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Union will Klima-Protest erschwerenFachleute gegen härtere Strafen

Forderungen der Union, die Letzte Generation härter zu bestrafen, waren Thema im Rechtsausschuss des Bundestags. Ju­ris­t*in­nen wendeten sich dagegen.

Nach der Räumung von Lützerath protestiert die Letzte Generation am 17. Januar in Köln Foto: Oliver Berg/dpa

Berlin epd | In einer Anhörung des Rechtsausschusses des Bundestages hat sich die Mehrheit der geladenen Ex­per­t*in­nen gegen schärfere Strafen für Straßenblockaden und Beschädigungen von Kunstwerken bei Klima-Protesten ausgesprochen. Der Rechtsstaat bewähre sich gerade dadurch, dass er kein Sonderstrafrecht für Ak­ti­vis­t*in­nen brauche, sondern das geltende Recht funktioniere, erklärte die Leipziger Strafrechtsprofessorin Katrin Höffler in der Anhörung am Mittwoch.

Clemens Arzt, Experte für Polizei- und Versammlungsrecht, warnte davor, Proteste von Gruppen wie der „Letzten Generation“ als radikal zu brandmarken und aus dem Schutzbereich des Versammlungsrechts zu verdrängen.

Die Ex­per­t*in­nen waren aufgefordert, einen Antrag der Union zu bewerten, der Konsequenzen aus den Protesten der Klimabewegung „Letzte Generation“ fordert. CDU und CSU fordern darin, „Bürgerinnen und Bürger besser vor mutwilligen Blockaden öffentlicher Straßen zu schützen“.

Konkret verlangt die Oppositionsfraktion unter anderem, die Strafen bei Tatbeständen wie dem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr oder der Behinderung von hilfeleistenden Personen anzuheben oder mit Mindeststrafen von drei Monaten Freiheitsstrafe zu belegen.

Harte Kritik auch von Republikanischen An­wäl­t*in­nen

Von der Union berufene Sachverständige von der Vereinigung „Weißer Ring“ und von der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) unterstützten den Antrag. Es könne nicht sein, dass eine Gruppe mit einer noch so anerkennungswürdigen Haltung wie dem Klimaschutz Straftaten rechtfertige, sagte Patrick Liesching, Bundesvorsitzender vom „Weißen Ring“, der sich für die Interessen von Kriminalitätsopfern einsetzt.

Die stellvertretende DPolG-Bundesvorsitzende Sabine Schumann sagte, die hohe Inanspruchnahme der Polizei und anderer Einsatzkräfte sei unverantwortlich und schade der inneren Sicherheit.

Auch der Vize-Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Sven Hübner, verwies auf die hohe Belastung durch radikale Formen bei Klimaprotesten. Allein in Berlin seien im Zusammenhang mit der Bewegung „Letzte Generation“ bislang 233.000 Einsatzstunden geleistet, 756 Tatverdächtige festgestellt und 2.700 Strafanzeigen gestellt worden. Er lehnte eine Strafrechtsverschärfung aber ab. Es bestehe keine Gesetzeslücke, sagte er mit Verweis auf bereits ergangene Urteile gegen Aktivisten. Der geforderte bessere Schutz vor Blockaden lasse sich durch eine Anpassung der Strafrechtsnormen nicht erreichen.

Ähnlich argumentierten auch andere von SPD, Grünen, FDP und Linken berufene Sachverständige. Der frühere Richter am Bundesgerichtshof, Thomas Fischer, sagte, er halte das Anliegen des Antrags für plausibel. Er sei aber nicht geeignet, das Ziel zu verwirklichen.

Anwaltsvertreter warnten davor, mit Strafrecht an einer Stelle zu reagieren, wo eher politischer Dialog geboten sei. Der Antrag ziele auf eine bestimmte politische Bewegung ab, sagte Stefan Conen vom Deutschen Anwaltverein. Er könne „nur abraten von hektischer Gesetzgebung“. Adrian Furtwängler vom Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein sprach von einer „gefährlichen Einzelfallgesetzgebung“, der darauf abziele, eine bestimmte politische Bewegung härter zu bestrafen.

