Rasen kein zulässiger „Lifestyle“

Das Berliner Landgericht verurteilt zwei Raser im Revisionsverfahren erneut zu „lebenslänglich“

Aus BerlinSabine Seifert

Hamdi H., 30, grinst fassungslos, Marvin N., 27, starrt scheinbar teilnahmslos auf den Boden, als der Vorsitzende Richter am Berliner Landgericht das Urteil bekannt gibt: erneut „lebenslänglich“ für die Angeklagten wegen gemeinschaftlich begangenen Mordes infolge eines Autorennens in der Berliner Innenstadt in der Nacht vom 1. Februar 2016. Damit folgt das Gericht dem Antrag der Staatsanwaltschaft in wesentlichen Punkten. Der Fall der „Ku’damm-Raser“ schreibt damit Rechtsgeschichte.

Zum ersten Mal hatte 2017 ein Gericht die beiden Raser wegen Mordes verurteilt, der Bundesgerichtshof allerdings hob das Urteil 2018 als schlecht begründet wieder auf. Die 32. Strafkammer, die den Fall seit November 2018 neu verhandelte, musste nun also ihre Sichtweise begründen und entscheiden: War es Mord oder fahrlässige Tötung? Das Berliner Landgericht sieht den „bedingten Tötungsvorsatz“ als erwiesen an. Es sei der Kammer klar, dass die Angeklagten nicht mit Absicht gehandelt hätten, sagt Richter Schertz, doch mit grober oder bewusster Fahrlässigkeit habe ihr Verhalten „nichts mehr zu tun“ gehabt.

Schertz zeichnet ein negatives Bild der Angeklagten, die Rasen „als Lifestyle“ empfunden hätten. Sie rasten mit bis zu 160 Stundenkilometern – „wissend, dass man bei solcher Geschwindigkeit nicht mehr reagieren kann“. Ihre Fahrzeuge wurden „förmlich zu Projektilen“. Der Audi von Hamdi H. bohrte sich in den rechts einbiegenden Jeep von Michael Warshitsky und schleuderte ihn 70 Meter weit, der 69-Jährige hatte keine Chance.

Das neue Urteil stützt sich auf die Aussage des technischen Experten, dass die beiden Angeklagten circa 90 Meter vor der Unfallstelle noch hätten bremsen können. Marvin N. habe sogar einen Moment den Fuß vom Gaspedal genommen, um dann trotz roter Ampel Vollgas zu geben. Die Strafkammer sieht damit den bedingten Vorsatz auch für N. gegeben, obwohl H. derjenige war, der mit dem Jeep kollidierte. Das Argument des Sachverständigen, dass N. damit „das einzig Richtige“ getan habe, nämlich durchzustarten, weil Bremsen nicht mehr geholfen hätte, ignoriert das Gericht. Die Verteidigung wird in Revision gehen.