürfen nicht unzulässig mit Migrationspolitik vermischt werden“, heißt es in dem Brief, der der taz vorliegt. Entsprechende Maßnahmen in dem Paket versuche man in der SPD-Fraktion daher „zu verhindern“.

Mit dem Sicherheitspaket wollte die Bundesregierung nach dem Solingen-Attentat, bei dem ein Islamist im August drei Menschen erstach, schnell Härte zeigen. Enthalten sind Verschärfungen in der Asylpolitik, Messerverbote oder mehr Befugnisse für die Sicherheitsbehörden. Im Kabinett wurde das Paket bereits Anfang September beschlossen. Auch im Bundestag sollte es noch im September verabschiedet werden – doch wegen der Kritik soll dies nun erst Mitte Oktober geschehen.

Erst vergangene Woche hatten SPD-Mitglieder um die Vorsitzende der SPD-Grundwertekommission, Gesine Schwan, einen offenen Brief veröffentlicht, in dem sie die Vorhaben teils scharf kritisierten. Das Schreiben hat inzwischen mehr als 12.000 Unterzeichnende. Der Brief der SPD-Bundestagsabgeordneten ist nun eine Antwort darauf, unterzeichnet etwa von den Abgeordneten Karamba Diaby, Rasha Nasr, Hakan Demir oder Jan Dieren.

„Wir teilen Eure Trauer, Eure Wut und Eure Zweifel angesichts des aktuellen Diskurses“, schreiben die sozialdemokratischen Par­la­men­ta­rie­r*in­nen „Um es klar zu sagen: Auch wir halten den Kurs, der gerade in der SPD in der Migrations- und Asylpolitik eingeschlagen wird, für falsch.“ Sie bitten die anderen SPD-Briefschreibenden, ihren „Widerspruch aufrechtzuerhalten“.

SPD-Fraktionsspitze will Kritik ernst nehmen

Die Verunsicherung nach Solingen müsse man ernst nehmen, schreiben die Abgeordneten. Es brauche aber Maßnahmen, die „wirklich zu mehr Sicherheit beitragen und nicht Aktionismus sind“. Verschärfungen des Waffenrechts oder Maßnahmen gegen Terrorfinanzierung oder Hasspostings im Internet seien richtig. Man müsse aber „mit Augenmaß vorgehen und verantwortungsvoll zwischen Sicherheit und Freiheitsrechten abwägen“.

Vor allem dürften Sicherheitsfragen „nicht unzulässig mit Migrationspolitik vermischt werden“. Dies suggeriere Zusammenhänge, die es nicht gebe. Migration sei nicht die Ursache von Anschlägen. Wer aber „reflexartig“ mehr Grenzkontrollen, Abschiebungen und Repression in der Migrationspolitik fordere, unterstelle diesen Zusammenhang und verschiebe den Diskurs, so die SPD-Abgeordneten.

Die Gruppe lehnt insbesondere Leistungskürzungen für Dublin-Geflüchtete ab sowie anlasslose Polizeikontrollen, Grenzkontrollen, Zurückweisungen und Inhaftierungen von Geflüchteten an der Grenze oder einen biometrischen Abgleich von Internetdaten, um Geflüchtete zu identifizieren. Diese Punkte versuche man in der SPD-Fraktion noch zu verhindern, heißt es in ihrem Schreiben.

Es brauche vielmehr Islamismus- und Rechtsextremismusprävention oder mehr Demokratiearbeit. Zugleich werde man sich in den Haushaltsverhandlungen dafür einsetzen, dass Mittel für Integrationskurse oder psychosoziale Beratung, anders als bisher geplant, nicht gekürzt werden.

Von der SPD-Fraktionsspitze gab es zunächst keine Reaktion auf den neuen Brief. Fraktionsvize Dirk Wiese hatte zuletzt aber bereits erklärt, man nehme die Kritik am Sicherheitspaket „sehr ernst“ und schaue sich einzelne Punkte nochmal genauer an. „Hier geht Gründlichkeit vor Schnelligkeit.“ Wiese erklärte aber auch, die Mehrheit der Fraktion stehe hinter den Maßnahmen, die „so schnell wie möglich“ verabschiedet werden müssten.

Ärger über Scholz-Reaktion

Allerdings fordert auch die Grünen-Fraktion Nachbesserungen beim Sicherheitspaket, punktuell auch die FDP-Fraktion. Es stellten sich „zahlreiche, durchaus tiefgehende europa- und verfassungsrechtliche Fragen“, hatte Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz der taz gesagt. Derzeit wird in Kleingruppen zwischen den Ampelfraktionen über Korrekturen verhandelt – auch um Kritik aufzugreifen, die zuletzt Sachverständige bei einer Anhörung an dem Paket geübt hatten.

Zu dem ersten offenen Brief hatte Kanzler Olaf Scholz (SPD) zuletzt über einen Sprecher erklärt, er fühle sich von den Unterzeichnenden „in seinem Kurs bestärkt“, der „ganz klar das Grundrecht auf Asyl“ schütze. Die In­itia­to­r*in­nen reagierten empört: Man bestärke nicht den eingeschlagenen Kurs, sondern appelliere an die SPD-Spitze, diesen Kurs zu verlassen. Auch Juso-Chef Philipp Türmer sagte, der Brief sei „kein Rückenwind, sondern Gegenwind“. Scholz wisse genau, dass sein Kurs „nicht von sozialdemokratischen Werten geleitet ist“.

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16 Kommentare

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  • ie SPD kann halt nicht anders. Jeder Sozi, der die Realität nicht ausblendet, wird von den anderen Sozis bis aufs Messer bekämpft. Die Ideologie ist heilig und sie darf ja nie durch Kontakt mit der Realität in Frage gestellt werden.

  • Es geht nach dem Attentat, bei dem drei Menschen erstochen wurden, nicht nur um "Integrationskurse oder psychosoziale Beratung" f. d. Migrant*innen. Es geht auch um den Umgang mit Angst und Panik, die durch das Attentat, bei vielen Menschen ausgelöst wurden. Also darum, das Wissen und Fühlen um Sicherheit wieder herzustellen, ohne dass sie objektiv 100% bestehen wird. Also die Angst aushalten und sich zugleich grundsätzlich sicher fühlen; das ist das Ziel. Das wird durch Hass auf xy (die Anderen) erschwert. Aber es ist erreichbar.

  • In dem Aufruf der SPD Mitglieder eintreten-fuer-wuerde.de/ kommt das Wort "Gesundheit" überhaupt nicht vor. Gleiche Gesundheit für alle ist aber ein zentraler sozialdemokratischer Wert. Bei den Messerattacken muss man in allen Nationalitäten vier große Tätergruppen unterscheiden: Attentäter , die gezielt eine Person ermorden wollen ( z.B. Mannheim), Fanatisierte ( z.B . Solingen), Amokläufer und Personen, die wegen einer paranoiden Schizophrenie nicht schuldfähig sind (z.B. Würzburg). Die drei letzten Gruppen machen die Mehrzahl der Attacken aus und sind deutliche bis erheblichste Gesundheitsstörungen, die bei Migranten und allen fremdsprachigen Personen wegen unzureichender Diagnostik, Therapie und prekären Lebensbedingungen häufiger sind. Drogen wurde zudem nicht als Problemursache erkannt (Afghanistan ist ein Großexporteur von Opium). Dieser Aufruf ist gut gemeint, geht aber an der Mehrzahl der wesentlichen Ursache des traurigen Themas vorbei: Gesundheit für alle, auch und gerade für die Geflüchteten muss ein unverzichtbarer Teil aller sozialdemokratischer Forderungen sein. Auch dieses Aufrufs, denn ein gesunder Mensch hat kein Gewaltbedürfnis.

  • "Es brauche vielmehr Islamismus- und Rechtsextremismusprävention oder mehr Demokratiearbeit."

    Ist das nicht irgendwie dasselbe, wie die verschärfte Migrationspolitik der Regierung? Jeder versucht seine Anliegen zu pushen. Es ist immer gut gegen Rechtsextremismus vorzugehen, aber der Attentäter von Solingen hatte oder war kein "Rechtsproblem". Genauso: Er mag Demokratiedefizite gehabt haben, aber das ist doch nicht das, um was es dabei geht.

    Solche Forderungen besagen mehr, dass man soweit es geht bei jeder Sache die eigenen gesellschaftlichen Anliegen voranbringen will (wie eben die Rechten und jetzt die Regierung). Das ist ja ok, aber man sollte es auch nicht hintenrum begründen.

    Was auch klar scheint: wenn alle immer versuchen ihre ges. Anliegen voranzubringen, bringt das ab einem Punkt Stress in die Gesellschaft. Weniger Migration kann da schon etwas Druck wegnehmen - dass sich erstmal die einigen, die bereits hier leben, bevor man sich mit der "ganzen Welt" einigen muss, was eben schwieriger ist.

  • „Sicherheitspolitische Fragen dürfen nicht unzulässig mit Migrationspolitik vermischt werden“

    Sicherheitspolitische Fragen müssen doch bitte unbedingt bei jeder politischen Entscheidung mit berücksichtigt werden. Was soll das den?

  • Es ja nicht so, dass die Regierung Sicherheits- mit Migrationspolitik vermischt. Das erledigen die Täter schon selbst. Man schaue sich einfach den ethnischen Hintergrund an, dann wird das jedermann klar. Das Problem liegt dich nicht an einem laschen Asylrecht, sondern daran, dass Politik und Verwaltung es aufgegeben haben, zwischen Asylsuche und illegaler Einwanderung zu unterscheiden.

