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19 Prozent statt 7 Prozent? Ran an die Buletten!

Agrarpolitiker von CDU, SPD und Grünen fordern eine höhere Mehrwertsteuer auf Fleisch. So soll die Landwirtschaft tierfreundlicher werden und sich die Erde weniger aufheizen. Kann das klappen?

Kommt bei 28 Prozent der Deutschen täglich auf den Tisch: Fleisch oder Wurst Foto: John Gollop/getty

Von Hanna Gersmann

Wieso eine Bulettensteuer?

„Wir werden die Steuerbelastung der Bürger nicht erhöhen“ – das haben Union und SPD in ihren Koalitionsvertrag geschrieben. Doch das war im Februar 2018. Damals gingen Jugendliche noch nicht jeden Freitag auf die Straße, um mehr Klimaschutz einzufordern. Damals gab es noch nicht das Volksbegehren gegen das Artensterben in Bayern. Heute ist das anders. Und jetzt geht es ran an die Buletten.

Fleisch soll teurer werden. Der agrarpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag sagte der Welt: „Ich bin dafür, die Mehrwertsteuerreduktion für Fleisch aufzuheben und zweckgebunden für mehr Tierwohl einzusetzen.“ Es sei nicht zu erklären, warum Fleisch mit 7 Prozent und zum Beispiel Hafermilch mit 19 Prozent besteuert werde. Ähnlich hörte sich der agrar­politische Sprecher der SPD, Rainer Spiering, an: „Eine Fleischsteuer, der Einfachheit halber über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 19 Prozent, wäre ein möglicher Weg.“ Und CDU-Agrarpolitiker Albert Stegemann erklärte: „Eine solche Steuer kann ein konstruktiver Vorschlag sein.“

Was ändert eine Preiserhöhung?

Ein Beispiel: Der Discounter Aldi bietet derzeit „Gemischtes Hackfleisch“, 500 Gramm, für 2,49 Euro an. Würde Fleisch künftig mit den vollen 19 Prozent statt wie bisher mit 7 Prozent besteuert, kämen 28 Cent drauf.

Derzeit gehört Fleisch laut Steuerrecht zur Grundversorgung – genau wie Milch, Obst, Gemüse, Mehl, Kartoffeln, Brot. Der Staat sponsert es – durch den erniedrigten Steuersatz. Doch die Sätze sind alles andere als plausibel. Wer für den Fernsehsofa­abend Gummibärchen und Kartoffelchips kauft, zahlt 7 Prozent Mehrwertsteuer. Auch auf zubereitetes Krebsfleisch kommen 7, auf Hummer und Schnecken hingegen 19 Prozent. Die Mehrwertsteuersätze sind eine Sache für sich. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen will an ihnen schon lange drehen.

Wohin soll umgesteuert werden?

Vier Jahre ist es bereits her, dass die Umweltregierungsberater vorgeschlagen haben, den vollen Mehrwertsteuersatz auf Fleisch zu erheben. Ihr Ziel ist anders als das desTierschutzbunds. Der hat jüngst eine Fleischsteuer gefordert, um mehr Geld für eine bessere Haltung von Kuh, Schwein und Huhn einzutreiben. Denn noch immer werden männliche Küken nach dem Schlüpfen getötet, männliche Ferkel ohne Betäubung kastriert. Der Sachverständigenrat beklagt indes, dass die wahren Kosten der Massentierhaltung verschleiert werden.

Dazu zählt er etwa das Stickstoffproblem, mitverursacht durch die Düngung mit Gülle aus den großen Tierställen: Grundwasservorkommen sind mit zu Nitrat umgewandeltem Stickstoff verunreinigt. Die Aufbereitungskosten für die Wasserwerke steigen. Dazu kommt die Erderhitzung: Die Landwirtschaft ist für gut 7 Prozent der Treibhausgasemissionen in Deutschland verantwortlich. Besonderheit: Es geht nicht allein um das klimaschädigende CO2, also Kohlendioxid, sondern auch um den Methanausstoß von Wiederkäuern, vor allem Rindern, der mit dem Fermentationsprozess des Grünfutters im Magen zu tun hat.

Bei der Düngung von Äckern wiederum gelangt Lachgas aus stickstoff­haltigen Düngemitteln in die Atmosphäre. Lachgas ist 300-mal so klimaschädlich wie Kohlendioxid, Methan immerhin noch 25-mal. Da die Rülpser und Pupser der einzelnen Kuh nur schwer messbar sind, ist bisher aber nicht die Rede davon, eine CO2-Steuer für die Landwirtschaft zu erheben – anders als fürs Tanken und Heizen. Mit einer Fleischsteuer allein wird es aber nicht getan sein.

Was schützt die Tiere und das Klima wirklich?

Da die Rülpser und Pupser der einzelnen Kuh nur schwer messbar sind, ist bisher keine Rede von einer CO2-Steuer für die Landwirtschaft

Bei 28 Prozent der Deutschen gibt es täglich Fleisch oder Wurst. Das Lieblingsgericht ist für 33 Prozent Braten, Schnitzel oder Gulasch. Das zeigt der Ernährungsreport 2019. So sinkt der Fleischverzehr kaum, er liegt pro Kopf bei knapp 60 Kilo. Das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft rechnete zwar im Auftrag von Greenpeace vor, dass mit der Steuer die Nachfrage um 11 Prozent zurückgehe und die Einnahmen um 3,6 Milliarden Euro stiegen. Reiche wird die Fleischsteuer aber kaum vom Hack abhalten, sie träfe vor allem Ärmere. So glaubt nicht jeder an die nötige Durchschlagskraft.

Das SPD-geführte Bundesumweltministerium erklärte, zwar gebe es gute Gründe, die Mehrwertsteuer zu reformieren – aber in Gänze. Ähnlich sieht das Grünen-Parteichef Robert Habeck und stellte sich damit gegen den Vorschlag seines Parteikollegen. Wie die SPD sieht Habeck das größte Problem in zu hohen Tierdichten. Vor allem in Regionen mit Intensivtierhaltung müsse die Zahl der Tiere von der Fläche abhängig gemacht werden, erklärt Christine Tölle-Nolting vom Nabu. Im Stall wäre dann mehr Platz, auf den Feldern landete weniger Gülle. Anderer Hebel: Die milliardenschweren EU-Agrarsubventionen werden stärker an Umweltschutz und Tierwohl gekoppelt. Doch dagegen sträubt sich bisher das Bundesagrar­ministerium.

Wird die Regierung eine Steuer wagen?

Das Finanzministerium stellte klar, dass bei Steuern eine Zweckbindung von Mehreinnahmen etwa für den Tierschutz nicht möglich sei. CDU-Bundeslandwirtschaftsministerin Julia ­Klöckner sagte, sie begrüße die Sensibilität dafür, dass es „mehr Tierwohl nicht zum Nulltarif“ gebe. Das könne aber eine Bauernfamilie nicht allein stemmen. Dafür brauche es öffentliche Mittel. Das Geld müsse aber „nicht automatisch aus Steuererhöhungen kommen, sondern kann durch Schwerpunktsetzungen erreicht werden“. Welche In­strumente und Wege infrage kämen, diskutiere derzeit das von ihr eingesetzte „Kompetenznetzwerk ­Nutztierhaltung“. Der Druck aber steigt.

An diesem Donnerstag wird der Weltklimarat (IPCC) einen neuen Sonderbericht veröffentlichen. Vorab sickerte schon durch, dass er betonen wird: Wer den Klimaschutz ernst nimmt, muss ran an die Buletten, heißt: weniger Fleisch essen.

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