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Klimaproteste an FlughäfenAufs Rollfeld geklebt

Die Letzte Generation hat nun auch den Betrieb am Flughafen Frankfurt zeitweise lahmgelegt. Forderungen nach mehr Schutz für Airports werden laut.

170 Verbindungen fielen bis zum Mittag aus: Werkzeuge der Letzten Generation am Donnerstag in Frankfurt Foto: Tim Wegner/epd

Berlin taz | Während an deutschen Flughäfen angesichts der Hauptferienzeit gerade Hochbetrieb ist, ging an zwei Standorten jüngst zeitweise gar nichts: Am Mittwoch legten fünf Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen der Letzten Generation den Flughafen Köln/Bonn für mehr als drei Stunden still. Am Donnerstag nun folgte die nächste Aktion mit weitreichenden Folgen. An Deutschlands größtem Drehkreuz in Frankfurt am Main verschafften sich sieben Ak­ti­vis­t:in­nen Zugang zum Flughafengelände. Sechs davon klebten sich an den Rollwegen fest und legten den Flugverkehr dadurch kurzzeitig lahm.

Bis Donnerstagmittag fielen deswegen 170 Verbindungen in Frankfurt aus. Das Brisante daran: In beiden Fällen hatten die Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen den Maschendrahtzaun mit einer Zange durchgeknipst und gingen zu Fuß oder rollten auf Skateboards zu den Start- und Landebahnen, an deren Rand sie sich festklebten. Wären die Reisenden nicht so verärgert und die Po­li­ti­ke­r:in­nen nicht so schockiert, könnte man über die Vorgehensweise fast schon schmunzeln.

Was die Aktionen der Letzten Generation allerdings noch tun: Sie rücken die Sicherheitsvorkehrungen – und insbesondere deren Lücken – in den Vordergrund der öffentlichen Debatte. Während der CDU-Bundestagsabgeordnete Alexander Throm darüber staunt, wie Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen „in den Sicherheitsbereich großer Flughäfen“ eindringen können, verwundert das andere nicht. „Die Außensicherung an deutschen Flughäfen ist katastrophal“, sagte Heinrich Großbongardt, der früher für die Lufthansa, Boeing sowie die Pilotenvereinigung Cockpit gearbeitet hat und nun eine Kommunikationsfirma leitet, der taz. Die Sicherung der Flughäfen habe man in Deutschland jahrelang vernachlässigt, so Großbongardt.

Viele Po­li­ti­ke­r:in­nen und Interessenvertretungen schließen sich dieser Kritik nun an. Von CDU-Innenpolitiker:innen, über die Gewerkschaft der Polizei bis hin zum Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft: Sie alle fordern wirksamere Maßnahmen und bessere Konzepte, um den Schutz des Flughafengeländes zu garantieren.

„Eine offene Tür für Eindringlinge“

Unter Zugzwang gerät vor allem die Bundesregierung, die die Richtlinien für den Schutz an Flughäfen vorgibt. Als Reaktion auf die Kritik will das Bundesinnenministerium unter der Leitung von Nancy Faeser (SPD) nun nachschärfen. Per Rechtsverordnung sollen die Flughafenbetreiber zu besseren baulichen und technischen Schutzmaßnahmen gezwungen werden. Eine Abstimmung mit den Ländern finde bereits statt, teilte das Ministerium am Donnerstag mit.

Auf Anfrage der taz wollten die Flughafenbetreiber keine näheren Details zu ihren geplanten Sicherheitsmaßnahmen wegen der Aktionen der Letzten Generation bekanntgeben. Ein „hundertprozentiger Schutz gegen das Durchdringen“ sei aber unmöglich, teilte eine Sprecherin des Airports in Hannover mit. Alle Betreiber betonen aber, dass sie ihre Konzepte – in Abstimmung mit den zuständigen Behörden – stetig evaluieren und anpassen würden.

Der Hamburger Flughafen, der 2023 Schauplatz einer Aktion der Letzten Generation sowie einer Geiselnahme wurde, investiert laut eigenen Angaben nun vier Millionen Euro in zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen, etwa in Nato-Draht – mit messerscharfen Widerhaken und aneinander liegenden Metallklingen ausgestatteter Stacheldraht – und in eine Sensortechnik an den Zaunanlagen.

Die Aktionen der Letzten Generation sind Teil der internationalen Kampagne „Oil Kills“, die in zehn Ländern aktiv ist, einen Ausstieg aus fossiler Energie bis 2030 fordert und gezielt Flughäfen ins Visier nimmt. „Man müsse der Letzten Generation danken, dass sie auf die Sicherheitslücken an deutschen Flughäfen aufmerksam macht“, sagte Großbongardt. Die eigentliche Gefahr sei, dass diese „eine offene Tür für Eindringlinge“ seien, so der Experte.

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22 Kommentare

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  • China baut seit 2020 bis 2035 genau 216 neue Flughäfen. Baut 120 neue Kohlekraftwerke. Dort erzeugt man mehr CO2 pro Kopf als in Deutschland.Bei 1,4 Milliarden Einwohnern

    Dann Deutschland hat seit der UN Klimakonferenz von Paris sein CO2 Ausstoss um 46 % gesenkt. China um 20 % gesteigert. Was nutzt es jetzt dem globalen klima wenn sich Aktivisten auf Rollbahnen in Deutschland setzen. In China würde sich das niemand wagen.

    • @Martin Sauer:

      Und weil China ohnehin macht was es will, sollen jetzt die deutschen Klimaschützer aufgeben und sich Aktien von RWE und VW kaufen? Ja, das wäre natürlich auch eine Möglichkeit.

      Wenn keiner mit Klima- und Umweltschutz anfängt und immer nur sagt, "die anderen Länder sollen doch erst mal anfangen", dann wird der Klimawandel den Homo sapiens in absehbarer Zeit von diesem Planeten fegen. Und der erste Schritt zum Klimaschutz ist nun einmal eine vernünftige Verkehrswende, und zwar ohne sinnlose klimaschädliche Flugreisen und auch ohne das CO2-Töff-Töff in den Städten.

      Man kann ja gerne die Methoden der Letzten Generation als 'nicht zielführend' bezeichnen, aber die LG macht wenigstens etwas, während Politiker nur über den Klimawandel "schwafeln" und der Bürger wohl erst aufwacht wenn es jedes Jahr eine Hochwasser-Katastrophe wie im Ahrtal gibt.

      • @Ricky-13:

        Zwischen "etwas machen" und "etwas sinnvolles machen" besteht ein himmelweiter Unterschied.

        Die Art und Weise wie in D die Klimaschutzdiskussion geführt wird, ist jedenfalls absolut nicht zielführend. Bekanntermaßen ist dem Klima egal aus welchem Land die Emissionen kommen, die Menge macht den Unterschied,

        Anstatt also hier Diskussionen zu führen und Geld in Projekte zu investieren, die nur einen marginalen Einfluss auf das Klima nehmen, wäre es viel sinnvoller - auch mit unserem Geld - den Hebel dort anzusetzen wo am schnellsten die größten Mengen eingespart werden könnten - und das sind neben der USA nunmal Indien und China.

    • @Martin Sauer:

      Gottseidank sind wir eben nicht in China.

  • Selber nach Bali fliegen, aber anderen den hart verdienten Urlaub versauen.

    • @Stoffel:

      Da haben also zwei Leute aus der 'Letzten Generation' (LG) nicht nachgedacht und Mist gemacht, und schon werden alle anderen LG-Aktivisten mit denen in einen Topf geworfen? Tja, so funktioniert wohl die 'perfekte Ablenkung' in diesem Land. Wie viele Mitglieder hat die LG überhaupt? 500, 1000 oder vielleicht sogar mehr als 2200 Mitglieder, wie die Springerzeitung 'Welt am Sonntag' Anfang 2023 geschrieben hatte? Wie viele sind davon in einem Flugzeug in den Urlaub nach Bali geflogen? Richtig, genau zwei Mitglieder (so sieht übrigens die Zahl '2' aus, falls jemand diese riesige Zahl vorher noch nie gesehen hat). Was werden sich gewisse Medien wohl demnächst aus den Fingern saugen um Klimaschützer zu verunglimpfen, während unsere Politiker das Klimaschutz'-Urteil des BVerfG (1 BvR 2656/18) vom 24.3.2021 weiterhin nicht beachten werden?

      Da sich der Klimawandel fest an unsere untätigen Politiker 'geklebt' hat - die wohl glauben, wenn man den Klimawandel ignoriert, dann wird er schon von selbst verschwinden - bleibt den jungen Klimaschutzaktivisten ja leider nur diese Form des Protest, der aber von vielen Bürgern immer noch nicht begriffen wird.

    • @Stoffel:

      Sie müssen unterscheiden zwischen der Person in der Rolle des Aktivisten und der Person in der Rolle des Privatmenschen, der sich einen lang gehegten Traum erfüllt. Die eine klebt, die andere fliegt. Das ist doch klar und muss auch möglich sein.

      • @QuerBeetLeser:

        Nö!



        Die Aktionen der LG sind, den Umfragen zufolge,



        ja offensichtlich schon schlecht für den Klimaschutz.



        Die Akzeptanz für entsprechende Maßnahmen sind seit Auftauchen der LG rapide gesunken.



        Der Interkontientalflug setzte der Negativ Werbung die Krone auf.



        Dass es Menschen wie Sie gibt, die in einer linken Tageszeitung diese Position vertreten, zeigt, dass selbst unter "UmweltfreundInnen" mit zweierlei Maß gemessen wird.



        Was ICH mache, ist Privatsache, auch wenn sie meinen Überzeugungen widerspricht.



        Für das Klima und deren Schutz sind Andere Verantwortlich.



        Man stelle sich, zur Verdeutlichung , folgende Szene vor: ein Aktivist wird vom Kleber befreit und stellt sich, nach Aufnahme der Personalien, in der Schlange für den nächsten Flug an.



        Das soll zu rechtfertigen sein?



        Es sind die BürgerInnen, die in den Urlaub fliegen.



        Es ist ganz einfach, das nicht zu tun.



        Aber abgesehen von der schweigenden Mehrheit gibt es selbst in der taz immer wieder Menschen, die für sich Sonderrechte fordern.



        SO wird das wirklich nichts, mit dem Klimaschutz!

        • @Philippo1000:

          Ach, was soll ich sagen? Augenzwinker?

        • @Philippo1000:

          coole Idee, falls man nicht eh eingebuchtet wird, kann man protest-schlangestehen.



          bzw eine richtig große Gruppe von getarnten LG-Leuten besetzt alle Plätze in der Schlange und kehrt um, bevor sie ins Fluchzeuch steigen.

  • Vor Drei Tagen erschien in der taz ein Artikel, in dem berichtet wurde, dass sich die LG neuen Strategien zuwendet und Klebeaktionen nicht mehr anwenden will.



    Wie passt dieser Artikel zu den aktuellen Nachrichten?

  • Da jetzt alle einzig darüber sprechen, ob und wie unsere Flughäfen besser geschützt werden können und was das kosten könnte, würde ich sagen, dass das ein voller Erfolg der Letzten Generation ganz im Sinne ihres Grundgedankens war. Macht weiter so!!!

  • Das war nicht das erste mal das die LG einen Flughafen begangen hat! Ich wundere mich schon lange, warum da Thema Sicherheit nie ein Thema war. Die Aufregung für den versauten Urlaub hatte eben Prio.



    Sind die LG doch noch für etwas gut, oder? Wenn schon nicht für die Klimawende, dann wenigstens um Bewusstsein für einen sicheren Abflug zu erlangen.



    Im übrigen zeigt sich auch bei der Sicherheit der Flughäfen mal wieder maximales Versagen des Innenministeriums und der Politik. Aber regelmäßig auf die LG losziehen und von den eigenen Versäumnissen ablenken. Kriminalisierung inklusive, dabei begeht die Regierung Gesetzesbruch nur halten die Staatsanwälte still und erheben keine Anklage. Da muss dann mal wieder das gemeine Volk ran und Klage erheben, damit etwas passiert im Sinne der Klimawende. Tja, der staatlich versaute Urlaub kostet eben Wählerstimmen.

    • @Sonnenhaus:

      Werden halt Steuergelder eingesetzt um die Flughäfen Aktivistensicher zu machen, statt in Umweltschutz zu investieren. Dazu das ganze CO2 was bei der Sicherung anfällt beim zb Bau von Mauern.

      Die Aktivisten haben sich verrannt. Sie können nicht gegen die Bevölkerung agieren. Es gab noch nie eine Aktivistengruppe die so Kontraproduktiv agiert wie die Letzte Generation...

      • @Walterismus:

        Man könnte natürlich auch argumentieren dass die Untätigkeit der Politik zu den Aktionen der LG führt, aber ich weiß, dass ist wohl zu weit hergeholt. Es immer einfacher den Überbringer schlechter Nachrichten für die Nachricht zu bestrafen.

        • @Okti:

          Ja nur Rechtfertigt die Unfähigkeit der Politik das Verhalten der LG nicht.



