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Hohe Spritpreise in DeutschlandKriegsgewinnler Raffinerien

Der Benzin- und Dieselpreis steigt derzeit sehr viel stärker als der Rohölpreis. Die Differenz landet zum Großteil bei den Mineralölkonzernen.

TotalEnergies-Raffinerie in Leuna Foto: Waltraud Grutizsch/dpa

Berlin taz | In der politischen Debatte scheint die Sache klar zu sein: Grund für die Rekordpreise, die derzeit für Benzin und Diesel gezahlt werden müssen, ist der Ukrainekrieg und der damit einhergehende Anstieg der Rohölpreise. Tatsächlich ist dieser Preis, den die Ölproduzenten in den Förderländern kassieren, in den letzten Wochen deutlich gestiegen. Jedoch lässt sich der Anstieg des Benzinpreises damit nur zum Teil begründen, wie eine einfache Rechnung zeigt.

Rohöl der Sorte Brent kostete am Montag 108 Dollar pro Barrel, was ungefähr 100 Euro entspricht. Am 23. Februar, also vor Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine, lag der Preis bei 82 Euro pro Barrel; der Höchstwert am vergangenen Dienstag betrug 113 Euro pro Barrel. Ein Barrel entspricht 159 Litern; ein Liter Rohöl war damit letzte Woche 19 Cent teurer als vor Beginn des Kriegs; aktuell liegt der Aufschlag noch bei 11 Cent.

Der Preisanstieg bei Diesel und Benzin beträgt hingegen ein Mehrfaches dieses Werts: Ein Liter Super E10 kostete in Deutschland am 23. Februar im Schnitt 1,81 Euro, aktuell sind es etwa 2,26 Euro, also 45 Cent mehr pro Liter; Diesel verteuerte sich im gleichen Zeitraum von 1,67 Euro um 64 Cent auf 2,31 Euro pro Liter. Von diesem Aufschlag landet ein kleiner Teil beim Staat; denn während die Energiesteuer und der CO2-Preis Festbeträge pro Liter, also unabhängig vom Preis, sind, steigt die Mehrwertsteuer mit an, wenn der Benzin- und Dieselpreis steigen. Subtrahiert man diesen Betrag, bleibt ein Preisanstieg von etwa 38 Cent pro Liter Benzin und 54 Cent pro Liter Diesel.

Auch wenn man berücksichtigt, dass Erdöl in einer Raffinerie nicht zu 100 Prozent in Benzin, Diesel, Heizöl, Kerosin und Schweröl verwandelt wird, sondern es dabei gewisse Verluste gibt, ist klar, dass die Mehrkosten von 10 bis 20 Cent pro Liter Rohöl den Netto-Preisanstieg von 38 Cent pro Liter Benzin und 54 Cent pro Liter Diesel nicht mal zur Hälfte erklären können.

Wichtigster Profiteur bleiben Raffinerien

Bei den Tankstellen, die vielerorts unter starkem Konkurrenzdruck stehen, dürfte von den zusätzlichen Gewinnen nicht viel hängen bleiben; die Pächter beziehen in der Regel eine feste Provision pro verkauftem Liter. Als wichtigster Profiteur bleiben damit die Raffinerien, in denen das Rohöl zu Benzin und Diesel veredelt wird. Das räumt der deutsche Mineralölwirtschaftsverband (der neuerdings EN2X heißt) offen ein. „Die Raffinerien verdienen derzeit deutlich mehr Geld als vorher“, sagte Verbandssprecher Alexander von Gersdorff der taz.

Die Anlagen, die in der Regel großen Minearalölunternehmen gehören, können derzeit Knappheitspreise erzielen, weil die Nachfrage das Angebot übersteigt. Denn obwohl es offiziell noch keinen Boykott gegen Öl und Ölprodukte aus Russland gibt, sind die Lieferungen von dort deutlich zurückgegangen. Gersdorff sieht die höheren Gewinne der Raffinerien nicht als Problem. „Nach zwei schweren Jahren durch die Coronapandemie verdienen sie jetzt endlich wieder Geld“, sagt der Verbandssprecher. Und das werde für den anstehenden Umbau der Branche dringend gebraucht.

