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Indigene protestieren gegen WindparksSamen blockieren Parlament in Oslo

Unterstützt von Greta Thunberg protestieren die Indigenen gegen zwei Windparks – und blockieren dabei unter anderem elf Ministerien.

Protest in Oslo: Samen, zum Teil in traditioneller Kleidung vor dem Eingang von Statkraft Foto: Emelie Holtet/dpa

Stockholm taz | Menschenrechte gelten auch für das indigene Volk der Samen. Daran hat nun Norwegens Nationales Menschenrechtsinstitut (NIM) die Regierung erinnert. Am Mittwoch waren zwei Jahre vergangen, seit der Oberste Gerichtshof des Landes die Genehmigung für Bau und Betrieb von zwei Windkraftparks wegen Verstoß gegen die Menschenrechte der Samen für illegal erklärt hatte. Geschehen ist seither – nichts. Die Regierung blieb einfach untätig, die 151 Windkraftanlagen sind weiterhin in Betrieb.

In einem offenen Brief wies NIM Ministerpräsident Jonas Gahr Støre darauf hin, dass diese Verzögerungstaktik nach dem bereits erfolgten ersten Menschenrechtsverstoß einen weiteren nach sich ziehen könnte: Weil Oslo seiner Verpflichtung zur Wiederherstellung des vorherigen Zustands nicht nachkomme, sei dies ein Bruch von Artikel 2 des UN-Pakts über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR).

Hunderte vor allem jugendliche Samen und AktivistInnen der Umweltorganisation Natur og Ungdom hatten von Mittwoch bis Freitag in einer dreitägigen Protestaktion gegen den seit zwei Jahren anhaltenden Rechtsbruch demonstriert. Sie erhielten erneut Verstärkung durch Greta Thunberg und Fridays for Future aus Schweden. Auch die Zentrale des staatlichen Energiekonzerns Statkraft wurde blockiert, der daraufhin seine Angestellten aufforderte, im Homeoffice zu arbeiten.

Zeitweise fanden im Osloer Regierungsviertel Blockadeaktionen gegen elf Ministerien statt. Außerdem weigerten sich die von linken Oppositionsparteien zum Besuch des Parlaments eingeladenen Samen, dieses wieder zu verlassen.

Die Proteste endeten erst, nachdem König Harald die Samen zu einer Audienz empfangen hatte. Die Besetzung des Storting wurde nach zehn Stunden beendet. Die DemonstrantInnen wurden dabei einzeln hinausgetragen – ohne juristische Folgen. Vermutlich wollten die Behörden vermeiden, dass die geringfügigen Rechtsverstöße gegen den offensichtlich rechtsbrüchigen Staat auch noch von Gerichten als gerechtfertigt bewertet werden könnten.

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31 Kommentare

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  • Falls es jemand noch nicht kapiert hat: Fortschritt gibt's nicht in der Natur - und schon garnicht für eine Art.

  • Wenn es um die Energiegier mächtiger Menschengruppen geht, werden lästige Menschen und sonstige Rechte eben suspendiert. Das ist nicht nur Norwegen so. Man kann in solchen Fällen auch Ausnahmen definieren. Bei uns geht man lieber diesen Weg. Kommt aber auf das selbe raus: kollektiver Selbstmord auf Raten im Namen des Fortschritts und des Wohlstandes.

  • Gut, dass sie sich wehren und hätte nicht gedacht, mal die Fridays zu loben, denn Fakt ist, dass die grüne Energiewende eiskalter Kapitalismus ist. Habecks Gesetz nützt den Investoren wie Blackrock, aber bringt dem Klima gar nichts bzw nur homöopathisch. Die eigentlichen Gewinner sind die Kapitalgeber, die uns über ihre Vertreter in der Regierung und Grünen Partei dazu zwingen, so zu investieren, dass sie davon profitieren

    • @Michael 202222:

      "dass die grüne Energiewende eiskalter Kapitalismus"



      Wie hatten sie es sich denn sonst vorgestellt? Finden Sie es realistisch, dass jemand ein Windrad kauft und betreibt, ohne damit Geld zu verdienen?

    • @Michael 202222:

      "Gut, dass sie sich wehren (...) Habecks Gesetz nützt den Investoren..."



      Wusste gar nicht, dass deutsche Gesetze auch in Norwegen greifen?

      • @Encantado:

        Analogien erkennen, kann jedem/r helfen. De nada.

  • Menschenrechte? Es wurde doch letztens geklärt, dass eine lebenswerte Zukunft auch ein Menschenrecht ist.

    Wollen sich die Samen nicht daran beteiligen, dass man versucht, den Klimawandel möglichst zu bremsen?



    Das wird auch deren Lebensraum betreffen.

    Gab es denn spezielle Gründe, die Windräder DORT zu bauen: viel Wind, Zugang, Infrastruktur?



