Öffentliches Zeigen von Reichsfahnen: Verbieten für Profis
Das Bremer Verbot, öffentlich Reichsfahnen zu zeigen, hat das Oberverwaltungsgericht kassiert. Nun fordern die Grünen ein gerichtsfestes Gesetz.
Am vergangenen Samstag aber demonstrierten in Bremerhaven Rechtsextreme gegen den Erlass – und durften dabei schwarz-weiß-rote Reichsfahnen schwenken. Das Oberverwaltungsgericht hob ein entsprechendes Verbot der Versammlungsbehörde mit Verweis auf die Meinungsfreiheit auf. Die öffentliche Ordnung werde durch das Zeigen der Fahnen, die ja nicht verboten seien, nicht gefährdet. Eine Beschwerde der Stadt lehnte das Gericht ab und betonte, der Erlass des Innensenators habe keine Gesetzesqualität.
Deshalb fordert die Fraktion der Grünen in Niedersachsen jetzt ein gesetzliches Verbot der Fahnen. Doch würde das überhaupt etwas nützen? Der Soziologe Wilhelm Heitmeyer hält ein solches Gesetz zwar für sinnvoll, weil es „eine symbolische Handlung zugunsten der Opfergruppen“ darstelle, sagt er, man dürfe sich aber nicht der Illusion hingeben, dass ein Verbot die rechtsextreme Bewegung schwächen würde, so der Professor am Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung in Bielefeld: „Ein Verbot ist sinnvoll, wird aber nicht erfolgreich sein.“
Ein Gesetz böte mehr Handlungsspielraum, die im Grundgesetz festgeschriebene Meinungsfreiheit einzuschränken, als ein Erlass. „Es handelt sich bei dem Erlass nicht um ein Verbot von Reichsflaggen, sondern um eine Auslegungshilfe zur Anwendung der betreffenden Ordnungswidrigkeitsvorschrift“, betont das Bremer Innenressort.
Wilhelm Heitmeyer, Soziologe
Das heißt: Der Erlass ist als Handreichung für die Polizei zu verstehen. „Das Zeigen der entsprechenden Fahnen soll laut Erlass eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellen. Die Polizei darf gegen eine solche Gefahr einschreiten“, erklärt die Anwältin Lea Voigt. Man dürfe erwarten, dass der Erlass zu einer gewissen Sensibilisierung bei der Polizei führt, so Voigt. Ob die Maßnahmen vor Gericht Bestand hätten, hinge aber vom Einzelfall ab: „Im Zusammenhang mit Demonstrationen, die unter dem besonderen Schutz der Versammlungsfreiheit stehen, haben die Bremischen Verwaltungsgerichte entschieden, dass ein pauschales Verbot nicht zulässig ist“, erläutert Voigt die Entscheidung über die Bremerhavener Kundgebung.
Das SPD geführte Innenministerium in Niedersachsen verweist darauf, dass dem Bremer Urteil „eine sehr enge Auslegung“ zugrunde liege. Daher gehe man weiterhin davon aus, dass mit dem bereits verabschiedeten Erlass „gerade besonders provokative und schwer erträgliche Verwendungen von Reichs- und Reichskriegsflaggen wirksam unterbunden werden können“, so die Pressestelle des Ministeriums.
Ob Gesetz oder Erlass – die Frage, ob eine kontrollierende Intervention die rechtsextreme Szene überhaupt stören würde, bleibt. Heitmeyer, der zu rechten Bedrohungen in Deutschland forscht, geht nicht davon aus: „Staatliche Repression ruft immer rechtsextreme Innovation hervor“, sagt er. Ehemalige Kameraden verbotener rechtsextremer Strukturen hätten sich etwa in anderen Organisierungen erneut zusammengeschlossen. Das sei auch mit Symbolen nicht anders, so Heitmeyer: „Faktisch wird es die Bewegung nicht tangieren. Der Erfindergeist für neue Symbole schlägt dann zu.“
Grundsätzlich, sagt Juristin Voigt, sei der Ruf nach Verboten mit Vorsicht zu genießen. Weil die Erfahrung zeige, dass Verbote gegen rechte Umtriebe wenig wirksam seien, müsse man gut abwägen, ob der Nutzen eines Verbots mögliche Kollateralschäden für die Meinungsfreiheit rechtfertige, so die Anwältin.
Auch Helge Limburg von den Grünen in Niedersachsen, der die Forderung nach einem gesetzlichen Verbot mit auf den Weg gebracht hat, betont, dass es zwar wichtig sei, die Fahnen zu verbieten, um zu zeigen, dass deren Botschaft nicht toleriert werde, dennoch sei ein Verbot nur ein kleiner Baustein im Kampf gegen Rechtsextremismus. „Die Politik muss zeigen, dass sie hinter denen steht, die durch Rechtsextreme bedroht werden. Insgesamt kann unsere Demokratie diese Auseinandersetzung nur mit einer aufgeklärten Zivilgesellschaft gewinnen“, so Limburg.
Beflügelt vom Erfolg in Bremerhaven will die rechtsextreme Partei „Die Rechte“ am Samstag in Bremen gegen das Verbot der Fahnen demonstrieren. Das Innenressort hat die Versammlung verboten, weil sie „einen das friedliche Zusammenleben bedrohenden Charakter“ habe und rechtsextremistisches Gedankengut inszenieren wolle. Dagegen hat „Die Rechte“ am Mittwoch einen Eilantrag und eine Klage beim Verwaltungsgericht eingereicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Liberale in der „D-Day“-Krise
Marco Buschmann folgt Djir-Sarai als FDP-Generalsekretär