          Die Flughäfen werden auch in 50 - 100 Jahren nicht geschlossen werden.



          Das ist ein Irrweg auf dem die LG balanciert und ständig runter fällt.

          Die Politik wird nichts ändern.



          Zum einen weil sie nicht will und durch die LG Aktionen auch nicht kann.



          Dazu die falschen Ziele, die einfach nicht zu erreichen sind.

          • @Walterismus:

            Ich habe gesagt, dass die Unfähigkeit der Politik das Verhalten der LG verursacht. Das ist etwas anderes.

            Aber abgesehen davon, die Flughäfen werden ziemlich wahrscheinlich weltweit kaum noch eine Rolle spielen in den nächsten 50-100 Jahren.

            Die Klimakatastrophe beschleunigt sich gerade in einem Ausmaß, dass Teile dieses Planeten in den nächsten 20-30 Jahren kaum noch bewohnbar sein werden. Wassermangel und auch Nahrungsknappheit werden auch das reiche Europa plagen. Ausläufer davon kann man schon jetzt in Südeuropa sehen.

            Wenn die Politik, und die Menschen die diese wählen, nicht sehr bald anfangen radikal umzusteuern und weiter leere Träume von grünem Wachstum oder einem Zurück zu einer fiktiven, besseren Vergangenheit propagieren, dann wird diese Zivilisation früher oder später verschwinden.

    • @Sonnenhaus:

      "...versaute Urlaub kostet eben Wählerstimmen." Allerdings gehen die nicht an die Grünen und schon gar nicht an die LG, sondern eher an Parteien, die etwas andere Vorstellungen von Sicherheit und Ordnung haben. Danke LG dafür.

  • Flughäfen sind viel zu groß als das man sie realistisch gegen jegliche Akteure abschirmen kann - Kosten und Aufwand stehen dabei einfach in keinerlei Verhältnis.



    Eine Antwort darauf lautet vor allem im asiatischen Raum bisher, dass Flughäfen auf künstlichen Inseln angelegt werden - das hat mit nichten nur immer mit Platzmangel zu tun...



    Nun wohnt ja tatsächlich ein großer Teil der Menschen weltweit an Küsten, für Flughäfen im Landesinneren aber wird es auch zukünftig keine 100%ige Sicherheit geben 🔐 - selbiges gilt beispielsweise auch für Autobahnen oder Zugstrecken - Transportwege sind seit Anbeginn jeglicher Zivilisation schon immer die Achillesferse🤷‍♂️

  • OK, was ist also das Ergebnis?

    Ein paar Tausend Urlauber gesellen sich zu der ohnehin schon sehr großen Gruppe, die einen Brass auf die LG hat und die Flughäfen sind so etwas wie ein offenes Scheunentor.

    An der Schraube muss dann man wohl drehen.

    Dafür danke, LG.

  • Die Sicherung eines so großen Geländes wird bei Flughäfen für die zivile Luftfahrt immer lückenhaft sein. Auch große Flughäfen im Ausland haben Maschenzäune oder Stacheldraht, über/durch den man in das Gelände gelangen kann. Wenn man dort ist, ist das sofort eine Störung, aber noch keine katastrophale Gefährung. Weitere Bereiche in dem Gelände haben ja weitere Absicherungen.



    Der Unterschied zwischen vielen Orten im dem Ausland und D ist "nur", das zB in den USA wahrscheinlich schneller geschossen würde und in anderen Ländern erstmal Verschwinden hinter Gefängnismauern angesagt ist.



    PS es nützt auch nichts die Fläche absolut zu schützen - in den frei zugänglichen Schalterhallen im Flughafen oder in den Bahnhöfen halten sich viel mehr Menschen auf. Oder wollen wir überall Einlasskontrollen?

    • @fly:

      Bewegungsmelder gibts an auslaendischen Flughaefen schon. Unabhaengig davon, wer will kommt immer rein. Deshalb sind die Strafen fuer die Gefaehrdung des Flugverkehrs auch so saftig, sie sollen abschrecken, muessen dafuer aber auch angewandt werden und das klappt im Ausland besser.

      Allerdings stellt sich die Frage, warum bei den Sicherheitskontrollen fuer Passagiere so ein Aufwand betrieben wird, zb bei Fluessigkeiten, waehrend jeder mit nem Drahtschneider einfach zum Flugzeug spazieren kann. Da kommt man sich schon ein bissl veraeppelt vor.