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Christliche In­flu­en­ce­r*in­nenInsta, Youtube, Gott

Christliche In­flu­en­ce­r*in­nen gewinnen in Deutschland die Aufmerksamkeit von Zigtausenden. Einige von ihnen predigen besonders konservativ.

Mit erhobenem Zeigefinger: Jana Highholder Foto: Jörn Neumann/imago

Die christlichen Influencerinnen Jana Highholder und Jasmin Neubauer präsentieren sich in ihrem neuen Podcast „Jana & Jasmin“ selbstbewusst. „In Zeiten wie diesen gibt es auf alle mögliche gesellschaftlich relevante [sic!] Fragen tausende Antworten“, heißt es im Ankündiger. „Wir glauben: Nur eine davon ist wahr.“ Die beiden wollen nun „Tacheles reden“. Das tun sie auch schon auf ihren Instagramkanälen hiighholder und liebezurbibel: Zwischen beigefarbenen Bibelkacheln oder freundlichen Motivationsvideos äußern sie sich immer wieder politisch – und nähern sich zunehmend der politischen Rechten an.

„Wen soll ich als Christ wählen?“, fragt Neubauer etwa auf ihrem Kanal und versucht danach direkt selbst zu antworten. Als „persönliche Parameter“ führt sie unter anderem die „Erhaltung von Familie zwischen Mann, Frau & Kind“ oder das „Fernhalten von politischen Idelogien [sic!] im Kindergarten“ auf. Eine konkrete Wahlempfehlung gibt die Influencerin nicht, dennoch wird deutlich, welche Parteien ihren Ansprüchen genügen.

Darüber hinaus trat Neubauer im Februar 2023 in einem Youtube-Video von Leonard Jäger auf, der sich als „Ketzer der Neuzeit“ inszeniert. Er störte im Januar 2023 einen queeren Gottesdienst an der Berliner Humboldt-Universität und machte diesen anschließend auf Youtube verächtlich. Im Video mit Neubauer sprechen sie über den biblischen Schöpfungsbericht – der dient Jäger als Legitimation für seine Störung. Die dort angeblich grundgelegte Geschlechterbinarität sei in Vergessenheit geraten.

Highholder und Neubauer machen für diese Vergessenheit etwas verantwortlich, das sie „Dekonstruktion“ nennen, also biblische Aussagen zu historisieren und im Licht der Gegenwart zu verstehen. Neubauer hält diese Form der Bibellektüre für eine „Irrlehre“, die Menschen krank mache. Gegen diese würden nur Treue zum biblischen Buchstaben und möglichst einfache Antworten helfen.

Ringt oft mit ihrem Zweifel

Theologiestudentin Kira Beer begleitet die Entwicklung der beiden Influencerinnen seit längerer Zeit. Auch sie erzählt auf Instagram unter kira__beer von ihrem Glauben, verfolgt aber eine andere Strategie. Statt die eine einfache Antwort zu geben, ringt sie in oft ausführlichen Beiträgen mit ihrem Zweifel.

Die Verantwortlichen gehen auf Distanz und setzen auf Influ­encer*innen, die ein vielfältiges Bild vermitteln

Für Beer haben sich nicht die Positionen der Influencerinnen radikalisiert, sondern lediglich ihr Wille, diese offensiv zu vertreten. Die stärkere Präsenz progressiver Stimmen fordere rechte Chris­t*in­nen in ihrem Anspruch heraus, das „einzig wahre Christentum“ zu vertreten. Ihr politischer Einfluss sei jedoch schwer einzuschätzen, sagt Beer.

Von 2018 bis 2020 war Highholder mit einem Youtube-Kanal namens „Jana glaubt“ auch offiziell für die evangelische Kirche im Einsatz. Das Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP) und die Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend (aej) verantworteten ihn gemeinsam.

Distanz zum ehemaligen Star

Er sollte junge Menschen mit einem auf sie zugeschnittenen Angebot für christliche Inhalte begeistern. Allerdings wurden schon zu dieser Zeit in Christ & Welt Vorwürfe gegen die Influencerin laut: Highholder sein ein „trojanisches Pferd“, das „biblizistische und evangelikale Positionen“ propagiere, so die evangelische Pfarrerin Hanna Jacobs.

Inzwischen gehen die Verantwortlichen auf Distanz zu ihrem früheren Star. Das GEP unterstützt mit dem evangelischen Contentnetzwerk yeet lieber Influencer*innen, die ein vielfältiges Bild des Christentums vermitteln. Besonders eindrucksvoll zeigen zum Beispiel die queeren Pastorinnen Steffi und Ellen Radtke als „Anders Amen“ ihren Familienalltag in Osnabrück.

Aber während Highholder und Neubauer bei Instagram ohne institutionelle Unterstützung auf rund 60.000 und 70.000 Follows kommen, ist die Öffentlichkeit von Anders Amen mit 24.000 viel geringer. Und es warten neue Herausforderungen: Auf Tiktok hat der Wettbewerb der religiösen In­flu­en­ce­r*in­nen gerade erst begonnen. Jasmin Neubauer ist schon dort und ihr erfolgreichstes Video wurde 185.000-mal angeschaut. Es handelt von der Hölle.

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17 Kommentare

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  • Das sind halt profitgeile Ideologen, wie die schon lange aktiven US Televangelisten und Megachurcher, die gut vermarktbares Pseudo-Christentum vor den Karren ihrer Profitinteressen spannen. Mit den zunehmenden Krisen und Kollapserscheinungen überall auf der Welt, werden solche "snake oil salespeople" und Sekten wie Pilze aus dem Boden schießen.

  • Wie wissen es doch längst;



    Geld regiert die Welt.

    Also, wer bezahlt diese christlichen Influencer:innen dafür, dass sie ihren bedeckten Wahlempfehlungen verbreiten?

  • Als Christ bin ich schockiert zu sehen wer sich dort als typische Christen ausgibt und vorgaukelt, dass ihre Deutungen im Sinne Jesu sein könnten. Es ist nur eine schreiende Minderheit. Mit das Schlimmste aber ist, dass sie auf widerwärtigster Art mit Angsterzeugung arbeiten. Am Ende sind es dann Agnostiker wie REZO die das kommentieren und die Verzerrungen gerade rücken.

  • Christliche Ideologie (Begriff bitte selbst in Wiki nachschaun) als Leitbild der modernen Welt...aha.

    Also zuhause mag das ja grad noch gehen, aber in der weltlichen Realität ist das nur noch ein Lacher.

    • @Mitch Miller:

      Das Christentum ist Grundlage unserer westlich-weltlichen Kultur. Wegen diesem funktioniert unsere Gesellschaft so wie sie es tut. Der Islam hat im Gegenzug die muslimische Welt stark geprägt, der Konfuzianismus China, der Buddhismus grosse Teile Südostasiens und der Hinduismus Indien. Deswegen kommt es immer wieder in Grenzregionen zu Konflikten weil dort völlig verschiedene Wertesysteme aufeinandertreffen. Ob man sich als Europäer als Christ versteht oder nicht, wie man die Welt begreift ist stark geprägt von "christlicher Ideologie".

      • @Marlon Karmichael:

        Sehr schön gesagt. Auch der Herr "Nutzer" antwortet sehr differenziert und objektiv. Was mich sehr erfreut und hier zu schreiben motiviert hat. Meiner Meinung nach sind Werte-Systeme erforderlich um sich in der Wirklichkeit zu bewegen. Anhaltspunkte die das vermeintlich "Gute" fördern. Präferenzen sind Individuell, doch gewisse Moral-Vorstellungen sind in allen Ideologien gleich. Sich darauf zu berufen und den Rest eher als "Kulturelle Unterschiede" zu klassifizieren wäre wohl ein Schritt nach vorne. "Liebe"



        ist meiner Meinung nach der vereinende Baustein nach dem wohl jeder Mensch strebt. Selbstliebe, Nächstenliebe wie auch Naturliebe das Ziel wohl aller gennanten Ideologien in unterschiedlichen Variationen wie auch Gewichtigkeiten.



        Doch die allgemeine Definition von Liebe ist wohl leider die große Hürde.



        Jede gennante Ideologie verfolgt die Hoffnung eine "Liebesform" zu verbreiten durch den Glauben daran. Doch genau die Erpichtheit der Glaubensrichtungen auf den EINEN "richtigen" Weg zur vollkommenen Liebe seines eigenen Seiens zu verfolgen bringt uns dazu, die Hoffnung an die Liebe zu zerstören.



        Was ist denn Liebe?



