„Die Wannseekonferenz“ im ZDF: Ganz normale Bürokraten
Ein ZDF-Film spielt die Wannseekonferenz nach, auf der vor 80 Jahren der Massenmord an den Juden besprochen wurde. Kann das gut gehen?
Darf man das? Zur besten Sendezeit im deutschen Fernsehen von „der Gefahr rassischer Zersetzung“ sprechen? Menschen mit Schimmelpilzen gleichsetzen?
Nein, das darf man nicht. Wäre ja noch schöner, wenn die Sprache der Nazis und Neonazis, die wir heutzutage schon zur Genüge aus den sozialen Medien kennen, im öffentlich-rechtlichen Fernsehen verbreitet wird, finanziert aus den Gebühren der Zuschauer.
„Die Wannseekonferenz“, 24.01., um 20.15 Uhr, ZDF und bereits jetzt in der Mediathek abrufbar
Und doch gibt es am Montagabend im ZDF um 20.15 Uhr einen Spielfilm zu sehen, der von rassistischen und antisemitischen Äußerungen nur so strotzt. Und das ist in diesem ganz besonderen Ausnahmefall nicht nur richtig, sondern vorbildlich. Denn dieser Film von Matti Geschonneck spielt die berüchtigte Wannseekonferenz vom 20. Januar 1942 nach, auf der die Massenvernichtung der europäischen Juden besprochen wurde.
Von dieser Besprechung existiert bekanntlich ein von Adolf Eichmann erstelltes Ergebnisprotokoll, das einen seltenen Einblick in die bürokratische Umsetzung dieses Massenmords durch die von SD-Chef Reinhard Heydrich so genannten Zentralinstanzen ermöglicht. Ergebnisprotokoll heißt aber auch, dass wir nicht wissen können, was sich auf der 90 Minuten dauernden Tagung am Großen Wannsee genau abgespielt, wer von den Anwesenden wie argumentiert und gesprochen hat.
Fiktion wird nicht jedem deutlich
Geschickt werden zentrale Zitate aus dem Protokoll der realen Konferenz in der Fiktion dem Darsteller Heydrichs in den Mund gelegt. Der Film, der die Konferenz nachstellt und etwas länger als die quälenden 90 Minuten lang dauert, bleibt aber eine Fiktion – und es ließe sich einwenden, dass dies möglicherweise nicht jedem Zuschauer deutlich genug wird.
Rätselhaft bleibt weiterhin, warum das ZDF den Film erst vier Tage nach dem 80. Jahrestag dieses Ereignisses am 20. Januar 1942 auszustrahlen beliebt. Hat man sich bei der Programmplanung etwa im Datum geirrt?
Abgesehen von diesen Einwänden aber ist da ein Werk gelungen, das wie kein zweites der historischen Wahrheit verpflichtet ist – offenbar auch dank der hochkarätigen historischen Berater. Denn „Die Wannseekonferenz“ zeigt zwar ungeschminkt den antisemitischen Sprachduktus der Anwesenden, widersteht aber doch der Versuchung, aus diesen mittelalten Männern aus SS, NSDAP, der Ministerialbürokratie und aus den besetzten Gebieten die Monster zu machen, als die NS-Schreibtischtäter immer wieder gerne dargestellt werden.
Keine Monster
Das waren sie aber nicht. Es waren ganz normale Bürokraten, überzeugt davon, ein fiktives „Problem“ namens „Judenfrage“ lösen zu müssen. Sie reagieren im Film auf diese Aufgabenstellung so, als ginge es um den Bau einer größeren Umgehungsstraße oder die Entwicklung eines Haarfärbemittels. Es geht in diesem Fall aber darum, so der von Philipp Hochmair gespielte Reinhard Heydrich, „die Judenfrage einer endgültigen Lösung zuzuführen“.
Keine der Figuren stellt dieses Ansinnen an sich infrage. Es gibt eine Szene, da bekommt der Zuschauer zunächst den Eindruck, als gäbe es wenigstens einen, in diesem Fall Staatssekretär Dr. Wilhelm Stuckart (Godehard Giese) vom Innenministerium, der für die Menschlichkeit argumentiert. Allein, es geht ihm, wie nach einigen Sekunden klar wird, nur darum, die deutschen Mörder von den Seelenqualen zu erleichtern, die ein andauernder Gebrauch von Schusswaffen beim Töten von Frauen und Kindern auslösen könnte, nicht aber diejenigen zu schonen, deren Ermordung auf dem Programm steht.
Der auswechselbare Täter
Unwidersprochen nehmen die (Film-)Teilnehmer die von Adolf Eichmann (Johannes Allmayer) dargebotenen Statistiken zur Kenntnis, dass es darum gehe, in ganz Europa elf Millionen Menschen umzubringen. Der darob dargebotene Streit dreht sich vielmehr um die Frage von Kompetenzen und Effektivität.
Jeder dieser Herren zeigt sich darauf bedacht, seiner Dienststelle zugefallene Zuständigkeiten nicht beschnitten zu sehen. Zudem wagen es Einzelne, bis dahin über Details des Mordprogramms noch wenig Informierte, die praktische Umsetzung der Morde angesichts ihres geplanten Umfangs anzuzweifeln, zeigen sich aber ob der Ausführungen von Heydrich und Eichmann darüber beruhigt, dass die vorgesehenen Methoden offenbar dem Ziel angemessen sind.
Es bleibt nicht immer ganz einfach, dem Gebotenen zu folgen, weil es entsprechend der realen Vorlage schwierig ist, diese 15 Massenmörder voneinander zu unterscheiden und ihnen ihre jeweils richtigen Namen und Funktionen zuzuweisen, zumal ein Großteil der Teilnehmer dieser Versammlung der Öffentlichkeit bis heute weitgehend unbekannt geblieben ist. Aber vielleicht muss das so sein. Denn diese Sorte Täter war und ist in ihrem Handeln auswechselbar.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Kretschmer als MP von Linkes Gnaden
Neuwahlen hätten der Demokratie weniger geschadet
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen