Ausländer:innen in der Bundeswehr: Die Gefahr wäre das Machtgefälle
Gegen die Idee, Ausländer:innen in die Bundeswehr zu holen, lässt sich viel einwenden – nicht aber die Angst vor mangelndem Bekenntnis zum Grundgesetz.
D er Vorschlag ist alt, jetzt könnte aber etwas daraus werden: Verteidigungsminister Boris Pistorius denkt öffentlich darüber nach, Ausländer*innen in die Bundeswehr aufzunehmen. Das taten zwar auch schon seine Vorgängerin, deren Vorgängerin und deren Vorgängerin. Weil die Sorgen der Bundeswehr aber dringlicher geworden sind – der Ukrainekrieg hat den Personalbedarf erhöht, während der Fachkräftemangel voll durchschlägt –, verschwindet die Idee diesmal wohl nicht in der Schublade.
Je nach Ausgestaltung lässt sich gegen diese Aussicht Verschiedenes einwenden: Die Bundeswehr könnte mit ihrer guten Bezahlung potenzielle Rekrut*innen aus Ost- und Südeuropa abwerben, sodass in deren Heimat die Kasernen leerstehen. Und es klingt nach einem zynischen Handel, ausländischen Soldat*innen mit der Aussicht auf die deutsche Staatsbürgerschaft im Zweifel in den Fronteinsatz zu locken.
Das schwächste Gegenargument ist im Vergleich dazu die verbreitete Befürchtung, Soldat*innen ohne deutschen Pass wären im Ernstfall ihrem Arbeitgeber gegenüber nicht loyal genug. In ihrem Eid schwören Bundeswehrsoldat*innen nicht auf blinde Treue gegenüber dem Vaterland, sondern auf „Recht und Freiheit des deutschen Volkes“. Implizit steckt darin der Verweis auf das Grundgesetz – und dessen Grundsätze sind universell. Man muss nicht mit der „Lindenstraße“ aufgewachsen sein, um an die Würde des Menschen zu glauben. Geringer als bei inländischen Soldat*innen wäre bei ausländischen sogar die Wahrscheinlichkeit, dass sie Waffen und Munition für Reichsbürgeraktivitäten abzweigen.
Das größte Risiko könnte umgekehrt gelagert sein: Nicht dass der ausländische Soldat seine Pflichten nicht erfüllt – sondern dass er seine Rechte nicht einfordern kann. Das Bundeswehrprinzip der Inneren Führung sieht vor, dass Soldat*innen Befehle verweigern dürfen, wenn sie ihrem Gewissen zuwiderlaufen. Zu so einem Widerspruch gehört aber Chuzpe. Und wenn das Machtgefälle zum Vorgesetzten zu groß wird, wenn am Arbeitsplatz zum Beispiel das eigene Aufenthaltsrecht hängt, ist ein Nein unmöglich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Protest in Unterwäsche im Iran
Die laute Haut
Experten kritisieren Christian Lindner
„Dieser Vorschlag ist ein ungedeckter Scheck“
Soziologe über Stadt-Land-Gegensatz
„Die ländlichen Räume sind nicht abgehängt“