Parteiausschlussantrag gegen Wagenknecht: „Es braucht jetzt eine Klärung“
Die Bremer Fraktionschefin Sofia Leonidakis hat den Ausschluss von Sahra Wagenknecht beantragt. Mehr als 50 Linke stehen hinter der Forderung.
taz: Frau Leonidakis, Sie haben an diesem Montag einen Ausschlussantrag gegen Sahra Wagenknecht gestellt. Was hat Sie dazu bewegt?
geboren 1984 in Überlingen, ist seit 2015 Abgeordnete der Bremischen Bürgerschaft und seit August 2019 Vorsitzende der Linksfraktion in Bremen.
Sofia Leonidakis: Wir glauben, dass die Zukunft ohne Sahra Wagenknecht jetzt beginnen muss. Das Verhalten von ihr ist in höchstem Maße parteischädigend für die Linke. Deswegen glauben wir, dass ein Ausschlussantrag jetzt die nötige Antwort darauf ist.
Was werfen Sie Wagenknecht konkret vor?
Es ist für niemanden mehr zu übersehen, dass Sahra Wagenknecht aus der Linken heraus die Gründung einer Konkurrenzpartei plant. Damit verbunden ist, dass sie sich wiederholt und fortgesetzt in einen politischen Widerspruch zu den Grundwerten der Linken begibt. Sie fordert zwar plakativ soziale Gerechtigkeit – aber mit Ausschlüssen. Wir wollen hingegen soziale Rechte, die für alle sind, denn sonst sind sie nicht sozial. Sie möchte eine restriktive Migrationspolitik. Wir stehen für eine solidarische Migrationspolitik gegen Abschottung und Entrechtung von Geflüchteten. Sie hat die Klimabewegung diffamiert. Wir stehen für Klimaschutz mit sozialem Ausgleich. Die politischen Positionen von Sahra Wagenknecht sind inzwischen mit denen der Linken unvereinbar geworden. Deswegen wollen wir jetzt die Trennung herbeiführen.
Wer steht hinter Ihrem Ausschlussantrag?
Eingereicht haben den Antrag 58 Mitglieder aus fast allen Landesverbänden unserer Partei. Darunter sind Kreis- und Landessprecher:innen, Bundesvorstandsmitglieder ebenso wie Abgeordnete aus diversen Kommunal- und Landesparlamenten sowie dem Bundestag. Sie repräsentieren die Breite der Partei. Die, die unseren Antrag begrüßen und richtig finden, sind übrigens noch sehr viel mehr.
Was erhoffen Sie sich von einem Ausschluss Wagenknechts?
Es braucht jetzt einfach eine Klärung. Der permanente öffentliche Widerspruch zu unseren Grundpositionen, das Vertreten von unsolidarischen Positionen aus der Linken heraus fügt der Linken massiven Schaden zu. Das haben wir auch gerade wieder bei den Wahlkämpfen in Hessen und Bayern erlebt. Das Profil der Linken ist dadurch unklar geworden. Die Wählerinnen und Wähler wissen nicht mehr, woran sie bei der Linken sind. Das ist für uns eine Katastrophe.
Warum wollen Sie Wagenknecht ausschließen lassen, wenn sie sich doch ohnehin demnächst mit ihrer Gefolgschaft abspalten, also freiwillig gehen wird?
Das Szenario, dass sie den Zeitpunkt ihrer Abspaltung einfach selbst bestimmt und bis dahin aus der Linken heraus ihrer Nochpartei größtmöglichen Schaden zufügt, können wir nicht hinnehmen. Dagegen wollen wir mit unserem Ausschlussantrag vorgehen.
Aber müssen Sie nicht befürchten, dass über Ihren Antrag erst beraten wird, wenn Wagenknecht schon weg ist?
Das kann man nicht wissen. Die Pläne, ob und wann sie eine neue Partei gründet, sind ja immer noch nicht klar. Uns ist wichtig, jetzt ein klares Zeichen zu setzen.
Am Sonntag hat Ihre Partei verheerende Wahlniederlagen in Hessen und Bayern erlitten. Kommt da Ihr Antrag nicht vielleicht etwas zu spät?
Wir haben bewusst die Landtagswahlen in Bayern und Hessen abgewartet. Das war ein Akt der Solidarität mit unseren Wahlkämpfer:innen, die es auch so schon aufgrund der permanenten Querschüsse von Wagenknecht & Co. schwer genug hatten. Aber ja: Es ist höchste Zeit.
Glauben Sie, dass die Probleme der Linken gelöst sind, wenn Wagenknecht und ihre Gefolgschaft nicht mehr in der Partei sind?
Natürlich wären damit nicht alle unsere Probleme gelöst. Die Linke muss sich erneuern, um eine Perspektive zu haben. Aber dazu muss sie auch die Chance haben. Das hat sie solange nicht, solange von innen heraus versucht wird, sie zu zerstören. Deswegen muss die gegenwärtige Hängepartie beendet werden. Wir wollen eine Linke, die für soziale Gerechtigkeit und Solidarität steht, die die Rechte von Frauen und queeren Menschen gleichermaßen verteidigt, die sich für Klimaschutz, nachhaltiges Wirtschaften und Vergesellschaftung einsetzt. Es muss endlich aufhören, dass jene, die etwas anderes wollen, innerhalb der Linken das eine gegen das andere, die einen gegen die anderen ausspielen. Wer diese Überzeugung mit uns teilt, ist hingegen herzlich eingeladen, bei uns mitzumachen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?
Netzgebühren für Unternehmen
Habeck will Stromkosten senken
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg