Kommentar Burkini-Urteil in Frankreich: Das Recht, bekleidet zu sein

Es sollte klar sein, dass es nur einen einzigen Menschen gibt, der über den Nacktheitsgrad einer Frau entscheidet: die Frau selbst.

Frauen in Hijab sitzen im Meer und schauen sich ein leicht bekleidetes Paar an, dass Akrobatik macht

Am Strand sollte alles erlaubt sein. Sonst natürlich auch Foto: reuters

Frauen müssen sich den Grad ihrer Nacktheit im öffentlichen Raum nicht vorschreiben lassen, auch nicht an französischen Stränden. Das Oberste Verwaltungsgericht in Paris erklärte das Verbot von sogenannten Burkinis – Ganzkörperbadeanzügen – für rechtswidrig, es verstoße gegen „fundamentale Freiheitsrechte“.

Ein lokales Gericht hatte das Verbot zunächst bestätigt. Der Burkini würdige Frauen herab, sei unvereinbar mit ihrem Status in einer demokratischen Gesellschaft. Dass es nicht um die Würde von Frauen geht, zeigt aber allein der Fall aus Nizza, bei dem eine muslimische Frau von vier bewaffneten Polizisten gezwungen wurde, ihr Hemd auszuziehen.

Was sagt es über eine Gesellschaft aus, wenn das Recht einer Frau, den Strand zu betreten, von den Quadratzentimetern nackter Haut abhängt, die sie zeigt? Ein Burkini ist keine Burka. Der Burkini ist kein in erster Linie religiöses Kleidungsstück, er soll es Menschen ermöglichen, Sport zu machen, ins Schwimmbad oder an den Strand zu gehen – ohne sich der Öffentlichkeit nahezu nackt präsentieren zu müssen.

Es sollte selbstverständlich sein, dass es nur einen einzigen Menschen gibt, der über den Nacktheitsgrad einer Frau entscheidet: die Frau selbst. Sie muss das Recht haben, im knappen Bikini an den Strand zu gehen, ohne, dass das als „Fass meinen Hintern an“ verstanden wird. Genau so muss sie aber auch das Recht haben, ihren Körper vor den Blicken anderer zu verbergen.

Frauen sind nicht dazu da, ihren Körper wie ein Spanferkel auf einem Silbertablett zu präsentieren. Es ist nicht ihre Pflicht, ein öffentliches Bedürfnis nach Voyeurismus und entblößtem Fleisch zu befriedigen. Frauen zu zwingen, bestimmte Dinge zu tragen, ist ein Eingriff in ihr Recht auf Selbstbestimmung. Ihnen vorzuschreiben, sich auszuziehen, ist um keinen Deut besser.

Das ist es, was nicht mit einer demokratischen Gesellschaft vereinbar ist. Und deswegen hat das französische Gericht die einzig richtige Entscheidung getroffen.

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leitet das Inlandsressort der taz. Davor war sie dort seit Oktober 2018 Redakteurin für Migration und Integration und davor von 2016-17 Volontärin der taz Panter Stiftung. Für ihre Recherche und Berichterstattung zum sogenannten Werbeverbot für Abtreibungen, Paragraf 219a StGB, wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Im März 2022 erschien von Gesine Agena, Patricia Hecht und ihr das Buch "Selbstbestimmt. Für reproduktive Rechte" im Verlag Klaus Wagenbach.

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