piwik no script img

LKW-Fahrer protestieren auf AutobahnenBesser Raffinerien blockieren

Gareth Joswig
Kommentar von Gareth Joswig

LKW-Fahrer haben Autobahnen um Berlin wegen hoher Spritpreise blockiert. Die Aktionsform wurde bei Klima-Aktivist*innen eben noch kritisiert.

Am Mittwoch gab es Protestaktionen von LKW-Fahrern: Hier in NRW Foto: dpa

E s ist schon ein bisschen eigenartig: Sah man vor wenigen Wochen bei Autobahnblockaden von Klima-Aktivist*innen noch empörte LKW-Fahrer Jugendliche anpöbeln und von Straße schleifen, waren es am Mittwoch LKW-Fahrer selbst, die mit einer Schleich-Kolonne versuchten, die Stadtautobahn lahmzulegen. Und zwar nicht für die Zukunft der Menschheit oder Klimagerechtigkeit, sondern für Steuersenkungen auf Benzinpreise. Obwohl eigentlich klar ist, dass derzeit vor allem Ölkonzerne in unendlicher Dreistigkeit die Preise künstlich hochtreiben – und ihnen für ihre Profite der Ukraine-Krieg gerade recht zu kommen scheint.

Angekommen ist diese Information aber offenbar noch nicht bei mehreren Berliner und Brandenburger Speditionen, die den Protest organisierten und mit einer Schleichfahrt vom Berliner Umland aus starteten, um mit Warnblinklicht und Tempo 30 die rechte Spur zu blockieren. Mehrere hundert Lastwagen sollten nach ersten Angaben beteiligt sein. Die Verkehrsinformationszentrale Berlin und die Polizei meldeten mehrere LKW-Konvois auf der A10, A111, A113 und der Stadtautobahn A100. Zeitweise stockte es auf der gesamten Stadtautobahn – die Verkehrszentrale warnte vor Einschränkungen im gesamten Stadtgebiet.

Die Forderung nach einer sofortigen Senkung der Mineralölsteuer um 50 Cent ist natürlich umso absurder, weil das die Preisspekulationen der Ölkonzerne noch belohnen würde. Eine weitere kuriose Randnotiz bleibt, dass ein Auto-Korso als Protest gegen hohe Benzinpreise im Prinzip wie das Verbrennen von Geld gegen Armut ist.

Aber mal abgesehen von der Doppelmoral bezüglich der eben noch lauthals kritisierter Blockaden, ist die Wut über hohe Preise natürlich verständlich und berechtigt. Gerade bei Menschen, die beruflich auf ihr Auto angewiesen sind und angesichts steigender Kosten in allen Lebensbereichen Existenzängste haben.

Aber warum blockieren die LKW-Fahrer und genervte Au­to­fah­re­r*in­nen nicht die Firmenzentralen der Mineralölkonzerne oder deren Raffinerien, die eigentlich für die hohen Preise verantwortlich sind? Das würde die Verantwortlichen treffen und vielleicht ein bisschen mehr Handlungsdruck auf das offenbar schnarchnasige Kartellamt ausüben.

Und das könnten sie dann ja gleich auch wunderbar zusammen mit den Klima-Aktivist*innen der „Letzten Generation“ machen, die sicher auch gute Gründe finden, Ölkonzerne zu blockieren. Dazu wird es allerdings wohl nicht kommen: Die “Letzte Generation“ kündigte am Mittwoch ihrerseits an, ebenfalls wieder die Berliner Autobahnen blockieren zu wollen und zwar schon am Freitag mit mehreren hundert Ak­ti­vis­t*in­nen anlässlich 100 Tage Regierungszeit der Ampel-Koalition. Motto: „Stoppt den fossilen Wahnsinn!“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Gareth Joswig
Redakteur Inland
Arbeitet seit 2016 als Reporter und Redakteur bei der taz. Zunächst in den Lokalredaktionen von Bremen und Berlin, seit 2021 auch im Inland und Parlamentsbüro. Davor Geschichts- und Soziologiestudium in Potsdam. Themenschwerpunkte: extreme Rechte, AfD, soziale Bewegungen, Mietenpolitik, dies, das, verschiedene Dinge.
Mehr zum Thema

26 Kommentare

 / 
  • Warum die Raffinerien blockieren? die Börse wäre der richtige Ort. Hier wird schließlich auf steigende oder fallende Energiepreise gewettet, auf Kosten von uns allen. Das ist zündeln am Leben der Gesellschaft.

