Zukunft des Kirchenasyls: Schrumpfende Spielräume
In NRW hat die Polizei ein irakisches Paar aus dem Kirchenasyl geholt. Neue EU-Regeln schränken diese letzte Zuflucht künftig noch stärker ein.
J ust in jener Woche, in der Teile der Union laut über ein Ende des individuellen Rechts auf Asyl nachdenken, holt die Polizei in NRW ein kurdisches Paar aus einer Kirche, in der es Zuflucht gefunden hatte. Es soll nach Polen abgeschoben werden – wo ihm erneut die Abschiebung droht.
Kirche und Staat hatten sich lange darauf geeinigt, dass das Kirchenasyl als Ultima Ratio für Härtefälle respektiert wird. Seit Jahren gibt es dazu eine formelle Vereinbarung, die das Nähere regelt. Doch der dahinterstehende Konsens bröckelt immer weiter. Zu sehen war das unter anderem an der Serie von Kriminalisierungsversuchen gegen Geistliche in den vergangenen Jahren, die teils bis zu fünf Strafverfahren laufen hatten, weil ihre Gemeinden Kirchenasyl gewährten.
Faktisch steht das Kirchenasyl fast nur noch sogenannten Dublin-Fällen offen, die in einen anderen EU-Staat abgeschoben werden sollen, in Deutschland aber Aussicht auf Anerkennung hätten.
Schon bisher sind diese Geflüchteten darauf angewiesen, eine Gemeinde zu finden, die für mindestens sechs Monate bereit ist, die Verantwortung für sie zu übernehmen. Und das heißt, neben Alltäglichem wie Einkaufen vor allem auch den zwischenmenschlichen Kontakt aufrecht zu erhalten. Ohne diesen können für die oft stark vorbelasteten Geflüchteten sechs Monate sehr lang werden. Erstaunlich genug, dass sich dafür immer wieder viele Engagierte in den Gemeinden finden – selbst wenn ihnen dafür juristischer Ärger droht.
Künftig dürften es deutlich weniger Engagierte sein. Denn die derzeit auf EU-Ebene verhandelten Änderungen beim sogenannten Dublin-System laufen darauf hinaus, dass die EU-Staaten künftig 24 statt 6 Monate Zeit haben, die sogenannten Dublin-Fälle zurückzuschicken. Das ist ein Zeitraum, den nur die wenigsten Härtefälle und Kirchengemeinden durchstehen können.
Die bisher verbleibende Möglichkeit, Menschen wie dem kurdischen Paar eine letzte Zuflucht zu bieten, mögliche Fehlentscheidungen der Asylbehörden zu korrigieren – sie schrumpft rasend schnell.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“