Reichsflaggen auf Demos: Eine „Belästigung“

Die Fahne des Kaiserreichs wird auf Demos nicht generell verboten – es kommt auf den Kontext an. Eine Demokratie muss solche Symbole aushalten können.

Eine Reichsfahne (Schwarz Weiß Rot) wird vor dem Deutchen Bundestag geschwenkt.

Mit Einschränkungen weiter erlaubt: die Reichsflagge Foto: Fabian Sommer / dpa

Es ist ein Kompromiss. Das Zeigen von Reichs- und Reichskriegsflaggen soll nicht generell verboten werden, sondern nur in bestimmten Zusammenhängen – zum Beispiel wenn eine Nähe zum Nationalsozialismus suggeriert wird oder wenn ein Fahnenaufmarsch einschüchternde Wirkung hat. Einen entsprechenden Erlass will die Innenministerkonferenz nun beschließen.

Dieser zurückhaltende Kurs kommt nicht ganz freiwillig. Vielmehr haben die In­nen­mi­nis­te­r:in­nen von Bund und Ländern aus dem gescheiterten Vorgehen des Bundeslands Bremen im vergangenen Jahr gelernt. Der Bremer SPD-Innensenator hatte das Zeigen mehrerer Formen der Reichskriegsflagge generell zur Ordnungswidrigkeit erklärt.

Doch die Bremer Gerichte fanden das zu weitgehend. Der Inhalt einer Meinungsäußerung könne nicht unter dem Vorbehalt der „öffentlichen Ordnung“ stehen, es komme vielmehr auf die Art und Weise einer Versammlung an. Der nun geplante Mustererlass wird dem gerecht. Er stellt zum Beispiel darauf ab, ob eine Kundgebung an NS-Fahnenaufmärsche erinnert oder ob sie geeignet ist, die Bevölkerung zu verängstigen.

Es ist nun wichtig, dass die In­nen­mi­nis­te­r:in­nen ihre differenzierte Linie auch in der Öffentlichkeit so differenziert vermitteln. Sonst ist die nächste Empörung vorprogrammiert, wenn irgendwo Reichsflaggen zu sehen sind und die Polizei zu Recht nicht einschreitet.

Es nützt uns allen

Ärgerlich bleibt aber, dass das Vorgehen der Polizei auf einen Paragrafen mit der Überschrift „Belästigung der Allgemeinheit“ gestützt wird. Darum geht es gerade nicht. In der Demokratie muss man manche „Belästigung“ auch von Feinden der Demokratie aushalten. Das Bundesverfassungsgericht legt deshalb die Meinungs- und Versammlungsfreiheit sehr großzügig aus.

Die Grenze ist erst erreicht, wenn eine Meinung den freien Diskurs gefährdet. Das nützt nicht nur Rechtsextremist:innen, sondern uns allen, die wir in einem freien Land leben wollen.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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