        Ich denke bis auf ein paar Gemeinsamkeiten, wird das JEDER Mensch anders beantworten.



        Ich denke Gleichheit in der Ungleicheit (nicht Unrecht) zu finden ist das Ziel. Denn meiner Erfahrung nach lässt sich IMMER eine Basis finden auf die man sich einigen kann.



        Es erfordert nur meistens sehr sehr sehr viel Geduld, Anpassungswillen und Respekt für das Leben als Ganzes.



        Wieso gibt es dann soviel Diskussionen darüber?



        Weil es doch die schönste und schwierigste Frage ist generell zu beantworten: "Was wahrhaftige Liebe ist im großen Erleben des Seins?".



        Wünsche allen einen schönen Gott gegebenen Tag.

      • @Marlon Karmichael:

        nun, der Unterschied zwischen protestantischer Welt und katholischer ist schon signifikant, Unsere Rechtstradition ist eher römisch inspiriert, unsere sogenannten "Bräuche" oft christliche Adaptionen heidnischer Feste. Sicher hat das Christentum Europa geprägt, negativ wie positiv, nur frage ich mich oft, was die christliche Prägung und vor allem welche es konkret sein soll. neuerdings auf die christlich-jüdische Identität erweitert, eine Identität die noch vor einigen Jahrzehnten, nie akzeptiert wurde.



        Ja das Christentum spielte eine Rolle, ja das Selbstverständnis ist christlich, aber was man darunter versteht, ist so verschieden wie man es sich nur vorstellen kann.

  • Sind wir noch das "Volk der Dichter und Denker" oder doch eher das Volk der Glotzer und Beeinflussbaren ??

    • @Perkele:

      Naja, ich treibe mich auch ganz gern mal auf solchen Kanälen hören, Wenn auch nur aus Neugier und mich ein bisschen zu gruseln vor dem, was dann so vertreten wird und von dem man glaubt, es wäre christlich.



      Es ist halt nicht zu vermeiden, dass man dann zeitmäßig mit erfasst wird.

    • @Perkele:

      naja schätze mal jedes noch existierende Volk kann sich irgendwo als volk von Dichtern und Denkern betiteln. besondern wenn es sich garnicht für andere völker interessiert. mal davon abgesehen das dichter und denker wohl eher die ausnahmen selbst in der deutschen bevölkerung waren

  • Wenn sich vermeintlich unpolitische evangelikale und pfingstlerische Christen hierzulande immer weiter nach rechts radikalisieren, liegt das in der Natur der Sache bzw. der „Lehre“ - aus den Staaten ist das Phänomen schon seit langem bekannt.



    Ihr Idol muss dabei nicht einmal ein gläubiger/wiedergeborener Christ sein - ein Trump ist für die evangelikale Szene nur „Mittel zum Zweck“, dass es dabei zu umheiligen Allianzen mit Rechtsextremisten kommt, stört sie in ihrem religiösen Eifer nicht.



    Jede Wette, dass wir hierzulande eine ähnliche Entwicklung erleben werden.

  • Es gibt auch eine Reihe von Exevangelikalen auf Instagram, die eine Erwähnung verdient hätten, auch wenn sie bei weitem nicht solche Followerzahlen erreichen. Dort kann man nachverfolgen, welche katastrophalen Auswirkungen solches "biblizistisches" Denken im Leben von insbesondere jungen Menschen haben kann.

    • @Rotkehlchen:

      Dort? Also bei den Evangelikalen aus Instagram? Wie das?

  • So ist das mit dem Internet. Auch Gott will es nicht kontrollieren. Einzige Lösung ist abschalten!

    • @A.S.:

      Das hat seinerzeit ja schon Peter Lustig proklamiert. Aber haben die lieben Kinderchen auf ihn gehört?



      DAS kommt dann dabei heraus!😉

      • @Abdurchdiemitte:

        Abwarten, was dabei herauskommt, wenn die Welt überwiegend durch die VR-Brille wahrgenommen wird.

  • "Allerdings wurden schon zu dieser Zeit in Christ & Welt Vorwürfe gegen die Influencerin laut: Highholder sein ein „trojanisches Pferd“, das „biblizistische und evangelikale Positionen“ propagiere"

    Hehehe... "Biblizismus" geht also inzwischen gar nicht bei den "sola scriptura"-Spaltern? (SCNR)