Mini-E-Auto statt SUVs: Aus eins mach drei
Eine Schweizer Firma will den Trend zu immer größeren Autos umkehren. Drei ihrer Mini-E-Autos vom Typ „Microlino“ passen auf einen Stellplatz.
„Wir wollen eine neue Produktkategorie schaffen. Zwischen dem Motorrad und dem Auto“, sagt Oliver Ouboter in einem Beitrag im Schweizer Fernsehen. Zusammen mit seinem Bruder Merlin und Vater Wim können seit diesem Jahr die Kleinstautos ihrer Firma Microlino auch in Deutschland gekauft werden. Mit dem E-Auto, das so klein ist, dass es keins ist, hat das Familienunternehmen aus Küsnacht in der Schweiz Großes vor: Es soll den Trend zu E-SUVs bremsen.
Deutsche besitzen immer mehr Autos und fahren sie auch. Deswegen sind im Verkehrssektor die CO2-Emissionen bis heute auch nicht gesunken. Dazu kommt, dass sich die Autobranche seit Jahrzehnten in eine Richtung bewegt: größer, schneller, breiter. Und obwohl E-Autos mit höheren Reichweiten von geringem Gewicht profitieren könnten, folgen sie dem Trend.
Dabei gibt es seit dem vergangenen Jahr mit dem Microlino ein Auto, von dem drei Stück auf einen Stellplatz passen sollen. Es wiegt knapp 500 Kilogramm, ist 2,50 Meter lang und 1,50 Meter breit. Damit ist das Auto so lang wie bestehende Parkplätze breit. Man könnte ihn auch für einen fahrenden Kühlschrank mit 17 PS halten, denn um einzusteigen, schwingt die gesamte Front des Autos nach vorne auf.
Zwei Erwachsene finden darin Platz, dazu laut Hersteller noch drei Bierkästen im Kofferraum. Die Spiegel sind wie zwei Becher, die horizontal an der Seite des Autos angebracht wurden, in ihnen sind auch die Lichter eingebaut. Die Version mit der größten Batterie soll nach 5 Stunden an einer Haushaltssteckdose aufgeladen sein und dann im Winter 180, im Sommer 230 Kilometer weit kommen.
Eigene Kategorie für das Kleinstauto
Wegen seines geringen Gewichts wird das Auto wie ein Quad in der Kategorie L7E zugelassen. Diese Kategorie fällt aber nicht in die Förderprogramme des Bunds für Elektroautos. Deswegen wollen die Hersteller, dass für das Kleinstauto eine eigene Kategorie geschaffen wird. Trotzdem ist der Microlino mit einem Einstiegspreis von 15.000 Euro einer der billigsten Elektro-Kleinwagen. Im Vergleich: Der Durchschnittspreis der im vergangenen Jahr verkauften E-Modelle liegt laut einer Analyse des Center of Automotive Management (CAM) bei rund 50.000 Euro.
Um die Maße zu reduzieren, haben die Macher nur eingebaut, was wirklich notwendig ist. So gibt es keine Servolenkung, keine Fahrassistenzsysteme, nicht einmal Airbags. Dafür fährt er auch nur 90 Kilometer pro Stunde. Die rechte Spur auf der Autobahn kann man also nehmen, aber designt ist das Auto für die Stadt.
Die Firma Micro ist ein Familienunternehmen aus der Schweiz. Der Vater entwickelte Tretroller, verkaufte insgesamt 50 Millionen Stück in verschiedenen Ausführungen. Genug, um jetzt das Autoprojekt zu finanzieren. 2016 präsentierte Micro in Genf das erste Modell des Microlinos. Nachdem die Reaktionen positiv waren, sollte das Auto bald in Serie gehen und inzwischen eigentlich schon längst auf den Straßen unterwegs sein.
35.000 Kund:innen haben sich bereits einen reserviert
Aber es gab Streitigkeiten mit dem damaligen Partner, der deutschen Firma Artega. Sie sollte den Microlino in Serie produzieren, präsentierte aber einen Klon des Microlinos unter anderem Namen auf einer Automesse. Nach Rechtsstreit und außergerichtlicher Einigung trennten sich die Partner, aber beide Firmen dürfen das Auto produzieren. Artega verkaufte jedoch die Rechte 2022 an das deutsche Start-up Electric Brands, das den Klon unter dem Namen Evetta produziert und vermarktet, inklusive Cabrio-Version. Die ersten Evettas sollen auch 2023 geliefert werden, insgesamt 4.000 im ersten, 30.000 im zweiten Jahr.
Mit einem neuen Partner ging es bei Micro schneller und die Schweizer lieferten die ersten Autos einer Vorserie 2022 aus. Inzwischen laufen 8 Microlinos pro Tag vom Band in Turin, demnächst 24. 2023 sollen so 5.000, im Jahr darauf 12.000 Microlinos gebaut werden. 35.000 Kund:innen haben sich bereits einen reserviert, die Hälfte davon aus Deutschland.
„Ich sehe nicht, dass dieses Autoprojekt jetzt einen großen Trendbruch erzeugen wird“, sagt der Sozialwissenschaftler Oliver Schwedes. Er leitet an der Technischen Universität Berlin den Fachbereich Integrierte Verkehrsplanung und verfolgt seit über 20 Jahren Kleinwagen-Projekte. „Aus ihnen ist aber nicht viel geworden“, sagt Schwedes. Der Lupo war ein „totaler Flop“. Nur wenn das Mini-Auto politisch gefördert werde, werde es Erfolg haben.
Kleine Autos werden automatisch attraktiver
Für eine nachhaltige Verkehrsstrategie müsste auch etwas gegen große Fahrzeuge unternommen werden. Tübingen und Freiburg machen es vor. Statt 120 Euro für einen Anwohnerparkausweis kostet er in Tübingen für SUVs inzwischen 180 Euro (geplant waren 360 Euro). In Freiburg zahlen Anwohner abhängig von ihrer Länge zwischen 240 und 480 Euro im Jahr. Das seien gute Beispiele.
Denn, wenn große Autos teurer würden, „dann werden die kleinen Fahrzeuge automatisch attraktiver“, sagt Schwedes. Er warnt gleichzeitig vor Rebound-Effekten: Die Kleinstwagen dürften nicht dazu führen, dass viel mehr Menschen Auto fahren. Denn es gehe vor allem um die Vermeidung von Verkehr.
In der Vergangenheit hatte es immer den gleichen Grund, warum Kleinwagen-Projekte gescheitert sind: „Die Automobilindustrie hat eigentlich kein Interesse an diesen Kleinstwagen“, denn die großen Profite würden die Autohersteller mit den großvolumigen Fahrzeugen machen.
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