Geflüchtete in Sachsen: Arzt will keine Ausländer behandeln

Im sächsischen Ellefeld schimpft ein Internist auf Geflüchtete. Er will sie nicht behandeln. Ein Berufsverbot ist unwahrscheinlich.

Menschen beim Arzt

Geht anderswo auch: Ärzte behandeln Asysuchende Foto: dpa

BERLIN taz | Ein aufgewühlt wirkender Mann tritt am 19. November vor rund 500 Bürgern im sächsischen Ellefeld. In der Gemeindekreisratssitzung wird über den Ellefelder Hof gesprochen. In dem leer stehenden Gasthof sollen ab Dezember die ersten 40 Flüchtlinge untergebracht werden.

Energisch ergreift der Mann das Wort. Es ist Thomas Schädlich, der gemeinsam mit seiner Frau die einzige Praxis für Innere Medizin im Ort betreibt. Der Internist warnt vor Krankheiten wie Tuberkulose, die von Geflüchteten nach Deutschland eingeschleppt würden. Auch stellt er fest, dass die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen (KVL) noch keinen Behandlungsvertrag mit „Asylanten“ habe, der die kassenärztliche Versorgung sichere, und dass es keinen behandelnden Arzt im Umland gebe, der uneigennützig Menschen behandele, ohne dafür entlohnt zu werden.

Schädlichs Auftritt kann man auf YouTube verfolgen, gefilmt von Reportern des lokalen Fernsehsenders. Noch pikanter sind Aussagen, die nicht auf dem Videomaterial zu sehen sind, aber von Zeugen bestätigt wurden. Unter anderem soll Schädlich im Laufe seiner Brandrede gesagt haben, er werde keine Flüchtlinge oder Ausländer behandeln. Wenn er Ausländer behandeln wolle, wäre er zu Ärzte ohne Grenzen gegangen. Auf seinen hippokratischen Eid angesprochen, der ihn verpflichtet, Kranke zu behandeln, hat er demnach erwidert: „Das interessiert mich nicht.“

Unmittelbar nach der Gemeinderatssitzung reichte der Betreiber der künftigen Flüchtlingsunterkunft Beschwerde bei der Landesärztekammer Sachsen (SLÄK) ein. Kammersprecher Knut Köhler zeigte sich gegenüber der taz empört: „Sollten diese Äußerungen von Herrn Schädlich wirklich so gefallen sein, wäre das aus ärztlich-ethischer Sicht schwer zu tolerieren.“ Die bloße Ankündigung sei jedoch juristisch nicht relevant.

Der hippokratische Eid, allen bedürftigen Menschen zu helfen, ist ihm egal

Im schlimmsten Fall kann die Kammer ein Ordnungsgeld von bis zu 2.500 Euro verhängen, wenn ein Verstoß gegen die ärztliche Berufungsordnung vorliegt. Schädlichs Fall wird derzeit geprüft. Ein Berufsverbot müsste ein Arbeitsgericht aussprechen.

Nur Bremen und Hamburg bieten volle Krankenversicherung

Dorfbürgermeister Jörg Kerber wollte die Geschehnisse der Versammlung nicht näher kommentieren, zeigte sich aber enttäuscht über die Berichterstattung: „Es ist wesentlich mehr gesagt worden, als geschrieben wird“, sagte Kerber. Er räumte aber ein, dass die Stimmung während der Gemeinderatssitzung angespannt gewesen sei. Viele der Anwohner hätten Angst, weil sie nicht wüssten, was auf sie zukäme. Der Betreiber der künftigen Flüchtlingsunterkunft, Rodny Scherzer, berichtete der taz, dass Schädlich schon vor der Bürgerversammlung gedroht hätte, Geflüchtete und Ausländer nicht behandeln zu wollen. Während der Versammlung habe sich der Arzt als AfD-Kreistagsmitglied vorgestellt und in dieser Funktion auch gesprochen.

Dem widersprach der AfD-Kreisverband Vogtland. Die Aussagen des Mitglieds „stellen ausdrücklich dessen Meinung aus privater und medizinischer Sicht dar“, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme. Auch seien die Zitate aus dem Zusammenhang gerissen worden. Thomas Schädlich selbst war bis Redaktionsschluss für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Seine Frau wollte die Ereignisse nicht kommentieren.

LKV-Sprecher Köhler sieht in den Äußerungen Schädlichs einen Einzelfall. Die Vermittlung von rund 330 Ärzten seit September dieses Jahres für ehrenamtliche Flüchtlingsversorgung habe gezeigt, dass es unter den Medizinern auch Solidarität mit Geflüchteten gebe.

Derzeit sind Asylsuchende in Sachsen nicht über die gesetzliche Krankenversicherung versichert und haben daher auch keine Versichertenkarte, anders als in Bremen oder Hamburg. Die Behandlungskosten für Asylsuchende werden entweder vom Sozialamt des Landkreises übernommen, dem der Asylsuchende zugewiesen wurde, oder von der Landesdirektion Chemnitz, wenn diese noch keinem Landkreis zugewiesen wurden. Welche Leistungen übernommen werden, regelt das Asylbewerberleistungsgesetz.

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