  • Na, wenigstens kleben sie die Reifen nicht mit Sekundenkleber fest.

  • Der Protest der LKW Fahrer hat doch Platz in den Protesten der Letzten Generation. Die wollten doch explizit auch einen sozialen Umgang mit den Energiepreisen :-)

    Ich frage mich nur, ab wann es dann nicht mehr kompatibel ist für die "Letzte Generation". Ab wann darf es für die weh tun?

  • Ich stolpere über den Halbsatz "ist die Wut über hohe Preise natürlich verständlich und berechtigt", den hätte ich erstens nicht in der taz erwartet und zweitens ist er Grundfalsch.



    Ich bin gewiss kein Klima-Radikalinski, der die Welt mit Verboten retten will, aber was kann uns eigentlich besseres passieren, als dass der Markt regelt, dass die Menschen weniger Auto fahren und fliegen, auf Rad, ÖPNV und Bahn umsteigen, langsamer fahren, auf unnötige Fahrten verzichten, Produkte nicht mehr über so lange Strecken transportiert werden, wir beim Heizen achtsamer werden, es sich für Privatleute und Gewerbe langsam wirklich lohnt, auf E-Fahrzeuge umzusteigen, die Menschen nicht mehr das Land zersiedeln und riesige Strecken pendeln usw.? Ja, es wird Produkte und Dienstleistungen geben, die nicht mehr so billig angeboten werden können, aber das betrifft ja dann auch den jeweiligen Konkurrenten, da sind keine Existenzen gefährdet, wenn es sich nicht gerade um ein völlig unnötiges Produkt handelt.

    Die hohen Kraftstoffpreise sind die Chance, dass die notwendige ökologische Transformation fast von selbst anläuft. So läuft das, und nicht über Aktivismus, Demos und Blockaden. Und die höheren Steuereinnahmen geben uns die Chance, denjenigen den Umstieg zu erleichtern, für die er schwierig ist, zum Beispiel den ÖPNV zu fördern. Richtig muss der Halbsatz lauten, "ist die Freude über hohe Preise natürlich verständlich und berechtigt" und so würde ich das auch gerne in der taz lesen.

    • 9G
      93851 (Profil gelöscht)
      @Ruediger:

      "..höheren Steuereinnahmen geben uns die Chance, denjenigen den Umstieg zu erleichtern, für die er schwierig ist, zum Beispiel den ÖPNV..."



      Na super, wissen Sie eigentlich, wo Steuereinnahmen u.a. hinfließen? Dann lesen Sie doch gerne mal nach unter www.steuerzahler.d...litikfinanzierung/ weiter.

      Völlig wahnwitzige Bauvorhaben usw. die Unsummen verschlingen, aber zur Selbstbeweihräucherung der Zuständigen dienen, nicht mehr! Die Bevölkerung wird häufig mit rhetorischem Klopapierersatz belagert oder schlicht und ergreifend gar nicht gefragt. – Das ist die Realität! –



      Schon seit Jahrzehnten hätte man bundespolitisch ein breit gefächertes und vor allen Dingen bezahlbares öffentliches Verkehrsnetz fördern können, stattdessen führen Privatisierungen in ein Desaster nach dem nächsten! Das nur als Beispiel.

      Ach, übrigens müssen Sie noch 100 Milliarden für Rüstung abziehen, die in Jahrzehnten vollkommen unwirtschaftlichen Handelns sicher hätten eingespart werden können ...

