Geheime Studie zu BaWü und Freihandel: Grüne in der Ceta-Falle
Eine Studie zeigt seit Monaten, wie Ceta die Daseinsvorsorge der Länder beschneidet. Kreschmanns Regierung wollte das geheimhalten.
Denn die Antwort ist mitentscheidend dafür, wie das grün-schwarz regierte Land im Bundesrat abstimmt, wenn dort über das Freihandelsabkommen Ceta entschieden wird. Zu den Bedingungen, die Baden-Württemberg für eine Zustimmung formuliert hat, gehört nämlich, dass der „umfassende Gestaltungsspielraum“ von Ländern und Kommunen bei der öffentlichen Daseinsvorsorge durch Freihandelsabkommen „nicht beeinträchtigt“ werden darf.
Als Gutachter wurde der renommierte Europarechtler Martin Nettesheim von der Universität Tübingen ausgewählt, der das Land und den Bund schon in diversen Verfahren vertreten hat. Sein Urteil war klar: „Ceta lässt den politischen Gestaltungsspielraum der Länder und Gemeinden in der Bundesrepublik Deutschland nicht unberührt“, lautet der erste Satz der Zusammenfassung. Und weiter: „Eine umfassende Freistellung von Dienstleistungen des Allgemeininteresses findet sich in Ceta nicht.“ Beispielsweise seien weder Kultur noch die Wasserversorgung komplett ausgenommen.
Fertiggestellt wurde das Gutachten im Dezember, die finale Fassung trägt das Datum 8. Januar 2016. Doch die Öffentlichkeit erfuhr lange Zeit nichts von dem brisanten Papier. Mehr als fünf Monate hielt Kretschmanns Staatsministerium – so heißt in Baden-Württemberg die Behörde des Ministerpräsidenten – das Gutachten zurück.
Selbst die Mitglieder des TTIP-Beirats, der die Landesregierung in Freihandelsfragen beraten soll, wurden noch nicht einmal über die Existenz der Expertise informiert, als sie über die Auswirkungen von Ceta auf die Daseinsvorsorge diskutierten.
Nur durch Zufall von der Studie erfahren
„Das ist schon ein starkes Stück, dass uns Informationen vorenthalten wurden, die eine wichtige Grundlage für unsere Arbeit sind und unsere Befürchtungen bestätigen“, sagt Sarah Händel, die als Landesgeschäftsführerin des Vereins „Mehr Demokratie“ Mitglied in dem Beirat ist. Von der Existenz des Gutachtens hat der Verein nur durch Zufall erfahren, als ein Vorstandsmitglied Mitte Februar mit dem Verfasser Nettesheim ins Gespräch kam – in einer Prozesspause vorm Bundesverfassungsgericht, wo beide in einer anderen Angelegenheit und auf verschiedenen Seiten aufeinandertrafen.
Die Bitte von „Mehr Demokratie“, die Studie zu bekommen, wurde vom Staatsministerium zunächst abgelehnt – mit Verweis darauf, dass es noch nicht abschließend bewertet sei. Erst als der Verein einen offiziellen Antrag nach dem Informationsfreiheitsgesetz stellte, gab das Haus von Winfried Kretschmann nach – wohl im Wissen, dass man im Zweifel vor Gericht ohnehin unterliegen würde.
Seit dieser Woche steht die Studie darum nun im Internet – auf einer untergeordneten Webseite der Landesregierung. Eine Pressemitteilung gibt es dazu ebenso wenig wie eine Bewertung. Über die Suchfunktion von der Homepage aus ist das Gutachten nicht zu finden.
Kretschmanns Sprecher Arne Braun weist den Vorwurf zurück, dass die Studie aus inhaltlichen Gründen zurückgehalten wurde: „Zu der Zeit war Wahlkampf, und da war Ceta kein politisch virulentes Thema“.
Kretschmann hat sich bisher nicht festgelegt, wie Baden-Württemberg im Bundesrat votieren wird. Für den Grünen-Europaabgeordneten Sven Giegold, der für eine klare Haltung gegen Ceta kämpft, hat das Gutachten eine große Bedeutung. „Es zeigt, dass die kommunale Daseinsvorsorge erschwert wird“, sagte er der taz. „Deshalb sollten alle Bundesländer unabhängig von der parteipolitischen Regierungskonstellation Ceta im Bundesrat ablehnen.“ Inhaltlich äußerte sich die Landesregierung Wegen des Feiertags in Baden-Württemberg am Donnerstag nicht zu dem Gutachten und seinen Konsequenzen.
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