Kommentar von Mirko Schmid über eine schwierige Mehrheitsfindung im Bundestag
: Adieu, Impfpflicht

Es birgt schon eine gewisse Tragik. Tapfer präsentierten Abgeordnete der hinteren Reihen von SPD und Grünen sowie die bei der Verteilung der Ministerien übergangene FDP-Vordenkerin Strack-Zimmermann ihren Entwurf einer allgemeinen Impfpflicht. Sie vertreten mit ihrem Antrag den Willen einer gemäß allen seriösen Umfragen großen Mehrheit der Bevölkerung, die der Berliner Posse um Gruppenanträge und Partikularinteressen zunehmend kopfschüttelnd und desillusioniert beiwohnt.

Schon vor Wochen ergaben Umfragen eine mehrheitliche Zustimmung für die Impfpflicht ab 18 bei gleichzeitig wenig Hoffnung darauf, dass der Bundestag ebenjene auch beschließt. Spätestens seitdem die Union nun ihren eigenen Antragsentwurf vorgelegt hat, ist die politische Umsetzung in weite Ferne gerückt. Drastischer formuliert: Die allgemeine Impfpflicht ist tot. Zumindest auf absehbare Zeit. Die Politik hat es vermasselt. Die Abgeordneten der Ampelparteien versammeln sich, getrieben von verschiedenen politischen Gemengelagen und Standpunkten, hinter mindestens drei verschiedenen Anträgen. Ihnen muss dämmern, dass sie auf nicht allzu viele Stimmen aus den Reihen der Konservativen hoffen können. Umgekehrt ist es schwer vorstellbar, dass die Koalitionsabgeordneten jetzt ausgerechnet der Union zum Triumph verhelfen und deren Stufenmodell mittragen.

Und so landen sie alle gemeinsam in einer klassischen Pattsituation. Die erforderliche Mehrheit ist für keinen der Entwürfe in Sicht – somit ist aktuell davon auszugehen, dass keine der Initiativen umgesetzt werden kann. Eine wie auch immer ausgestaltete allgemeine Impfpflicht wird es also erst einmal nicht geben.

Warum ist das so? Weil alle auf sich schauen. Abgeordnete der SPD etwa nehmen Rücksicht auf Befindlichkeiten wie etwa jene des DGB, der sich gar gegen die Pflegeimpfpflicht ausspricht. Die Arbeitgeberverbände und die angeschlossenen Unternehmen weisen jede Verantwortung für die Abfrage des Impfstatus von sich und treiben CDU und CSU vor sich her. Und die FDP ist sowieso in einer Sinnkrise, seitdem ihre Köpfe im Wahlkampf hoch und heilig versprochen hatten, dass es mit ihnen keine allgemeine Impfpflicht geben werde. Niemanden darf es verwundern, dass viele Liberale wie etwa der streitbare Wolfgang Kubicki eine solche nicht auf einmal doch kleinlaut mittragen wollen.

Offen bleibt, wer sich in diesem Spiel für offensichtlich politisch untergeordnete Themen wie ein rasches Ende der Pandemie oder die Gesundheit der Menschen einsetzen soll. Hoffnung, so viel steht fest, kommt aus Berlin nicht dieser Tage. Die Verantwortungsbewussten, sie gehen wohl leer aus. Adieu, Impfpflicht. politik