Korruptionsvorwurf gegen Philipp Amthor: Hihi hilft nicht mehr
Der CDU-Politiker Philipp Amthor ist ein klassischer Parvenü. Nun aber hat er es mit dem Nach-oben-hecheln übertrieben. Wie tief wird er fallen?
„Ich bin nicht käuflich“, steht auf der Website von Philipp Amthor. Und: „Meine Priorität ist der leidenschaftliche politische Einsatz für unser Land.“ Nach allem, was man weiß, hat der CDU-Jungstar aber auch persönliche Prioritäten: Der Vorwurf der Bestechlichkeit steht im Raum. Für einen derart selbstgewissen Politaufsteiger wie Philipp Amthor, dem Jungen aus Torgelow in Vorpommern, könnte die Affäre bereits das Ende seines Aufstiegs bedeuten.
Das wird aber sehr wahrscheinlich nicht passieren. Amthor steht im Bundestag fraktionsübergreifend in einer langen Tradition der Verquickung von politischen mit privaten Interessen: Hier eine Beratung, da eine Empfehlung, im Gegenzug Reisen, ein Direktoriums- oder Aufsichtsratsposten. Amthors nun öffentlich gemachte Vorteilsnahme könnte ihm am Ende gar zum Vorteil gereichen. Der Trick: Verstöße werden umgehend als dumme Fehler bereut, um sie wenig später als Lernkurve politisch zweitverwerten zu können.
Was ist passiert? Für das US-amerikanische Tech-Unternehmen Augustus Intelligence hat Amthor im Bundeswirtschaftsministerium versucht, den geschäftlichen Boden zu bereiten. Für sein Empfehlungsschreiben – im Herbst 2018 versandt mit seinem Bundestags-Briefkopf – zeigte sich Augustus erkenntlich.
Amthor wurde nicht nur wie ein kleiner König hofiert. Er erhielt auch schicke Direktoren-Visitenkarten und Aktienoptionen über mindestens 2.817 Stück. Die Recherchen zeigen, wie begeistert man bei Augustus vom neuen Markenbotschafter war: „So ein geiler Typ“, schrieb Augustus-Gründer Pascal Weinberger in einem internen Chat. „Wir müssen uns echt bei ihm bedanken.“
Unappetitliche Gesellschaft
Die Anteilsoptionen hat der „geile Typ“ zurückgegeben, die Nebentätigkeit eingestellt. Sein Lobbying könnte Amthor nun aber den CDU-Landesvorsitz samt Spitzenkandidatur in Mecklenburg-Vorpommern kosten. Dort sind im kommenden Jahr Wahlen. Ende dieser Woche entscheidet der Landesvorstand, ob der Parteitag im August oder erst im Oktober stattfindet. Entscheidet sich die CDU für den späteren Termin, ist klar: Da will man Gras über die Sache wachsen lassen.
Ein anderer unappetitlicher Aspekt ist Amthors Verbindung zu Hans-Georg Maaßen, dem im November 2018 entlassenen Chef des Bundesverfassungsschutzes. Der Spiegel hat ein Foto veröffentlicht, auf dem Amthor im Sommer 2019 mit dem politischen Rechtsausleger und dem Gründer von Augustus Intelligence in die Kamera lächelt. Maaßen ist für diesen Herbst als Zeuge vor jenen Untersuchungsausschuss geladen, der das Attentat auf den Berliner Breitscheidplatz 2016 untersucht. Stellvertretendes Ausschussmitglied: Philipp Amthor. Sollen die Opfer und deren Angehörige nicht verhöhnt werden, muss eine Befragung unter einstigen Geschäftspartnern ausgeschlossen werden. Die Unionsfraktion im Bundestag wird diese Angelegenheit schnell klären müssen.
Und dann ist da noch die Sache mit der Herkunft. Philipp Amthor ist Sohn einer alleinerziehenden Mutter. Aufgewachsen ist er im extrem strukturschwachen Nordosten des Landes. Sein stets blitzgescheites Auftreten und der Hihi-Humor sorgten fortdauernd für Unmut bei jenen, die meinen, zu einem politischen Aufstieg gehöre in der Union immer noch der richtige Stallgeruch. Doch welcher Geruch sollte das sein, wenn jemand aus einer Gegend kurz vor Polen kommt? Der Eindruck, Philipp Amthor habe versucht, sich ein Odeur von Erfolg zu erkaufen, steht unverändert im Raum.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben
Kritik an Antisemitismus-Resolution
So kann man Antisemitismus nicht bekämpfen
Klimaziele der EU in weiter Ferne
Neue Klimaklage gegen Bundesregierung