IS und Islam: Sollten Muslime sich distanzieren?

Nach dem Terror von Paris haben Muslime das Gefühl, sich erklären zu müssen. Der Vorwurf: Islam und IS gehören zusammen.

Junge Frau mit Schild "Not in my name" vor dem Brandenburger Tor

Der IS ist zutiefst unislamisch. Foto: dpa

Wenn, wie in dieser Woche, über den selbsternannten „Islamischen Staat“ und den Islam gesprochen wird, scheint es diese beiden Positionen zu geben: Erstens, der IS hat nichts mit dem Islam zu tun. Zweitens, der IS ist die Folge einer gewaltverherrlichenden Religion, die Radikalisierung ist im Koran angelegt. Wer so argumentiert, zieht eine direkte Linie vom Islam zum IS. Ähnlich wie die, die auf Facebook und Twitter schreiben, dass man lieber nicht für Paris beten solle: Gerade jetzt habe man genug von Religionen.

Am Anfang steht also die Frage: Ist der IS ein innerislamisches Problem? Ohne den Islam gäbe es keinen „Islamischen Staat“, zugleich, das sagen islamische Gelehrte immer wieder, ist der IS zutiefst unislamisch. Ein Paradox.

Es ist ein Kampf um Begriffe, Erzählungen und Ideologien. Er wird global ausgefochten, mit Kalaschnikows, YouTube-Videos und dem Koran.

Die ReporterInnen der taz.am wochenende waren in Nizza, Berlin und in Dschidda in Saudi-Arabien. Sie haben in Kairo mit dem Großscheich der al-Azhar-Moschee gesprochen, eine der größten Autoritäten im sunnitischen Islam. Und sie haben sich angesehen, wie ein türkischer Prediger im Internet gegen den IS wettert.

Anouk Beslim

„Die Terroristen haben das Leben von uns Muslimen in Frankreich bestimmt stärker verändert als das aller anderen Bürger“

„Die Terroristen haben das Leben von uns Muslimen in Frankreich bestimmt stärker verändert als das aller anderen Bürger“, sagt Anouk Beslim. Sie ist 21 und wird bald Krankenschwester. Beslim wohnt in Ariane, einem Vorort von Nizza. Es ist einer dieser Orte, die in den 1960er Jahren für nordafrikanische Zuwanderer aus dem Boden gestampft wurden. Die Menschen hier misstrauen der Presse, Anouk Beslim ist eine der wenigen, die überhaupt reden will – aber nur unter falschem Namen.

Seit den Attentaten von Paris war Beslim nicht mehr in der Innenstadt von Nizza, ihrem Geburtsort, sie war auch nicht mit ihren Freundinnen in ihrem Stammcafé. Sie hat eigentlich überhaupt nichts gemacht, außer die Nachrichten über die Jagd nach den Terroristen zu verfolgen. Auch aus Angst vor Pöbeleien.

Nach den Anschlägen auf die Redaktion des Satiremagazins Charlie Hebdo im Januar wurde Beslim mehrfach angegriffen. „Ein Jugendlicher hat mir mitten auf der Straße den Schleier vom Kopf gerissen“, sagt sie. Ständig müsse sie sich erklären.

Es ist ein Kampf um Begriffe und Erzählungen, global ausgefochten mit Kalaschnikows, Youtube und dem Koran. Was die Gelehrten der islamischen Welt dem „Islamischen Staat“ entgegensetzen, lesen Sie in der taz.am wochenende vom 21./ 22. November 2015. Außerdem: Wie geht das Leben in Paris nach den Anschlägen weiter? Und: „Eisbären sind einfach nicht hilfreich“, sagt Srđa Popović. Der Revolutionsberater im Gespräch über Strategien im Kampf gegen den Klimawandel. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Der mögliche konservative Präsidentschaftskandidat Alain Juppé forderte in dieser Woche, französische Muslime müssten sich öffentlich von jedem Fanatismus und Barbarei distanzieren.

Der französische Rat der Muslime arbeitet inzwischen an einer Charta und an einem Label, das er den Imamen im Land verleihen will, um radikale Prediger auszugrenzen. Die Unschuldsvermutung ist außer Kraft gesetzt.

Gerade kämen zwei Dinge zusammen, die es für Muslime in Europa schwer machen, meint Beslim: Die Attentate machten den Menschen Angst. Und sie wollen nicht sehen, dass der Islam friedlich ist.

Beslim ist vor fünf Jahren zum Islam übergetreten. Seitdem vergeht kaum ein Tag, an dem sie sich nicht für die Gräueltaten des IS rechtfertigen muss.

Sollen Muslime sich von islamistischem Terror distanzieren? Warum wird das von ihnen gefordert? Was meinen Sie?

Diskutieren Sie mit!

Die Titelgeschichte „Gegen den Terror“ lesen Sie in der taz.am wochenende vom 21./22. November 2015.

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