      – Noch Fragen? -



      Gut. Dann zahlen Sie doch bitte die ganzen Steuern. Mir reicht's jetzt schon!

      • @93851 (Profil gelöscht):

        Der Kommentar wurde entfernt.



        Unsere Netiquette könenn Sie hier nachlesen: taz.de/netiquette



        Die Moderation

  • Wie kommt es eigentlich, dass die Preise in Deutschland die zweithöchsten (Nach Norwegen) in Europa sind?

    www.benzinpreis.de.../kontinente/europa

    45% des Diesels werden fertig raffiniert importiert.

    Das mit den Raffinerien lese ich nur in der Tat, die normale Gewinnmarge einer



    Raffinerie liegt bei 1 bis 2 Cent.

    Die müsste sich ja vervielfacht haben.

    Wie viel verdienen denn die Raffinereien im Moment?

    Könnte die taz das mal ausrechnen?

    Oder liegt es vor allem an den hohen Abgaben in D?

  • "Die Aktionsform wurde bei Klima-Aktivist*innen eben noch kritisiert."



    Nein, nein, nein! Die Einen sind die Guten, die Anderen die bösen. Die Einen setzen sich für die Wirtschaft ein und die Anderen schädigen sie. ;-S



    An sich sind 30 kmh doch eine gute Sache. Damit unterlaufen sie sogar die Forderung vom Bündnis um die DUH mit einem Tempolimit von 100. Also weiter so mit dem Ausbremsen von Konsum-, Produktions- und Transportwahn. Dadurch sinken auch Spritverbrauch und infolge auch Spritausgaben. ;-)

    • @Uranus:

      Aber es waren doch Schwerkranke und haufenweise Schwangere und noch mehr Superwichtige im Stau die alle überallhin zu spät kamen :)

      • @Opossum:

        Na, für die richtige Sache müssen die eben mal warten. ;-)

  • Die Speditionen, die durch ihre Lobbyarbeit den Güterbahnverkehr kaputt gemacht haben, durch Dieselsubvention seit Jahrzenten gefördert werden, die durch ihre Tochterfirmen im Osten sämtliche fairen Arbeitsbedingungen und Löhne für ihre Fahrer und Steuerzahlungen umgehen, für viele Autobahnbaustellen und Straßenverkehrstote verantwortlich sind, machen jetzt auf Revoluzer?



    Keine müde Mark dafür. Güter gehören jetzt endgültig auf die Bahn.

    • @Leichtmatrose:

      Genau, an den Bahnhöfen holen dann Lastenfahrräder die Güter, Container und Europaletten ab. Dann wäre das Prekariat auch noch beschäftigt.

    • @Leichtmatrose:

      Machen Sie der Bahn keine Angst.

      Die zittert bestimmt schon. :-)

  • Tempo 30 auf Autobahnen?



    Find ick jut!

  • Kein netter Versuch, LKW Fahrer entweder als Pöbler oder quasi als doppelmoralige Dummerchen, weil sie die falschen Adressaten hätten, zu bezeichnen. Zumal eben dieses Argument auch für die Klimaktivisten gilt, die sich gegen Lebensmittelverschwendung auf die Autobahn kleben, ein eher untypischer Ort für Lebensmittel.

    • 1G
      14231 (Profil gelöscht)
      @fly:

      Beides ist dumm. Die Aktion von Klimaaktivisten ist es, weil Sie in der breiten Bevölkerung auf Unverständnis stößt, Trotzreaktionen auslöst und das Thema Klimaschutz somit eher beschädigt. Die Aktion der LKW-Fahrer ist es, weil diese damit jene Aktionen legitimieren, über die sie vor einigen Wochen selbst noch gemeckert haben.

      Wenn es um die Sabotage von Infrastruktur geht, scheint sich jeder der Nächste zu sein.