  • Schreiben die 35 den Brief eigentlich an sich selbst? Wie werden sie im Bundestag abstimmen? Mit dem Kanzler oder im Sinne ihres Briefes? Vermutlich mit dem Kanzler und dann auf den Brief verweisen, man hätte ja versucht was zu ändern.

  • Man muss Dinge immer im Kontext sehen, wenn Gefahr besteht, dass man sich vergallopiert.

    Da sei ein anderer Artikel ueber die Plöne anderer Sozialdemokraten einmal sehr zu empfehlen,



    taz.de/Migrationsd...n-Europa/!6029964/

  • in der FHH wurde gerade trotz kirchenasyl abgeschoben. schande!

    • @Brot&Rosen:

      In der Tat scheint "nichts mehr heilig". Die Entwicklung hat das Schleichen aufgegeben. Wenn das komplette politische Spektrum jetzt (weils opportun ist) nach rechts rückt, - hurra: macht das die AfD überflüssig!



      Und rechts außen hat endgültig gewonnen.

    • @Brot&Rosen:

      Meinen Sie die Abschiebung nach Schweden, wo der Mann auch 9 Jahre gelebt hat?

  • Wie dumm die SPD doch ist. Bis heute versteht sie nicht, dass sie sich nicht von der AfD vor den Wagen spanen lassen sollte. Wie zur Coronazeit gab es viele Leute, die dumm genug waren den lauten unserer Gesellschaft Gehör zu schenken. Diese Leute sind auf die Straße gegangen und haben sich zu rechtsextremen gesellt. Heute macht es die SPD diesen Leuten gleich und glaubt, dass sie dadurch die Wählerschaft für sich gewönne. Wie dumm die SPD doch ist.

    • @Sanni:

      Ja, die SPD ist in vielerlei Hinsicht dumm; Ich würde sogar sagen die Linke im Allgemeinen. Insbesondere der lange Zeit vorherrschende Glaube, dass man Probleme die nicht ins eigene Weltbild passen durch ignorieren lösen könne. Die AfD bedient auf widerliche, unverantwortliche und populistische Weise ein Unwohlsein über die bisherige Migrationspolitik welches bis weit in die Mitte der Gesellschaft wird. Das die AfD erst so stark werden und sich etablieren konnte liegt auch an einem Versagen der etablierten Parteien die sich geweigert haben diese Unwohlsein aufzugreifen und damit der AfD oder jetzt auch dem BSW das Feld überlassen haben. Wer lange genug behauptet etwas sei alternativlos, der bekommt am Ende in der Demokratie eine unschöne Alternative. Diese ständige Behauptung Änderungen in der Migrationspolitik zu fordern würde nur die AfD Stärken ist absurd. Das Gegenteil ist doch der Fall, ein Weiter so treibt Menschen in die Arme von AfD und BSW.

    • @Sanni:

      Ja, die SPD ist in vielerlei Hinsicht dumm; Ich würde sogar sagen die Linke im Allgemeinen. Insbesondere der lange Zeit vorherrschende Glaube, dass man Probleme die nicht ins eigene Weltbild passen durch ignorieren lösen könne. Die AfD bedient auf widerliche, unverantwortliche und populistische Weise ein Unwohlsein über die bisherige Migrationspolitik welches bis weit in die Mitte der Gesellschaft wird. Das die AfD erst so stark werden und sich etablieren konnte liegt auch an einem Versagen der etablierten Parteien die sich geweigert haben diese Unwohlsein aufzugreifen und damit der AfD oder jetzt auch dem BSW das Feld überlassen haben. Wer lange genug behauptet etwas sei alternativlos, der bekommt am Ende in der Demokratie eine unschöne Alternative. Diese ständige Behauptung Änderungen in der Migrationspolitik zu fordern würde nur die AfD Stärken ist absurd. Das Gegenteil ist doch der Fall, ein Weiter so treibt Menschen in die Arme von AfD und BSW.

    • @Sanni:

      Mit der bisherigen Haltung musste die SPD vor kurzem in manchem Bundesland bangen, die 5-Prozent-Hürde zu schaffen.

      Die Idee, vielleicht mal die eigene Position zu überdenken und zu versuchen, das eine oder andere Thema mal vom Tisch zu kriegen, würde ich nicht als dumm bezeichnen.

      Es nicht zu tun, würde ich dagegen als Arroganz betrachten.

    • @Sanni:

      Also, ich finde es gut, dass sich in der guten alten Tante wenigstens noch etwas Leben regt … zuletzt war ich diesbezüglich doch etwas besorgt.😉