Diesen Vorwurf wiesen Vertreter der Unionsfraktion im Ausschuss zurück. Dass ihr Antrag bei der abschließenden Beratung im Bundestagsplenum eine Mehrheit erhält, ist aufgrund der Mehrheit der Ampel-Fraktionen unwahrscheinlich.

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7 Kommentare

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  • Ich bin sehr froh, daß an dieser Stelle die Vernunft gesiegt hat.

    Denn wenn es nach der Union gegangen wäre und die (ohnehin schon überzogenen) Strafen noch weiter verschärft worden wären.. Und das alles nur um das Zerstörerische und Selbstgerechte Weltbild von Union/FDP et al. durchzuboxen.dann wäre nach m.E. ein (verständliches) Wutpotenzial bei der jungen Generation zu erwarten gewesen, was dann tatsächlich zu noch sehr viel radikaleren Aktionen hätte führen können.



    Im schlimmsten Fall kann nämlich aus einer selbstgerechten und ignoranten Haltung der Mächtigen eine ebenso selbst gerechte Reaktion erwachsen, wie dies bei der RAF der Fall war. In dem Fall hätten dann die Dobrindts dieser Welt den Terror regelrecht eingeladen.

    Aber dieses Schicksal scheint uns nun erspart zu bleiben.

    Gott sei Dank...

  • Ich denke dass es nötig ist die Bürgerinnen und Bürger vor der enormen Feinstaubbelastung durch PKWs, insbesondere tonnenschwere SUVs zu schützen indem diese überdimensionierten Fahrzeuge verboten werden. SUVsverursachen mehr Unfälle wobei Die SUVFahrer besser geschützt sind und weniger verletzt werden.Sie verursachen auch mehr Unfälle mit Kindern die sie wohl nicht so gut sehen können aus ihrem Panzerfahrzeug.



    Daneben wird kein Tempolimit verfügt obwohl dadurch Unfälle vermieden werden können und neben dem Leid der Verunglückten die belastende Einsatz der Sanitäter und Polizisten vor Ort.



    Das wäre doch eine Klage wert, dafür könnte sie CDU einsetzen. Die werden es sicher nicht machen, aber warum nicht die DHU oder ähnliche Organisationen?



    Danke an die letzten Generation für Ihren starken Einsatz!

  • Fachleute? Seit wann hat sich die Union für Expertise interessiert?

  • „Der frühere Richter am Bundesgerichtshof, Thomas Fischer, sagte, er halte das Anliegen des Antrags für plausibel. Er sei aber nicht geeignet, das Ziel zu verwirklichen.“

    Das kann ich nicht glauben. Fischer hält sich für nicht geeignet, das Ziel zu erreichen. So etwas würde Fischer doch nicht glauben und schon gar nicht sagen. Kann es sein, dass dem Lektorat hier ein „Er“ für eine „Es“ vorgemacht wurde?

  • War klar dass die Radikalen- Gewerkschaft DPolG wieder mitmischt....

  • Der weiße Ring macht sich lächerlich: Wenn ich, wie ständig, im Stau stehe weil wie immer fast alle gedrängelt haben, obwohl das lebensgefährlich ist, dann stehe ich da als unversehrter Autofahrer in einer Alltagssituation. Wenn ich aber einmal im Stau stehe, weil jemand nach vorheriger Meldung an Polizei und Rettungsleitstellen, sich selbst auf die Straße geklebt hat, dann stehe ich da laut weißem Ring als Kriminalitätsopfer. OK. Interessant. Ich empfinde es als es genau gegenteilig, da ich mich durch die gewöhnlichen Stauursachen Rasen und Drängeln sehr viel mehr bedroht fühle als durch festgeklebte Personen, denn deren Verhalten kann mir unter keinen Umständen schaden, während das Verhalten normaler Stauverursacher mein Leben akut gefährdet, jeden Tag, auf jeder Straße.

  • Interessant. Ich muss mein Bild des "Weißen Rings" wohl korrigieren. Der scheint Leute, die im Stau stehen oder sich beschmutzte Bilder anschauen müssen, für Verbrechensopfer zu halten. Gleichzeitig hat er sich scheinbar noch nie zu Polizeigewalt geäußert.

    Dass die Polizei den Polizeistaat fordert ... business as usual.