    Oder war es umgekehrt, dass man von den Samen am wenigsten Widerstand erwartet hat?

    • @Mitch Miller:

      Deutschland (DDR) hat damals auch bevorzugt sorbische Dörfer für den Kohletagebau geopfert und die letzten sprachlich homogenen Gebiete unserer Minderheit strategisch geschickt vernichtet. Vielleicht wollen Indigene jetzt auch einfach nur selbst über das eigene Land entscheiden nach Jahrhunderten der Unterdrückung? Wenn ich die Wahl habe zwischen Selbstbestimmung und Klimaschutz wäre meine Wahl jederzeit klar.

      • @Šarru-kīnu:

        Hier geht es aber überhaupt nicht um einen Konflikt Selbstbestimmung vs. Klimaschutz.



        Samen aufgrund ihrer praktizierten materiellen Kultur zu besonders qualifizierten Klima-, Natur oder Umweltschützern erklären zu wollen, wäre sicher eine romantisierend-verklärende Sicht auf indigene Kulturen, die genau so einem rassistischen Diskurs entspricht wie die Aussage, Indigene würden dem Fortschritt per se im Weg stehen.



        Soviel ich weiß, gehen auch norwegische Samen im Winter heutzutage nicht mehr mit dem Rentierschlitten zur Jagd, sondern erledigen ihre Einkäufe im Supermarkt mit dem Auto oder Motorschlitten.



        Ich denke, es geht hier eher um eine klassische, im antikapitalistischen Kontext geführte Debatte über die Verfügung von Land und Ressourcen: Indigene - ob in Skandinavien, Australien, Indien oder am Amazonas - sind halt die Letzten, die den ökonomischen Verwertungsinteressen des Kapitals an Land und Bodenschätzen entgegenstehen. Das macht sie zu besonderen Solidarisierungsobjekten des politisch linken Spektrums. Wohlgemerkt: zu Objekten!



        Sie könnten auch sagen: wo die Linke auf ganzer Linie versagt hat, sollen es nun eben indigene Bevölkerungsgruppen richten … und stellvertretend für uns (wegen unseres mangelnden Veränderungswillens) noch dazu das Überleben der Menschheit retten. Ein bisschen viel verlangt.



        Und natürlich geht es dabei auch immer um ethnische bzw. kulturelle oder sprachliche Identität. Die Zugehörigkeit zu bestimmten ethnisch-kulturellen Minderheiten kann Verfolgung und Vernichtung bedeuten, im westlich-liberalen Kontext jedoch inzwischen meistens Anerkennung und Zugang zu gesellschaftlicher Partizipation oder sogar zu besonderen Ressourcen oder Privilegien.

    • @Mitch Miller:

      "Das wird auch deren Lebensraum betreffen." Deren Lebensraum ist bereits betroffen, nämlich durch eben jene Windparks, die gerichtlich bereits für illegal erklärt wurden, von daher bedarf es auch keine Diskussion mehr ob der Standort gerechtfertig ist oder nicht!

      • @PartyChampignons:

        Ihr Antwort ist sinnfrei, da ich vom Klimawandel sprach und nicht den Massnahmen dagegen.

        Und Gerichte erklären manchmal auch ziemlichen Unsinn, je nachdem, wer die Klage angestrengt hat und wie derdie RichterIn drauf ist.

        Von aussen betrachtet kommt mir das jedenfalls ein wenig Nimby-mässig vor...allerdings sollte ein Schutzgebiet ein Schutzgebiet sein, sonst kann man sich den Zirkus ja auch sparen, wenn dann doch jeder hinbaut was er will.

  • Erstaunlich, dass der Bau der Windkraftanlagen nicht nur rechtswidrig war, sondern sogar Menschenrechte verletzt, weil die Anlagen auf den Gebieten der Samen gebaut wurden. In anderen Regionen müssen die Einheimischen die mit der Umstellung der Stromerzeugung auf Windkraft verbundenen Beeinträchtigungen hinnehmen, weil es um "Klimaschutz" gehen soll. Menschenrechte sind aber dadurch gekennzeichnet dass sie allen Menschen gleichermaßen zustehen, unabhängig davon, wie lange ihre Vorfahren in einem Gebiet gelebt haben.

    • @Budzylein:

      Die Samen sind eine Minderheit, daher besonders geschützt.

      • @Woodbine:

        Vor was denn? Windkraftanlagen?

        • @Tom Tailor:

          Zufahrtsstraßen für Anlieferung und Aufbau, Leitungen, viel Arbeit mit schwerem Gerät. Bis eine Anlage steht, muss an ablegenen Orten erst einmal viel zerstört werden.

          • @Woodbine:

            In diesem Fall scheinen die Windparks aber schon lange fertiggestellt zu sein. Also worin liegt die Beeinträchtigung? Und weiters: welche Beeinträchtigung durch Windkraftanlagen kann eine ethnische Minderheit für sich geltend machen, was die Mehrheitsbevölkerung nicht könnte?

