Flüchtlingsgipfel: Im Chor mit der Union

Eine Milliarde mehr für Kommunen und Länder, aber auch mehr Abschiebungen und Zäune. Die Flüchtlingspolitik der Ampel-Koalition schaltet auf schwarz.

Eine Person mit Rucksack im Bild eines Nachtsichtgerätes

Schutzsuchender im Visier von Frontex irgendwo auf der Balkanroute Foto: Sadak Souici/imago

Es ist amtlich: Die linkeste Regierung, die Deutschland seit Jahren hatte, will lieber Unsummen in Zäune an den EU-Außengrenzen und Kontrollen an den eigentlich offenen europäischen Binnengrenzen stecken, als Kommunen nachhaltig bei der Unterbringung und Integration Geflüchteter zu unterstützen.

Nachdem der Bund erst klar gesagt hatte, er wolle keinen weiteren Cent mehr zahlen, wurde es nun doch eine ganze Milliarde, die Länder und Kommunen 2023 bekommen sollen. Seit Monaten fordern die Länder und vor allem viele Kommunen mehr Unterstützung, um Geflüchtete unterzubringen – aber auch dafür, dass jene, die für längere Zeit bleiben werden, Sprachkurse, Schul- und Kitaplätze bekommen. Worauf Bund und Länder sich aber nicht einigen konnten, ist, wie die Finanzierung über dieses Jahr hinaus aussehen soll.

Doch noch bevor Scholz verkündete, dass der Bund den Ländern und Kommunen nun doch mehr Geld geben wird, erklärte er in aller Ausführlichkeit, wovon es außerdem „mehr“ geben soll: mehr Abschiebungen, mehr Abschiebehaft, mehr sichere Herkunftsstaaten, mehr Verstöße gegen das auch für Geflüchtete geltende Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung.

All das fand sich schon im Entwurfspapier der Bundesregierung für den Gipfel, als Tauschangebot: Wir geben euch kein Geld, stattdessen werden wir die Leute los. Jetzt gibt es Geld – und die Abschiebedebatte läuft weiter. Ganz ohne Not hat die Koalition aus SPD, Grünen und FDP die Erzählung der Union weitergetragen, Deutschland breche zusammen unter einer Last von Menschen, die hier nichts verloren haben. Die hier Asyl beantragen, aber es sich eigentlich bloß gemütlich machen wollen. Von der Realität ist das meilenweit entfernt.

Die meisten Menschen kamen aus der Ukraine

Der allergrößte Teil der Menschen, die 2022 nach Deutschland flüchteten, kommt aus der Ukraine. Diese Menschen landen nicht in Abschiebehaft, werden überhaupt nicht abgeschoben. Das Gleiche gilt für die ganz überwiegende Zahl der Geflüchteten aus anderen Staaten. Von den rund 100.000 Menschen, die dieses Jahr bereits einen Erstantrag auf Asyl gestellt haben, kommt fast die Hälfte aus Syrien oder Afghanistan. Insgesamt war die Quote derer, denen Schutz zugesprochen wird, im Jahr 2022 auf einem Rekordhoch. Noch dazu waren 40 Prozent der Klagen gegen ablehnende Bescheide erfolgreich.

Kurz: Die allermeisten dieser Menschen bekommen Schutz. An den aktuellen Herausforderungen ändert sich nichts, wenn die Bundesregierung im Chor mit der Union über Abschiebungen fantasiert, die es nicht geben wird. Insofern ist es fast konsequent, die Menschen bereits an der Einreise in die EU zu hindern. Wem aber als Antwort auf Krieg, Folter und Verfolgung nur Zäune, Haftzentren und Grenzschutzmissionen einfallen – der braucht von einem Paradigmenwechsel in der Migrationspolitik, wie die Ampel ihn versprochen hat, gar nicht erst zu sprechen. Und von Rechtsstaatlichkeit und Menschenwürde sollte er erst recht schweigen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

leitet das Inlandsressort der taz. Davor war sie dort seit Oktober 2018 Redakteurin für Migration und Integration und davor von 2016-17 Volontärin der taz Panter Stiftung. Für ihre Recherche und Berichterstattung zum sogenannten Werbeverbot für Abtreibungen, Paragraf 219a StGB, wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Im März 2022 erschien von Gesine Agena, Patricia Hecht und ihr das Buch "Selbstbestimmt. Für reproduktive Rechte" im Verlag Klaus Wagenbach.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.