Klimapolitik der Ampel-Regierung: Kommen Fahrverbote, Herr Wissing?
Nach dem noch geltenden Klimaschutzgesetz muss die Bundesregierung an diesem Montag Sofortprogramme für Verkehr und Gebäudesektor vorlegen.
Es geht um das Klimaschutzgesetz, das nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2021 verschärft worden ist. Das höchste deutsche Gericht hatte damals geurteilt, dass zu lascher Klimaschutz die Rechte künftiger Generationen verletze. Deshalb muss die Bundesrepublik nun bis zum Jahr 2030 ihre Treibhausgas-Emissionen um 65 Prozent unter das Niveau von 1990 senken.
Im Jahr 2023 waren davon aber erst 46 Prozent erreicht. Abgerechnet wird nicht erst im Dezember 2029, sondern in jedem Jahr erneut durch einen unabhängigen „Expertenrat für Klimafragen“. Der hatte zuletzt Bilanz gezogen und geurteilt: In den Bereichen Gebäude und Verkehr gibt es zu wenig Klimaschutz.
„Im Klimaschutzgesetz steht, dass in einem solchen Fall spätestens drei Monate nach der Expertenbilanz ein Sofortprogramm durch die Bundesregierung für die entsprechenden Sektoren vorzulegen ist“, erläutert Klinger. Als Anwalt hatte er Umweltverbände wie die Deutsche Umwelthilfe DUH und den BUND vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg vertreten, die genau diesen Punkt „Sofortprogramme“ beklagt hatten.
Habeck versucht Sektorziele zu streichen
Denn bereits im vergangenen Jahr hatte sich die Ampelkoalition darum gedrückt, ein solches in den Bereichen Verkehr und Gebäude vorzulegen. Damals bekamen die Umweltverbände Recht: Die Bundesregierung müsse „gesetzeskonforme Klimaschutz-Sofortprogramme in den Sektoren Gebäude und Verkehr“ vorlegen.
Doch statt dies tatsächlich zu tun, ging Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) in Revision vor das Bundesverwaltungsgericht. Nicht, dass dies etwas am Urteil ändern wird: Überprüft wird nicht die Sache selbst, sondern lediglich, ob der 11. Senat in Berlin einen Verfahrensfehler begangen hat. Aber die Ampel-Koalitionäre gewannen dadurch Zeit – und sie nutzten sie, um sich ein neues Gesetz zu schreiben.
Nach der Neufassung müssen nun nicht mehr in den einzelnen Sektoren Zielmarken erreicht werden – Gebäude, Landwirtschaft, Industrie, Verkehr, Landnutzung beispielsweise. Im neuen Gesetz kann ein einzelner Bereich das Ziel durchaus verfehlen, wenn ein anderer seine übererfüllt. Das Instrument des Sofortprogramms wurde dadurch hinfällig.
Bundespräsident unterschreibt neues Klimaschutzgesetz nicht
Zumindest theoretisch: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) hatte das Gesetz nämlich bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe immer noch nicht unterschrieben. „Unsere Rechtsanwälte haben dem Bundespräsidenten ein 19-seitiges Rechtsgutachten zukommen lassen, in dem detailliert dargelegt wird, warum die Neufassung des Gesetzes verfassungswidrig ist“, sagt DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch. Gesetzeskraft erreicht die Neufassung erst, wenn sie nach der präsidialen Unterschrift im Bundesanzeiger veröffentlicht wird.
„Die Regierung Scholz ist deshalb gesetzlich verpflichtet und gerichtlich verurteilt, Sofortprogramme für die Sektoren Gebäude und Verkehr vorzulegen“, sagt BUND-Chef Olaf Bandt. „Jetzt kommen die Fahrverbote, die Porsche-Minister Wissing bereits angekündigt hat“, erklärt Resch.
Kollege Brandt empfiehlt eine Reform der Dienstwagenbesteuerung und die Einführungen einer Kerosinsteuer, die auch Frachtflieger und Privatjets einbezieht. Fachanwalt Klinger jedenfalls ist sicher: „Diesmal muss die Regierung handeln!“ Und wenn nicht: Auch gegen das neu geschriebene Klimaschutzgesetz, das noch nicht in Kraft ist, hat ein breites Klagebündnis Ende Juni bereits Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht.
Eine Sprecherin des Klimaschutzministeriums sieht die Ampel dagegen auf dem richtigen Weg beim Klimaschutz, weshalb Sofortprogramme nicht notwendig seien. Zu dem Vorwurf der Rechtswidrigkeit sagte sie allerdings: „Kein Kommentar!“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid