Klimaproteste an Flughäfen: Aufs Rollfeld geklebt
Die Letzte Generation hat nun auch den Betrieb am Flughafen Frankfurt zeitweise lahmgelegt. Forderungen nach mehr Schutz für Airports werden laut.
![Werkzeuge liegen auf dem Boden. Werkzeuge liegen auf dem Boden.](/picture/7141601/624/35881670-1.jpeg)
170 Verbindungen fielen bis zum Mittag aus: Werkzeuge der Letzten Generation am Donnerstag in Frankfurt Foto: Tim Wegner/epd
BERLIN taz | Während an deutschen Flughäfen angesichts der Hauptferienzeit gerade Hochbetrieb ist, ging an zwei Standorten jüngst zeitweise gar nichts: Am Mittwoch legten fünf Klimaaktivist:innen der Letzten Generation den Flughafen Köln/Bonn für mehr als drei Stunden still. Am Donnerstag nun folgte die nächste Aktion mit weitreichenden Folgen. An Deutschlands größtem Drehkreuz in Frankfurt am Main verschafften sich sieben Aktivist:innen Zugang zum Flughafengelände. Sechs davon klebten sich an den Rollwegen fest und legten den Flugverkehr dadurch kurzzeitig lahm.
Bis Donnerstagmittag fielen deswegen 170 Verbindungen in Frankfurt aus. Das Brisante daran: In beiden Fällen hatten die Klimaaktivist:innen den Maschendrahtzaun mit einer Zange durchgeknipst und gingen zu Fuß oder rollten auf Skateboards zu den Start- und Landebahnen, an deren Rand sie sich festklebten. Wären die Reisenden nicht so verärgert und die Politiker:innen nicht so schockiert, könnte man über die Vorgehensweise fast schon schmunzeln.
Was die Aktionen der Letzten Generation allerdings noch tun: Sie rücken die Sicherheitsvorkehrungen – und insbesondere deren Lücken – in den Vordergrund der öffentlichen Debatte. Während der CDU-Bundestagsabgeordnete Alexander Throm darüber staunt, wie Klimaaktivist:innen „in den Sicherheitsbereich großer Flughäfen“ eindringen können, verwundert das andere nicht. „Die Außensicherung an deutschen Flughäfen ist katastrophal“, sagte Heinrich Großbongardt, der früher für die Lufthansa, Boeing sowie die Pilotenvereinigung Cockpit gearbeitet hat und nun eine Kommunikationsfirma leitet, der taz. Die Sicherung der Flughäfen habe man in Deutschland jahrelang vernachlässigt, so Großbongardt.
Viele Politiker:innen und Interessenvertretungen schließen sich dieser Kritik nun an. Von CDU-Innenpolitiker:innen, über die Gewerkschaft der Polizei bis hin zum Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft: Sie alle fordern wirksamere Maßnahmen und bessere Konzepte, um den Schutz des Flughafengeländes zu garantieren.
„Eine offene Tür für Eindringlinge“
Unter Zugzwang gerät vor allem die Bundesregierung, die die Richtlinien für den Schutz an Flughäfen vorgibt. Als Reaktion auf die Kritik will das Bundesinnenministerium unter der Leitung von Nancy Faeser (SPD) nun nachschärfen. Per Rechtsverordnung sollen die Flughafenbetreiber zu besseren baulichen und technischen Schutzmaßnahmen gezwungen werden. Eine Abstimmung mit den Ländern finde bereits statt, teilte das Ministerium am Donnerstag mit.
Auf Anfrage der taz wollten die Flughafenbetreiber keine näheren Details zu ihren geplanten Sicherheitsmaßnahmen wegen der Aktionen der Letzten Generation bekanntgeben. Ein „hundertprozentiger Schutz gegen das Durchdringen“ sei aber unmöglich, teilte eine Sprecherin des Airports in Hannover mit. Alle Betreiber betonen aber, dass sie ihre Konzepte – in Abstimmung mit den zuständigen Behörden – stetig evaluieren und anpassen würden.
Der Hamburger Flughafen, der 2023 Schauplatz einer Aktion der Letzten Generation sowie einer Geiselnahme wurde, investiert laut eigenen Angaben nun vier Millionen Euro in zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen, etwa in Nato-Draht – mit messerscharfen Widerhaken und aneinander liegenden Metallklingen ausgestatteter Stacheldraht – und in eine Sensortechnik an den Zaunanlagen.
Die Aktionen der Letzten Generation sind Teil der internationalen Kampagne „Oil Kills“, die in zehn Ländern aktiv ist, einen Ausstieg aus fossiler Energie bis 2030 fordert und gezielt Flughäfen ins Visier nimmt. „Man müsse der Letzten Generation danken, dass sie auf die Sicherheitslücken an deutschen Flughäfen aufmerksam macht“, sagte Großbongardt. Die eigentliche Gefahr sei, dass diese „eine offene Tür für Eindringlinge“ seien, so der Experte.
