Zwischenstand beim 34C3: Tschunks und Pimmel
Am Samstag geht in Leipzig der Hackerkongress des Chaos Computer Clubs zu Ende. Was bleibt: Er ist ein Hort von Männern, die mal Hilfe bräuchten.
1. Tschunk schmeckt scheiße: Der Cocktail, der auf Hackerpartys bereitet wird, ist ein trinkbarer Witz, über den Nerds auch gerne lachen. Die Pointe: Sie kippen sich Rum in ihre Club Mate und popeln Limetten hinein. taz-Urteil: Update nötig.
2. Bitcoin-Billionäre haben Not: Selten kommen auf der Welt so viele Reiche zusammen, die gar nicht danach aussehen. Der Hackerkongress ist ein Sammelbecken von Leuten, deren digitale Geldbörsen voll sind, weil sie früh auf die Kryptowährung gesetzt haben. Weil Spekulanten eingestiegen sind, sind 1.000 Bitcoins heute knapp 12 Millionen Euro wert. Doch die Sparer haben ein Geldwäscheproblem: Ihr Reichtum ist fiktiv. Wer ihn steuerfrei zu Bargeld machen will, braucht Ideen. Weil alle Transaktionen transparent sind, fällt auf, wer Coins in großem Umfang loswerden will. Und: Kommt die Festplatte abhanden, ist der Reichtum weg. taz-Urteil: Leistung soll sich wieder lohnen, Bitcoinbesitzer ächten!
3. Staubsauger sind tückisch: Viele Menschen wissen gar nicht, was ihre Haushaltsgeräte draufhaben. Manche selbstfahrenden Staubsauger können die Wohnung kartografieren oder Fotos machen. Unternehmen könnten sich das zunutze machen. Zwei Hacker haben nun gezeigt, wie sie mit einem Stück Alufolie einen Staubsaugerroboter übernommen haben. Dann hat ihr Sauger auf sie gehört und nicht mehr aufs Unternehmen. taz-Urteil: Weiter so, gründet Selbsthilfegruppen!
4. Snowdens Helfer zittern: Edward Snowden hockt heute in Russland, das ist bekannt. Weniger bekannt: Die, die ihm einst halfen, sind in Not. Flüchtlingsfamilien aus Sri Lanka hatten Snowden in den ersten Tagen seiner Ankunft in Hongkong Unterschlupf gewährt. Nun sollen sie abgeschoben werden. Die Kongressveranstalter machten eine Live-Schalte nach Asien. Da saß die Familien und berichteten von ihrer Situation. Auch Snowden wurde zugeschaltet, rief zu Spenden auf. taz-Urteil: Hingucken, aufpassen.
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und rund um die Uhr bei Facebook und Twitter.
6. Schulen brauchen mehr Kohle: Ein Lehrer, eine Professorin, ein Schüler: Sie standen auf der Bühne und berichteten über den tristen Schulalltag in Deutschland. Digitalisierung? Passiert anderswo. Ihre Beschreibung: Kaum neue Geräte, zu wenig Expertise – und vor allem eines fehle: ein Unterricht, der aus naiven Internetnutzern selbstbestimmte und risikobewusste Bürger mache. taz-Urteil: Bitte ein Regierungsprojekt. Gebt Milliarden an die Schulen!
7. Lebensretter legen Hand an: Ein Beatmungsgerät ist auch nur eine Maschine, die ein bestimmtes Volumen von Luftstößen in bestimmten zeitlichen Intervallen abgibt. Dennoch kostet es Zehntausende Euro. Eine Initiative will nun Bausätze entwickeln und im Internet veröffentlichen, mit denen sich sichere Medizingeräte billig konstruieren lassen. Das soll etwa Menschen in Syrien helfen, wo viele Krankenhäuser in Schutt und Asche liegen. taz-Urteil: Wichtig! Aber bitte idiotensicher konstruieren!
8. Rechte lügen leichter: AfD-Abgeordnete fallen besonders oft auf Lügen herein. Ein Datenjournalist hat ein Jahr lang Millionen Twitterkonten und Hunderte Millionen Tweets ausgewertet. Sein Fazit: Die Verbreitung von Lügen (neudeutsch: „Fake News“) stamme aus einem großen Netzwerk von Twitterkonten, das weitgehend unabhängig vom Rest der Twitterwelt vor sich hin agiere. Mittendrin, als Leser und Verbreiter: Abgeordnete der AfD. Für seine Untersuchung hat der Journalist auch die Twitterkonten aller Bundestagsabgeordneten analysiert. Ergebnis: Die AfD lebt in einer eigenen Wahrnehmungswelt. taz-Urteil: Schade.
9. Hacker haben ein Pimmelproblem: Dutzende Veranstaltungen und nirgends geht es um ihr Kernproblem: Der weltgrößte Hackerkongress ist ein Hort von Männern, die mal Hilfe bräuchten. Seit dem weltweit ausgetragenen Streit um den Wikileaks-Aktivisten Jacob Appelbaum, dem öffentlich sexuelle Belästigung vorgeworfen wurden und der heute Hausverbot hat, schweigt sich der Club zu der Causa aus. Die Thematik, wie Übergriffen vorgebeugt und ein einladendes Klima für Frauen geschaffen wird, wird auf den Bühnen weitgehend ausgeklammert. Dafür gibt es diverse Unisex-Toiletten. Die Folge: Frauen drängen sich dort an Horden stehender Pisser vorbei, während Damenklos leer sind. taz-Urteil: Therapeuten bestellen, drüber reden, erwachsen werden!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen