Finanzierung der Ampel-Pläne: Geldbeschaffung einfach auslagern

Investitionen trotz Schuldenbremse, ohne Steuererhöhungen? Das Sondierungspapier der Ampel zeigt Ansätze, wie das gehen kann.

Einfamilienhäuser , Drohnenaufnahme

Wie werden Häuser klimaneutral? Die KfW vergibt verbilligte Kredite für klimafreund­liche Heizungen Foto: Henning Kaiser/dpa

BERLIN taz | SPD, Grüne und FDP kommen am Donnerstagnachmitag zu Koalitionsverhandlungen zusammen. Anscheinend haben die Parteien zwei wichtige Wege zur Finanzierung ihres geplanten Modernisierungsprogramms aber schon ausgeschlossen. „Einer Regierung, die Steuern erhöht oder die Schuldenbremse missachtet, könnten wir nicht beitreten“, betonte FDP-Chef Christian Lindner am Montag.

Gleichzeitig sprechen die Grünen Robert Habeck und Annalena Baerbock aber von „Gesellschaften“ zur Finanzierung der nötigen Investitionen. Rund 50 Milliarden Euro wären jährlich notwendig, um Deutschland klimaneutral zu machen, sagte Habeck am Dienstag.

Welche Möglichkeiten hätte eine Ampelregierung, um zusätzliche Mittel zu beschaffen – und wie funktionieren die?

Investitionsgesellschaften

Das sind Firmen, oft GmbHs, die dem Bund gehören, unter seiner Kontrolle stehen oder in seinem Auftrag handeln. Finanzpolitisch ist das Schöne an ihnen: Wegen ihrer privatrechtlichen Konstruktion fällt die Kreditaufnahme solcher Gesellschaften nicht unter die Schuldenbremse im Grundgesetz, die die roten Zahlen der Bundesregierung begrenzt. Ökonomieprofessor Jens Südekum (Uni Düsseldorf), der unter anderem die Grünen berät, kommentierte bereits: „Die Ampel wird, wo immer möglich, öffentliche Investitionen in Zweckgesellschaften auslagern, die neben der Schuldenbremse operieren.“

Ein Beispiel für ein solches Beiboot der Regierung ist die Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft (MIG). Diese soll sich darum kümmern, die Funklöcher in den Handynetzen zu schließen, die private Netzbetreiber wie Deutsche Telekom oder O2 offenlassen. Grundsätzlich könnte die MIG Milliarden Euro aufnehmen, um sie in schnellere Datennetze zu investieren. Oder die bundeseigene NOW GmbH, die unter anderem eine „Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur“ betreibt. Wenn die Regierung es will, kann diese in den bundesweiten Ausbau der Ladesäulen für Elektroautos investieren.

Denkbar erscheint auch, dass die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BIMA) nicht nur Grundstücke verwaltet, sondern die klimafreundliche Sanierung der öffentlichen Gebäude vorantreibt oder gar Wohnungen baut. Den Aufgaben solcher Ableger sind kaum Grenzen gesetzt. In ihrem 12-Seiten-Papier zum Ergebnis der Sondierung erwägen SPD, Grüne und FDP etwa eine neue „Stiftung oder Gesellschaft, die den Rückbau der Kohleverstromung und die Renaturierung organisiert“.

Deutsche Bahn

Auch diese Aktiengesellschaft, die dem Bund gehört, darf Schulden machen. Das tut sie heute bereits. Gegenwärtig ist ihre Kreditaufnahme auf rund 30 Milliarden Euro begrenzt. Wenn der politische Wille besteht, kann diese Summe aber steigen – Geld, das sich nicht unmittelbar der Staat leihen muss, sondern der Konzern. Der Investitionsbedarf von über 100 Milliarden Euro für bessere Verbindungen, neue Züge und digitalisierte Technik ließe sich so bewältigen – außerhalb der Schuldenbremse.

KfW

Die staatliche Förderbank KfW (früher Kreditanstalt für Wiederaufbau) vergibt heute beispielsweise verbilligte Kredite an Hausbesitzende, die klimafreundliche Heizungen einbauen wollen. Denkbar wäre es, sogenannte Tilgungszuschüsse auszuweiten. Das heißt, die Privatinvestoren bekommen einen Teil der Investitionssumme geschenkt. Auf diese Art kann der Staat private Aktivitäten anreizen und unterstützen, ohne das Geld aus dem Haushalt aufzubringen. So ist im Sondierungspapier die Rede davon, die KfW zu einer „Innovations- und Investitionsagentur“ auszubauen.

Verschuldung im Bundeshaushalt

Doch auch selbst verfügt die Bundesregierung über einen gewissen zusätzlichen finanziellen Spielraum. So erlaubt die Schuldenbremse im Grundgesetz eine jährliche Kreditaufnahme von 0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung, was augenblicklich auf rund zehn Milliarden Euro hinausläuft. Außerdem hat die alte Regierung die Bremse für 2022 bereits ausgesetzt, wegen Corona. Der Budgetentwurf aus dem Haus des jetzigen Finanzministers und möglichen Kanzlers Olaf Scholz enthält neue Kredite von knapp 100 Milliarden Euro. Warum nicht 200 oder 300 Milliarden?

Ökonom Südekum prognostiziert: „Im Jahr 2022 füllt die Ampel eine große Rücklage, die in den Folgejahren abgeschmolzen wird.“ Fraglich erscheint allerdings, ob die FDP das mitträgt. Falls ja, reicht die Unionsfraktion im Bundestag vielleicht eine Organklage beim Bundesverfassungsgericht ein. Das Argument: Schuldenfinanzierte Rücklagen sind verboten. Bis das Gericht entschieden hat, könnte ein Teil des Geldes jedoch bereits ausgegeben sein.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bei wieviel Prozent liegen die Parteien? Wer hat welche Wahlkreise geholt?

▶ Alle Zahlen auf einen Blick

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.