Israel und Menschenrechtsverletzungen: Empathie für beide Seiten

Die jüngste Geiselbefreiung zeigt, in welchem moralischen und humanitären Dilemma sich Israel befindet. Das zu lösen, ist kaum möglich.

Eine Hausruine in Gaza

Zerstörungen im Flüchtlingslager Al Nuseirat, Gaza am 9. Juni Foto: Abed Khaled/reuters

Wie hätten Sie bei der Operation zur Geiselbefreiung im Flüchtlingslager Al Nuseirat entschieden? Hätten Sie die Befreiung der Geiseln sichergestellt und die getöteten palästinensischen Zi­vi­lis­t*in­nen zu Kollateralschaden erklärt? Oder die Geiseln mit den Sol­da­t*in­nen unter Hamas-Feuer sterben lassen? Debatten wie diese füllen die sozialen Medien, seitdem sich die Vorwürfe gegenüber Israel mehren, bei der Aktion Kriegsverbrechen begangen zu haben.

Das UN-Menschenrechtsbüro spricht nun von „möglichen Kriegsverbrechen“ angesichts der hohen Opferzahl auf palästinensischer Seite. 270 Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen sollen nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde getötet worden sein. Die Men­schen­rechts­ex­per­t*in­nen bezweifeln, dass die Prinzipien des humanitären Völkerrechts eingehalten wurden. Auch auf palästinensischer Seite, so das Büro, könnten Kriegsverbrechen begangen worden sein, etwa das Festhalten der Geiseln in einem dicht besiedelten Gebiet.

Die Geiselbefreiung spiegelt ein Dilemma wider, in dem sich Israel seit Langem bewegt – wobei Israel in diesem Krieg Berichten des Guardian und von +972 zufolge mehr palästinensische Opfer als sogenannte „Kollateralschäden“ in Kauf nahm als jemals zuvor. Wenn man der Erzählung des israelischen Militärs, abgebildet in der New York Times, Glauben schenken darf, kam es laut Medienberichten zu einer Panne am Militärjeep, mit dem drei Geiseln und ein verletzter Offizier evakuiert werden sollten. Der Wagen soll unter Feuer von Militanten geraten sein, woraufhin der Befehl kam, Dutzende von benachbarten Zielen zu bombardieren, um den Rettern Zeit und Deckung zu verschaffen.

Während die sozialen Medien mit Schwarz-Weiß-Bildern der Ereignisse heißlaufen, sollte man dem Empathie für beide Seiten entgegensetzen: für die Geiseln und ebenso für die palästinensischen Zi­vi­lis­t*in­nen, deren Träume und Leben unter Schutt begraben wurden.

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Jahrgang 1979, Auslandsredakteurin, zuvor von 2019 bis 2023 Korrespondentin für Israel und die palästinensischen Gebiete.

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