    • 6G
      68514 (Profil gelöscht)
      @fly:

      Im Artikel ist weder von Pöblern noch von Dummerchen was zu lesen. Sondern es wird zielsicher darauf hingewiesen, dass die Preistreiberei eine logische Konsequenz unsererer vielgepriesenen Marktwirtschaft ist, und lediglich was mit Angebot und Nachfrage zu tun hat. Ein Absenken der Steuer wäre nur ein Freibrief dafür die Preise weiter zu erhöhen und noch mehr Profit zu machen. Insofern ist die Forderung des Autors die Raffinerien zu blockieren schlicht und ergreifend logisch.

      • @68514 (Profil gelöscht):

        Wenn ich da aus Versehen was ned mitgekriegt habe, mea culpa; aber ist seit dem Angriffskrieg Rußlands gegen die Ukraine ein Schluck Öl weniger angeboten worden?



        Und wir haben (neoliberalen) Kapitalismus, ned Marktwirtschaft ;) .



        Ich geh ansonsten aber mit, die LKW-Fahrer*innen haben sich den falschen Adressaten gesucht und eigentlich ist Kraftstoff immernoch zu billig.



        Macht mer sich hier aufm Lande keine Freunde mit der Aussage. Wenn Leute wie Christian Lindner sich via BILD als Barmherzige Samariter aufspielen, sollten alle hellhörig werden, da kann was ned stimmen...

        • 6G
          68514 (Profil gelöscht)
          @Hugo:

          Es ist nicht weniger Öl angeboten worden, aber u.A. ist die Nachfrage nach Heizöl gestiegen. Nur ist die durch die Corona-Pandemie gedrosselte Ölförderung bisher allenfalls leicht angehoben worden. Und dann kommt noch dazu dass die Corona-Erleichterungen auch die Nachfrage nach Benzin, Diesel, Kerosin befeuert. Aber die OPEC-Länder können mit den daraus resultierenden hohen Preisen gut leben und werden die Förderquoten wohl kaum wesentlich erhöhen.

          • @68514 (Profil gelöscht):

            Das wäre aber auch ohne den Kriegstreiber Rußland so gewesen.

          • @68514 (Profil gelöscht):

            damit sind max 50% der Preiserhöhung zu erklären.

            Siehe % Preisanstieg Rohöl vs Preisanstieg Benzin/Diesel.

            Der Rest landen als Gewinn bei den Raffinerien.

    • @fly:

      "...LKW Fahrer entweder als Pöbler oder quasi als doppelmoralige Dummerchen, weil sie die falschen Adressaten hätten, zu bezeichnen."

      Nee, so kennt man LKW-Fahrer auch überhaupt gar nicht. Und es ist ja auch überhaupt nicht so, dass diese Sprit verbrennenden Protestierer sich an die falschen Verantwortlichen wenden würden...

      ... oder vielleicht doch?

    • 4G
      43985 (Profil gelöscht)
      @fly:

      Da stimme ich Ihnen voll und ganz zu!

  • 4G
    43985 (Profil gelöscht)

    Kommt es nicht eher darauf an was die Medien berichten? Ich erinnere mich an sehr viele Fernsehmoderator*innen die stur behaupteten es gäbe keine wirklich Inflation und das über Monate. Selbst der Artikel über den wahren Grund warum Diesel und Benzin immernoch so teuer sind, obwohl der Ölpreis auf Vorkriegsniveau ist, bekommt nur ein Achselzucken seitens der Politik als Antwort.



    Ich persönlich würde einen Streik aller LKW Fahrer*innen bevorzugen und damit erzwingen das Probleme in diesem Land endlich behoben werden.

    • @43985 (Profil gelöscht):

      TAZ = Medienvertreterin (eine von vielen)

      Der Streik an sich ist ja nicht verkehrt, nur der/die Adressat:in ist falsch gewählt.

  • 4G
    49732 (Profil gelöscht)

    Die haben sich das einfach abgeschaut! Wenn Politiker bei Klimaaktivisten das wohlwollend hinnehmen, warum dann nicht bei LKW Fahrer*innen? Gleiches Recht für alle!