Im Bundeswirtschaftsministerium sieht man das offenbar anders. Minister Robert Habeck (Grüne) hatte in der vergangenen Woche erklärt, man prüfe, „ob Übergewinne, als Kriegsgewinne – man muss das ja so sagen – von Unternehmen, die sehr günstig Energie eingekauft haben, sie jetzt aber zu exorbitanten und ja nur durch den Krieg getriebenen Preisen verkaufen, noch mal besteuert werden können“. Das auf diese Weise eingenommene Geld könnte dann zur Senkung der Preise verwendet werden. Bevor entsprechende Pläne verwirklicht werden könnten, sei jedoch eine umfassende Prüfung erforderlich, sagte Habeck.

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12 Kommentare

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  • Gibt es denn da keinen Wettbewerb, der die Zusatzgewinne drücken würde?

  • Prima Artikel! Gute Darstellung...



    ...ok, des mit dem Raffinieren hätte



    man auch rausfinden können, aber...

    @Fibe Danke... ;-)

    Verstehe leider noch nicht, warum es mit dem



    Erhöhen in D so prima klappt... o.0

    &

    Wieso las ich noch nirgends, warum Lindner des



    mit der MwSt so schlecht *blabla* findet, aber



    "Rabatt" toll?



    Einfach(?):



    Seine Wähler sind evtl oft Selbstständig & bekommen



    die og eh zurück! Sparen dabei also auch nix... ;-))

  • 0G
    05867 (Profil gelöscht)

    Es gibt noch einen Kriegsgewinner: der deutsche Staat.

    Die exorbitant hohen Spritpreise haben Ursache auch in den hohen Steuern.

    In Dänemark kostet der Sprit nur ca 1,50.



    Warum? Weil die Dänen wegen seit Jahrzehnten vorangetriebenen Wärmewende kaum noch Heizöl und Gas brauchen und offenbar weniger Steuern auf das Benzin nehmen.



    Hierzulande ist doch das Narrativ, das wir im Gegensatz zu den nordischen Ländern so niedrige Steuersätze haben.



    Das war natürlich schon immer eine dreiste Lüge (zumal die Dänen für ihre Steuern ja auch eine Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung bekommen).



    Aber hier zeigt sich die maßlosigkeit des deutschen Fiskus unverblümt ...

    • @05867 (Profil gelöscht):

      Das ist Quatsch. Die Abgaben auf Benzin sind bis auf die Mehrwertsteuer feste Beträge, die weder hoch, noch runtergehen.

      "In Dänemark kostet der Sprit nur ca. 1,50."



      Das ist nicht korrekt.



      Wenn Sie ca. 15 Kronen (zur Zeit) geschrieben hätten, würden Sie richtig liegen. 15 Kronen sind ca. 2 €.



      Normalerweise ist der Spritpreis in Dänemark höher oder gleichhoch.

      ".. kaum noch Heizöl und Gas brauchen und offenbar weniger Steuern auf Benzin nehmen."



      Es wird auf Fernwärme gesetzt, was aber mit mehr Müllverbrennung verbunden ist und die Steuer auf Benzin beträgt 25 %.

      ".. das wir im Gegensatz zu den nordischen Ländern so niedrige Steuersätze haben."



      Zumindest was Dänemark betrifft, stimmt das auch.

      "Das war natürlich schon immer eine dreiste Lüge (zumal die Dänen für ihre Steuern ja auch eine Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung bekommen)."



      Auch das ist so nicht korrekt.



      Man bekommt eine Grundrente, die im Höchstfall etwas über € 500 beträgt. Dazu gibt es Zusatzversicherungen, die zuzahlungspflichtig sind.



      Krankenversicherung > das gilt außer für Kinder und Jugendliche nicht für zahnärztliche Behandlung, die darf man selbst bezahlen (extrem teuer) oder schließt eine Versicherung ab, die auch nicht gerade günstig ist. Deshalb fahren Dänen, die in der Nähe von Deutschland wohnen zur Behandlung nach D.

      Arbeitslosenversicherung > Diese ist freiwillig. Dafür gibt es Arbeitslosenversicherungskassen, die beitragspflichtig sind und diese Beiträge werden nicht vom Staat bezahlt.

      Was Steuern im allgemeinen betrifft, sind diese in Dänemark schon ziemlich heftig. Das gilt insbesondere für Dinge, die als "gesundheitsschädlich" eingestuft sind, z. B. Süßigkeiten, Alkohol und Rauchwaren.



      Beispiel: 900 gr. einer Nuss-Nugat Creme eines bekannten italienischen Herstellers kosten im Sonderangebot ca. 11,50 €.



      Ganz so, wie Sie es schreiben, ist es dann doch nicht.

  • Aus 100 Liter Rohöl lassen sich im Durchschnitt da. 24 Liter Ottokraftstoffe und da. 21 Liter Diesel raffinierten.

    Damit lässt sich doch rechnen, auch ein Grund, warum Diesel trotz weniger Steuerabgaben teurer als Benzin wurde.

  • " Bevor entsprechende Pläne verwirklicht werden könnten, sei jedoch eine umfassende Prüfung erforderlich, sagte Habeck."



    Und? Wie lange dauert so eine Prüfung? Wobei das 'umfassende' schon viel sagt über die schützende Hand des Staates. Nein, nein, nicht die schützende Hand über den Bürger sondern die schützende Hand über das Kapital. Und denen ihre Lobbyisten werden mit Sicherheit wissen wie sie ihr Klientel schützen. Ein Staat der bei cum-ex jahrelang zugeschaut hat, wird sich nicht sehr für die Abzocke ihrer Bürger interessieren.

  • Jetzt wissen wir, wo Lindners Steuersubventionen (indirekt) landen (würden) - Das kann es nicht sein.

  • Was wollen Raffinerien mit den zusätzlichen Einnahmen? Oder die Mineralölkonzerne? Juristische Personen verfügen über kein privates Konto. Sie können weder Essen noch Trinken, sie wohnen nicht in Villen, besitzen und nutzen keine Yachten und Privatjets.



    Die Mehreinnahmen fließen an natürliche Personen, an die Eigentümer von Raffinerien und Mineralölkonzernen. Hier muss angesetzt werden. Eine Anregung dazu liegt u.a. Ihnen, Herr Kreutzfeldt, aber auch Herrn Habeck, Scholz und Linder vor.

  • man prüfe, „ob Übergewinne, als Kriegsgewinne ....noch mal besteuert werden können“ Das Klingt für mich nach gaaaaaaaaanz viel heiße Luft. Was für ein sch... billiger Populismus!

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @Obscuritas:

      „Das Klingt für mich nach gaaaaaaaaanz viel heiße Luft. Was für ein sch... billiger Populismus!“



      Heiße Luft. Soso. „windfall profits tax“ Schon mal gehört? Kein Zufall.



      de.wikipedia.org/w...ufallsgewinnsteuer

  • Danke für die klare Analyse. Bleibt die Frage warum „ Knappheitspreise erzielen, weil die Nachfrage das Angebot übersteigt“. Wird das nicht im Rohöl Preis angezeigt? Wenn nicht, Woher käme denn eine zusätzliche Nachfrage in D? Der Verbrauch wird doch eher eingeschränkt, wenn auch nur mit wenigen Prozenten. Wie steht es um die Preisabsprachen der Konzerne?

    • @fly:

      eine Preisabsprache ist nicht nötig.

      In einem Oligopol verstehen die Teilnehmer auch ohne Preisabsprache, das alle von steigenden Preisen profotieren.

      Es ist erstaunlich wie gut sich Teilnehmer eines Marktes koordinieren können, ohne eine direkte Absprache zu treffen.

      Je transparenter Informationen über den Markt sind.



      Je weniger Unternehmen Beteiligt sind.



      Desto besser funktioniert diese "Indirekte Preisabsprache".

      Mehr Transparenz an der falschen Stelle führt nachweislich zu steigenden Preisen und weniger Konkurenz. Dies gilt jedoch nur für Oligopole und Monopole. Der wichtigste Faktor ist immer die Anzahl der Teilnehmer.