Leser*innenkommentare
Sonnenhaus
Das war nicht das erste mal das die LG einen Flughafen begangen hat! Ich wundere mich schon lange, warum da Thema Sicherheit nie ein Thema war. Die Aufregung für den versauten Urlaub hatte eben Prio.
Sind die LG doch noch für etwas gut, oder? Wenn schon nicht für die Klimawende, dann wenigstens um Bewusstsein für einen sicheren Abflug zu erlangen.
Im übrigen zeigt sich auch bei der Sicherheit der Flughäfen mal wieder maximales Versagen des Innenministeriums und der Politik. Aber regelmäßig auf die LG losziehen und von den eigenen Versäumnissen ablenken. Kriminalisierung inklusive, dabei begeht die Regierung Gesetzesbruch nur halten die Staatsanwälte still und erheben keine Anklage. Da muss dann mal wieder das gemeine Volk ran und Klage erheben, damit etwas passiert im Sinne der Klimawende. Tja, der staatlich versaute Urlaub kostet eben Wählerstimmen.
Walterismus
@Sonnenhaus Werden halt Steuergelder eingesetzt um die Flughäfen Aktivistensicher zu machen, statt in Umweltschutz zu investieren. Dazu das ganze CO2 was bei der Sicherung anfällt beim zb Bau von Mauern.
Die Aktivisten haben sich verrannt. Sie können nicht gegen die Bevölkerung agieren. Es gab noch nie eine Aktivistengruppe die so Kontraproduktiv agiert wie die Letzte Generation...
Okti
@Walterismus Man könnte natürlich auch argumentieren dass die Untätigkeit der Politik zu den Aktionen der LG führt, aber ich weiß, dass ist wohl zu weit hergeholt. Es immer einfacher den Überbringer schlechter Nachrichten für die Nachricht zu bestrafen.
Vigoleis
@Sonnenhaus "...versaute Urlaub kostet eben Wählerstimmen." Allerdings gehen die nicht an die Grünen und schon gar nicht an die LG, sondern eher an Parteien, die etwas andere Vorstellungen von Sicherheit und Ordnung haben. Danke LG dafür.
Farang
Flughäfen sind viel zu groß als das man sie realistisch gegen jegliche Akteure abschirmen kann - Kosten und Aufwand stehen dabei einfach in keinerlei Verhältnis.
Eine Antwort darauf lautet vor allem im asiatischen Raum bisher, dass Flughäfen auf künstlichen Inseln angelegt werden - das hat mit nichten nur immer mit Platzmangel zu tun...
Nun wohnt ja tatsächlich ein großer Teil der Menschen weltweit an Küsten, für Flughäfen im Landesinneren aber wird es auch zukünftig keine 100%ige Sicherheit geben 🔐 - selbiges gilt beispielsweise auch für Autobahnen oder Zugstrecken - Transportwege sind seit Anbeginn jeglicher Zivilisation schon immer die Achillesferse🤷♂️
Jim Hawkins
OK, was ist also das Ergebnis?
Ein paar Tausend Urlauber gesellen sich zu der ohnehin schon sehr großen Gruppe, die einen Brass auf die LG hat und die Flughäfen sind so etwas wie ein offenes Scheunentor.
An der Schraube muss dann man wohl drehen.
Dafür danke, LG.
fly
Die Sicherung eines so großen Geländes wird bei Flughäfen für die zivile Luftfahrt immer lückenhaft sein. Auch große Flughäfen im Ausland haben Maschenzäune oder Stacheldraht, über/durch den man in das Gelände gelangen kann. Wenn man dort ist, ist das sofort eine Störung, aber noch keine katastrophale Gefährung. Weitere Bereiche in dem Gelände haben ja weitere Absicherungen.
Der Unterschied zwischen vielen Orten im dem Ausland und D ist "nur", das zB in den USA wahrscheinlich schneller geschossen würde und in anderen Ländern erstmal Verschwinden hinter Gefängnismauern angesagt ist.
PS es nützt auch nichts die Fläche absolut zu schützen - in den frei zugänglichen Schalterhallen im Flughafen oder in den Bahnhöfen halten sich viel mehr Menschen auf. Oder wollen wir überall Einlasskontrollen?
elektrozwerg
@fly Bewegungsmelder gibts an auslaendischen Flughaefen schon. Unabhaengig davon, wer will kommt immer rein. Deshalb sind die Strafen fuer die Gefaehrdung des Flugverkehrs auch so saftig, sie sollen abschrecken, muessen dafuer aber auch angewandt werden und das klappt im Ausland besser.
Allerdings stellt sich die Frage, warum bei den Sicherheitskontrollen fuer Passagiere so ein Aufwand betrieben wird, zb bei Fluessigkeiten, waehrend jeder mit nem Drahtschneider einfach zum Flugzeug spazieren kann. Da kommt man sich schon ein bissl veraeppelt vor.