            • @Tom Tailor:

              Die Minderheit wird auch vor Beeinträchtigungen durch den Lebensstil der Mehrheitsbevölkerung geschützt.

              • @Woodbine:

                Und was ist wenn diese besagte Minderheit dem gleichen Lebensstil wie die Mehrheit fröhnt?

                • @Tom Tailor:

                  Noch gut 10% der Minderheit lebt traditionell. Der Schwund passierte jedoch nicht ganz freiwillig, da man ihnen jahrelang Land und Weidegründe weggenommen und Sprache und Kultur unterdrückt hat.







                  www.planet-wissen....ensdiesami100.html

                  • @Woodbine:

                    Mit dem gleichen Argument könnten die Friesen in D ebenfalls gegen Windkraft-Anlagen an Land oder als Offshore-Anlage klagen.

  • "Unterstützt von Greta Thunberg protestieren die Indigenen gegen zwei Windparks"



    Greta? Was machst du da?

    Windkraftwerke, aber nicht bei mir?

    • @Encantado:

      Windkraftwerke müssen nicht unbedingt in Schutzgebieten entstehen.

      Es gibt genügend Flächen, die bereits genutzt / bebaut / versiegelt wurden.

      Zur Not muss auch der energiebrauchende Mensch mehr Nähe zu den Anlagen dulden.

      • @Woodbine:

        ... und den Energieverbrauch in Frage stellen und entsprechend reduzieren. Dies bedeutet auch Transformation und Reduzierung von Industrie und vorherrschender Lebensweise.

      • @Woodbine:

        ganz recht. sie beantworten damit auch den weiter unten stehenden beitrag, wo eine kollision 2er menschenrechte gesehen wird.

  • Klimaschutz ist mittelbar ebenfalls ein Menschenrecht.

    Ich staune, dass Herr Wolff so gar nicht auf die Kollision beider Menschenrechte eingeht.

  • An dem betroffen Windpark Roan sind die Stadtwerke München erheblich beteiligt. Möglicherweise gab es bei der Gründung des Parks Mißverständnisse. Städter sind in der Mehrzahl und politisch tonangebend. Vielleicht sehen sie sich gegenüber „Landeiern“ auch überlegen, wobei sie dann nahe an einer kolonialen Denkweise wären. Deutschland könnte seinen Strom durchaus wieder vollständig im Inland erzeugen, wenn es denn wollte. Natürlich kann Energie auch im Ausland eingekauft werden. Die Gewinne sollten dann alllerdings auch am Ort der Erzeugung anfallen. Andernfalls würde wieder eine "Kolonie" geplündert.

    • @Donald Duck:

      in hamburg war gerade eine ausstellung zur kolonialisierung der samen bei hagenbecks tierpark - sie waren die ersten, die i n sog. "völkerschauen" "ausgestellt" wurden.



      "03.06. – 01.10.2023



      SPEAKING BACK



      Davi muitalusaid dekoloniseren"



      kunsthaushamburg.d...ordic-narratives/#

      ebd.:



      " Im Rahmen der aktuellen Bemühungen, deutsche Institutionen und Museen zu dekolonisieren, werden die verheerenden Auswirkungen des Kolonialismus auf die Samen und andere Minderheiten im nordeuropäischen Raum oft übersehen. Aus Perspektiven der Kunst und Wissenschaft widmet sich das Projekt einem komplexen und ethisch sensiblen Feld. SPEAKING BACK zeigt rassistische Strukturen des kolonialen Überlegenheitsanspruchs auf und macht deutlich, wie weit verbreitet diese noch heute in Denkmustern und Handlungsweisen der Mehrheitsgesellschaft nachwirken."

    • @Donald Duck:

      "Deutschland könnte seinen Strom durchaus wieder vollständig im Inland erzeugen, wenn es denn wollte." Genau, am besten mit noch mehr Windkraftanlagen. Kritik von der eigenen Bevölkerung? Egal - die haben ja keinen Minderheitenschutz - und wenn die doch politisch aufmucken - sind eh alles Populisten



      *Sarkasmus aus*

  • Wenn's um Profite geht, dann ist das Menschenrecht nichts mehr wert, schon gar nicht, wenn es um Minderheiten geht. Das wird jeden Tag deutlich bei Geflüchteten, Aboriginies, Amazonasindianern oder hier bei den Sami. Das gilt für alle Staaten, auch für das -ach so korrekte- Deutschland...

  • Menschenrechte gelten nicht für Indigene. Das hat Australien letztens bewiesen und Norwegen wird früher oder später denselben Weg gehen und die Heimat der Samen plattwalzen. Greenwashing ist in.

    • @Troll Eulenspiegel:

      Häh? Australien hat eine rechtliche Bevorzugung von Aborigines abgelehnt.