Debatte um das „Sondervermögen“: Schatten­kanzler Merz

Die Union wird sich die Zustimmung zum sogenannten Sondervermögen für die Bundeswehr teuer erkaufen lassen. Sozialpolitische Vorhaben sind in Gefahr.

Friedrich Merz gestikuliert im Bundestag

Friedrich Merz kritisiert die Ampelkoalition, aber das ist ja auch sein Job als Oppositionsführer Foto: Michele Tantussi/reuters

Eins muss man Friedrich Merz lassen: Als Oppositionsführer versteht er sein Handwerk. Mit einer enormen Kaltschnäuzigkeit nutzt der CDU-Chef den Ukrainekrieg, um in die Schwachstellen der Ampelkoalition zu grätschen. Und Merz hat ja auch nicht unrecht, wenn er darauf hinweist, „staatspolitische Verantwortung“ der Opposition könne nicht bedeuten, allem kritiklos zuzustimmen, was die Regierung ihr vorlegt.

Dabei geht es um mehr als Wortgeklingel. Aus der Opposition heraus einem Kanzler Schwäche, Zögern, Zaudern oder Ängstlichkeit vorzuwerfen, wie es Merz am Donnerstag im Bundestag getan hat, gehört zum üblichen rhetorischen Geschäft. Sein Angriff ist aber weitreichender: Merz inszeniert sich als eine Art Schattenkanzler, der darauf abzielt, die Regierungspolitik von Rot-Grün-Gelb entscheidend mitzubestimmen. Und er hat gute Karten, dass ihm das gelingt – mit fatalen Folgen.

Sein Einfallstor ist die von der Ampelkoalition geplante zusätzliche Verschuldung um 100 Milliarden Euro, euphemistisch „Sondervermögen“ genannt. Gleich zwei gravierende Fehler hat Kanzler Olaf Scholz Ende Februar in seiner „Zeitenwende“-Rede gemacht: Zum einen lieferte er sich mit der Ankündigung, dieses – finanziell ohnehin aberwitzige – „Sondervermögen“ zur Aufrüstung der Bundeswehr per Grundgesetzänderung abzusichern, der Union, die zustimmen muss, aus.

Zum anderen fügte er noch einen nur schwer misszuverstehenden Satz hinzu: „Wir werden von nun an Jahr für Jahr mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in unsere Verteidigung investieren.“ Das wären dauerhaft nochmals bis zu 25 Milliarden Euro pro Jahr mehr fürs Militär, also nicht bloß eine Verrechnung mit dem „Sondervermögen“. Und genau das fordert nun Merz. Dass die Koalition beteuert, der Kanzler habe es ja gar nicht so gemeint, hilft ihr dabei nur wenig. Schließlich braucht sie für die erforderliche Zweidrittelmehrheit die Stimmen der Union. Sie hat sich erpressbar gemacht.

Zu welchem Kompromiss Merz auch letztlich bereit sein wird, er wird sich die Zustimmung der Union zum „Sondervermögen“ auf jeden Fall teuer bezahlen lassen. Hält die Ampel an der Schuldenbremse fest, worauf sowohl die Union als auch die FDP bestehen, wird dies auf Kosten anderer Etatposten gehen­. Konkret wird sich der Spielraum für eine soziale Politik massiv verringern.

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Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Mehrere Buchveröffentlichungen (u.a. „Endstation Rücktritt!? Warum deutsche Politiker einpacken“, Bouvier Verlag, 2011). Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft.

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